Ausdrücke wie "die beste Draft-Klasse seit X Jahren" geistern auffallend häufig durch Scout- und Medien-Kreise, wenn man bedenkt, was für ein Superlativ das eigentlich ist.

Die 2014er Klasse ist derzeit wohl der aktuelle Maßstab, wenn man von den Wide Receivern spricht. Sammy Watkins, Mike Evans, Odell Beckham, Brandin Cooks, Davante Adams, Allen Robinson, Jarvis Landry, John Brown, Martavis Bryant - sie alle stammten aus diesem Draft-Jahr, für jede Klasse wird es schwer sein, das zu toppen.

Spricht man von Pre-Draft-Einschätzungen - also den Einschätzungen und Analysen der Spieler bevor sie einen Snap in der NFL gespielt hatten -, dann ist das Bild selbstredend etwas anders. Adams, Robinson und Landry waren späte Zweitrunden-Picks, Brown ging in Runde 3. Selbst Beckham würde in einem Re-Draft sicher höher als Pick Nummer 12 gehen.

Wie sieht das in diesem Jahr aus? Fünf Wide Receiver gingen 2014 in Runde 1, es ist alles andere als ausgeschlossen, dass diese Marke in diesem Jahr geknackt wird. Vier Receiver in der ersten Runde scheinen nahezu garantiert, auch sechs Wideouts wären nicht überraschend.

An der Spitze der Gruppe stehen für die meisten Analysten zwei Spieler: Oklahomas CeeDee Lamb und Alabamas Jerry Jeudy. Speedster und Jeudys College-Mitspieler Henry Ruggs gilt am ehesten als derjenige, der in diese Doppel-Phalanx einbrechen könnte.

Doch welcher Receiver sollte ganz oben stehen? Wer ist das vielversprechendste Receiver-Talent in einer Klasse voll mit Ausnahmespielern? Und vor allem: Was macht die vermeintlichen Top-Prospects aus?

Draft-Analyse: CeeDee Lamb, WR, Oklahoma

Jede Draft-Analyse zu Lamb muss mit seinen Qualitäten nach dem Catch beginnen - und die meisten College-Fans dürften dabei ganz besonders eine Szene im Kopf haben: Der Catch-and-Run-Touchdown über rund 70 Yards gegen Kansas State:

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Die Kombination aus Physis, Agilität, Beschleunigung und Vision ist absolut eindrucksvoll. Lamb verzeichnete elf Yards nach dem Catch pro Reception, der fünftbeste Wert aller College-Receiver im vergangenen Jahr.

Mehr noch: Insgesamt 26 verpasste Tackles forcierte Lamb mit dem Ball in der Hand, der zweitbeste Wert unter College-Receivern.

Seine Beschleunigung nach dem Catch ist eindrucksvoll und nicht zu unterschätzen; Lambs Tape sieht oftmals nicht wie das eines schnellen Receivers aus, doch regelmäßig zeigte er hier, wozu er in der Lage ist .

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CeeDee Lamb: Advanced Stats 2019

Drops Yards nach dem Catch/Reception Durchschnittliche Target-Tiefe Slot-Yards/Deep-Yards 3 (93) 11,0 Yards (5) 13,2 Yards (99) 605 Yards (46)/527 Yards (12)

Alle Statistiken in dieser Tabelle stammen aus dem Draft Guide von Pro Football Focus. In Klammern immer der Rang unter allen College-Receivern 2019 mit mindestens 50 Targets. Deep-Yards sind Receiving-Yards bei Pässen die mindestens 20 Yards Downfield fliegen.

Eine andere Qualität, die sich durch diesen Bereich von Lambs Spiel wie ein roter Faden zieht, ist sein extrem gutes Gefühl für die Defense und den Raum.

Er ist nach dem Catch extrem schnell wieder in Laufposition und lässt Verteidiger aussteigen, ehe er dann den Turbo zündet. Kombiniert man das noch mit seinen exzellenten Händen, kommen Plays wie dieser Touchdown gegen Texas dabei heraus :

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CeeDee Lamb und das subtile Route-Running

Auf den ersten Blick scheint der Vergleich Jeudy vs. Lamb vermeintlich klar: Jeudy ist der Techniker, der Route-Runner und der explosive Receiver - Lamb punktet mit Physis, Körperkontrolle, sehr guten Händen und irrer Production nach dem Catch.

Allerdings würde man Lamb (und Jeudy ebenfalls, um genau zu sein) Unrecht tun, würde man ihn darauf reduzieren. Zwar hat Lamb nicht die explosiven Cuts und nicht die Agilität und Flinkheit, über die Jerry Jeudy verfügt - doch es ist nicht so, als würde Lamb keine Separation kreieren.

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Das Beispiel hier gegen Texas Tech gibt eine gute und vor allem für Lambs Spiel repräsentative Kostprobe.

Lamb - als linker Outside Receiver aufgestellt - hat überraschend schnelle Füße, er variiert seinen Release genau wie sein Tempo in der Route auffallend effizient und hat oftmals einen klaren Plan, wie er einen Gegenspieler attackieren will.

In diesem Fall verkauft er dem Cornerback mit seinen Füßen zunächst eine vertikalere Route, um dann einen scharfen Cut nach innen zu setzen. Ein einfacher, weil komplett offener, Pass für Jalen Hurts bei Third Down ist das Resultat.

Es sind bei Lamb generell eher subtilere, aber trotzdem effiziente, Körpertäuschungen, mit denen er sich in der Route Platz verschafft. Er arbeitet extrem präzise mit seinen Händen und setzt seine Physis in der Route glänzend ein.

Und - und dieser Part wird seinen künftigen NFL-Quarterback zusätzlich freuen - Lamb hat nicht nur sehr gute Hände, er attackiert den Ball auch aggressiv .

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Jump Balls, Pässe in Bedrängnis, Bälle, bei denen der Receiver vermeintlich nicht offen ist: Mit Lamb sind diese Pässe keine 50:50-Fragen, dafür ist er viel zu stark am Catch Point. Es ist einer der vielen Bereiche, wo der Vergleich zu DeAndre Hopkins überdeutlich wird.

Auch Lamb verfügt über eine irre Körperkontrolle und ist in der Lage, unfassbare Plays aufzulegen - wie dieser Beinahe-Catch gegen UCLA im Vorjahr.

Lamb attackiert den Ball, er fängt Pässe weg vom Körper, er hält den Ball auch durch einen Hit . Alles, was er auf Tape zeigt, deutet einen künftigen Nummer-1-Receiver in der NFL an.

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CeeDee Lambs Schwächen: Jammern auf hohem Niveau

Doch selbstverständlich ist auch Lamb kein perfektes Receiver-Prospect. Weder Explosivität noch Speed sind bei ihm auf höchstem Level, seine Richtungswechsel brauchen mehr Zeit als bei einigen anderen Receivern dieser Klasse.

Auch ist er - wenngleich man hier keinesfalls eine Schwarz-Weiß-Trennung vornehmen sollte - eher ein Contested-Catch- als ein Separation-Receiver. Das ist per se nicht schlimm, erfordert aber auch einen Quarterback, der gewillt ist, die entsprechend engeren Fenster anzuspielen.

Gelegentlich läuft er Routes auch etwas behäbig und setzt seine Cuts zu langsam. Doch in der Summe ist Lamb eines der besten Receiver-Prospects der letzten fünf Jahre und sollte schon als Rookie eine gewichtige Rolle in seiner künftigen NFL-Offense spielen.

Draft-Analyse: Jerry Jeudy, WR, Alabama

Während den Zuschauer bei Lamb die Physis und die Qualitäten nach dem Catch förmlich anspringen, ist es bei Jeudy das Route-Running. In dieser Hinsicht gab es über die letzten Jahre kein Draft-Prospect, das es hier mit Jeudy hätte aufnehmen können.

Plays wie dieses hier gegen LSU waren reihenweise auf Jeudys Tape zu beobachten:

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Der gemeinsame Nenner bei Jeudys Routes: Es ist absolut beeindruckend, wie mühelos er Richtungswechsel, rein körperlich betrachtet, umsetzt. Cuts sind wahnsinnig scharf und explosiv, Richtungswechsel erfolgen mühelos und innerhalb kürzester Zeit.

Das alleine lässt gute Defensive Backs schon regelmäßig aussteigen. Jeudy bereitet seine Cuts aber auch glänzend vor.

Die Szene gegen LSU ist auch hierfür ein gutes Beispiel, Jeudys ganze Körperhaltung deutet die Route nach innen an, sein Kopf dreht sich erst, nachdem er den kompletten Cut gesetzt hat. Für den Verteidiger gibt es keinen Ansatz, den Cut so zu erwarten.

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In Kombination mit seinem Speed und den konstant gefährlichen Richtungswechseln gibt er Cornerbacks so von vorneherein schon eine große Aufgabe, dieser Catch gegen Clemson unterstreicht das nochmals .

Jeudy arbeitet bereits auf den ersten Schritten mit mehreren angetäuschten Richtungswechseln, auf die der Corner reagieren muss. Letztlich reagiert der Cornerback auf die letzte Täuschung und antizipiert eine vertikalere Route, in dem Moment setzt Jeudy seinen Cut - und ist so weit offen, wie man bei einer Comeback-Route nur sein kann.

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Es sind diese Richtungswechsel, die Jeudy extrem fließend in seine Routes einbaut und die Gegenspielern Angst einjagen. Das führt nicht selten zu Überreaktionen bei den Verteidigern und wenn man einmal auf dem falschen Fuß ist, zieht Jeudy blitzartig vorbei.

Die obere Szene unterstreicht das nochmals . Jeudy attackiert mit angetäuschten Cuts, sprintet letztlich aber an seinem Gegenspieler vorbei. Der scharfe Cut erfolgt erst später und Jeudy ist einmal mehr weit offen.

Jeudy: Elite-Route-Running und ein glänzender Release

Ein Elite-Prospect ist Jeudy, weil er sehr gutes Route-Running, Explosivität und Speed mit einem glänzenden Release kombiniert.

Dieses Play gegen South Carolina unterstreicht das :

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Es gibt wenige Receiver, die im College Press-Coverage schon so regelmäßig und so eindrucksvoll bestrafen wie Jeudy.

Hier versucht ein Defensive Back sein Glück gegen Jeudy (oberer Bildrand, der vorne platzierte Receiver), doch sein Arm geht gegen Jeudys Ausweichbewegung zur Seite komplett ins Leere.

Damit ist der Cornerback so aus der Balance gebracht, dass Jeudy bereits an ihm vorbei ist. Und dann hat er zu viel Speed, als dass man ihn noch einholen würde.

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Eine weitere Szene aus dem Spiel gegen South Carolina: Jeudy zwingt seinen Gegenspieler beim Release mit seinen schnellen Füßen auf den falschen Fuß. Abermals ist er anschließend viel zu schnell für die Coverage, ein besser platzierter Wurf sorgt hier für einen Touchdown.

Jerry Jeudy: Advanced Stats 2019

Drops Yards nach dem Catch/Reception Durchschnittliche Target-Tiefe Slot-Yards/Deep-Yards 7 (278) 7,8 Yards (40) 11,1 Yards (197) 702 Yards (35)/320 Yards (83)

Alle Statistiken in dieser Tabelle stammen aus dem Draft Guide von Pro Football Focus. In Klammern immer der Rang unter allen College-Receivern 2019 mit mindestens 50 Targets. Deep-Yards sind Receiving-Yards bei Pässen die mindestens 20 Yards Downfield fliegen.

Jeudy: Speed als Waffe

Jeudy ist in puncto Geschwindigkeit nicht auf dem Level von Henry Ruggs, kein Receiver in dieser Klasse ist das.

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Doch Jeudy hat hier fraglos ebenfalls Qualitäten. Beispielsweise lief er gegen Michigan etwa seinem Gegenspieler davon und fing einen schwierigen Ball tief über dem Boden - und derartige Plays sieht man regelmäßig.

Jeudy hatte in der vergangenen Saison vier Touchdowns bei Pässen über mindestens 20 Yards, er gewinnt also auch durchaus tief und hat gerade auch in der Mid-Range viele Plays, bei denen er merkliche Separation kreiert. Er ist eine vertikale Bedrohung, er kann aber auch nach dem Catch mit seinem Speed gewinnen.

Jeudy wurde bei Screens, Jet Sweeps, im Slot, Outside eingesetzt, einzelne Routes lief er sogar aus dem Backfield. Er ist ein universal einsetzbarer Receiver.

Und zumeist hat er auch sehr gute Hände .

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Jerry Jeudys Schwächen: Nur minimale Kritik

Es sind am ehesten offensichtliche Punkte, die man bei Jeudy hier nennen sollte. Er ist kein Contested-Catch-Receiver, in dieser Disziplin steht er ganz eindeutig hinter Lamb und auch etwa hinter einem Tee Higgins oder Denzel Mims, um andere Vergleiche in dieser Klasse anzubringen.

Auch ist er nur ein sehr mäßiger Blocker. Der Einsatz ist da, ja, doch immer wieder mal wurde er etwa bei Screens im wahrsten Sinne des Wortes über den Haufen gerannt.

Am ehesten wären die Drops allerdings herauszustellen. Sieben Drops in der vergangenen Saison sind noch nicht alarmierend, aber doch mehr als nur erwähnenswert.

Mein Eindruck ist, dass es vor allem Konzentration-Drops waren, Jeudy also schon mit dem Kopf woanders war und den Ball noch nicht gesichert hatte. Hier muss er sich aber fraglos noch stabilisieren.

Jeudy vs. Lamb: Wer ist der beste Receiver der Klasse?

Es ist auch ein bisschen die Frage danach, welchen Receiver-Typ man bevorzugt: DeAndre Hopkins oder Odell Beckham/Antonio Brown?

Also eher den größeren Receiver, der eine vertikale Waffe genau wie eine immense Gefahr im Kurzpassspiel und nach dem Catch ist - oder den Receiver, der blitzartig offen ist und sich mit enorm hoher Konstanz von seinen Gegenspielern lösen kann?

Lamb und Jeudy: Total Stats 2019 im Vergleich

Spieler Snaps (davon im Slot) Targets Catches Yards (Average) Touchdowns CeeDee Lamb 682 (180) 88 62 1.327 Yards (21,4 AVG) 14 Jerry Jeudy 600 (326) 108 77 1.163 Yards (15,1 AVG) 10

Und das macht die Auswahl zwischen den beiden Receiver-Prospects auch so spannend - und so Team-spezifisch. Ein Team wie etwa die Giants könnte eher einen Receiver-Typ wie Lamb gebrauchen, um das aktuelle Receiver-Corps zu vervollständigen. Die Cardinals wiederum, blendet man die College-Bande zwischen Murray und Lamb für einen Moment aus, bräuchten eher einen Jeudy-Typ.

Eine eindeutige Nummer 1 in dieser Klasse gibt es in meinen Augen nicht. Persönlich habe ich am Ende Jeudy nach vorne gesetzt, maßgeblich mit der Idee im Hinterkopf, dass ein "Elite-Separator" mehr Wert für eine Offense besitzt.

Lamb wird es in der NFL mit größeren athletischen und spielerischen Herausforderungen zu tun bekommen als im College, während Jeudy sich bereits gegen die besten Verteidiger im College-Football behauptet hat. Lamb ist in der Summe der komplettere Receiver, Jeudy ist im College einen etwas vielseitigeren Route Tree gelaufen.

Doch beide Receiver sollten schnell einen sehr guten Platz in ihrem NFL-Team einnehmen und auch als Rookie bereits einen Einfluss haben können, davon bin ich überzeugt.

Wo ich darüber hinaus eine eindeutige Meinung habe, ist bei der generellen Betrachtung der Klasse und der Einordnung von Lamb und Jeudy darin.

Auch wenn Henry Ruggs mit seinem Speed eine brandgefährliche Waffe ist, Tee Higgins die Reichweite eines Krans besitzt und Justin Jefferson im Slot für LSU schlicht herausragend war: In meiner Evaluierung gibt es einen klaren Cut nach dem Spitzenduo zum Rest des Feldes.

Jeudy und Lamb spielen in einer herausragend besetzten Receiver-Klasse in einer eigenen Liga.