Genau wie bei Bruder Moritz begann die basketballerische Laufbahn von Franz Wagner in den Jugendmannschaften von Alba Berlin. Nach einer Spielzeit in der BBL wechselte der 18-Jährige im Sommer 2019 ans College nach Michigan, wo auch Moritz spielte.

In seiner Freshman-Saison zeigte Wagner bereits einige starke Auftritte. Im Interview zieht er ein Fazit zu seinem ersten Jahr in den USA, bedauert die Absage von March Madness und verrät, wo er schon besser ist als Moritz.

Herr Wagner, eigentlich stünde für Sie jetzt die March Madness auf dem Programm. Wie war Ihre Gefühlslage, als klar war, dass das College-Basketball-Turnier aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr nicht stattfinden wird?

Franz Wagner: Es war extrem enttäuschend. Ich und das ganze Team waren voller Vorfreude, dass es jetzt endlich losgeht mit den Do-or-Die-Spielen. Das sind die Spiele, auf die man sich das ganze Jahr vorbereitet. Es war komisch, dass auf einmal alles vorbei war, und sehr frustrierend, dass wir nicht unsere Chance bekommen haben.

Wie haben Sie von der Absage erfahren?

Wagner: Wir haben uns vor unserem ersten Spiel im Big-10-Turnier aufgewärmt. So 20 Minuten vor Beginn kam jemand aufs Feld und sagte, wir sollen alle wieder in die Kabine gehen. Am Tag zuvor hat die NBA ihre Saison abgesagt und da haben wir uns schon gedacht, dass es jetzt auch bei uns passiert. In der Kabine wurde uns dann gesagt, dass das ganze Turnier abgesagt wurde - und eben auch March Madness.

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March Madness ohne Fans? Wagner: "Sehr, sehr komisch"

Das Big-10-Turnier sollte ursprünglich ohne Fans stattfinden, bevor es komplett abgesagt wurde. Auch bezüglich March Madness wurde diese Möglichkeit diskutiert. Wie hätte sich das für Sie angefühlt?

Wagner : Ich habe versucht, nicht so viel in die Zukunft zu schauen, sondern mich erstmal nur auf unser erstes Spiel vorzubereiten. Als ich dann in der Halle war und wir uns aufgewärmt haben, war es schon sehr, sehr komisch. Eigentlich spielt man dafür, dass man am Ende in einem Football-Stadion vor ich weiß nicht wie vielen Tausend Menschen auflaufen kann. Das macht die March Madness so besonders. Deswegen wäre das sehr komisch geworden.

Gibt es von der University of Michigan nun Vorgaben, wie sich die Studenten in Zeiten der Coronakrise verhalten sollten?

Wagner : Es gibt keinen Unterricht mehr, alle Studenten haben den Campus verlassen und sind nach Hause gefahren. Wir haben aber Online-Unterricht, das muss ich noch machen. Also habe ich schon noch ein bisschen was zu tun. Hier in Washington D.C kann man noch rausgehen, aber ich bleibe lieber drinnen. Das ist sicherer und besser so, wenn man was gegen dieses Virus machen will.

Haben Sie von den Coaches Tipps bekommen, wie Sie sich während der Basketball-freien Zeit fit halten können?

Wagner : Wir haben vom Krafttrainer Pläne bekommen, die wir individuell zuhause machen können. Ich habe erstmal ein wenig Pause gemacht, weil es schon auch eine anstrengende Saison war. Aber ich werde die nächsten Tage wieder anfangen. Mit Basketball spielen weiß ich aber nicht, was ich da machen kann. Hier in D.C. sind alle Hallen zu und es sieht ja nicht so aus, als ob das Virus bald auf einmal weggeht.

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Tipps von Bruder Moe Wagner: "Hat mir sehr geholfen"

In Washington wohnen Sie nun bei Ihrem Bruder und müssen immerhin nicht alleine in Michigan in Quarantäne ausharren.

Wagner : Wir haben uns schon länger nicht mehr alle zusammen gesehen. Meine Eltern sind auch hier in D.C. und ich bin vor ein paar Tagen angekommen. Das passt ganz gut für uns, jetzt ein bisschen Zeit miteinander verbringen zu können. Das ist ja auch schön, mit der Familie zusammen zu sein. Ich bin jetzt das erste Mal in D.C. bei Moe.

Merken Sie bei ihm einen Unterschied gegenüber seiner ersten NBA-Station in Los Angeles bei den Lakers?

Wagner : Ich glaube, generell hat er sich an das Leben in der NBA mehr gewöhnt. Natürlich war es in L.A. schon etwas Besonderes so nah am Strand, aber ich glaube, er hat auch das Stadtleben ein wenig vermisst. Ich würde sagen, Washington ist schon ein bisschen mehr wie Berlin. Mein Eindruck ist, dass er sich hier ganz wohlfühlt.

Haben Sie sich vor Ihrer ersten Saison am College ein paar Tipps von Moe abgeholt? Er spielte ja auch drei Jahre im Trikot der Wolverines.

Wagner : Er war in meiner ersten Woche in Ann Arbor da, das war extrem wichtig für mich. Das restliche Team war noch nicht vor Ort und er hat mir ein bisschen beim Einzug geholfen. Ich habe ihn natürlich gefragt, wo man sich einen Handyvertrag holt oder wo es etwas Gutes zu essen gibt und solche Sachen. Und generell wie man sich am College die Zeit gut einteilen kann, dass man genug Zeit für sich selber und zum trainieren hat neben der Schule. Das hat mir sehr geholfen, dass ich ihn an meiner Seite hatte.

Wie lief die Umstellung auf den College-Basketball? Für Sie war es sicherlich ein großer Schritt von Alba Berlin nach Michigan.

Wagner : Ich würde nicht sagen, dass die Umstellung einfach war, aber die Leute in Michigan haben mir extrem geholfen. Die Trainer haben mir von Anfang an viel Vertrauen gegeben und ich durfte viel spielen. Alles war neu, aber das Team hat mir sehr geholfen, mich ein wenig einzufinden. Spielerisch musste ich mich erstmal an den neuen Basketball gewöhnen. Aber auch generell, dass ich jetzt alleine wohne, weg von den Eltern, weg von allem, was ich kenne. Das war die größte Umstellung. Aber es war auch aufregend, dass man jeden Tag etwas Neues erlebt hat. Das war letztendlich auch genau das, was ich wollte. Ich bin sehr glücklich mit der Entscheidung.

Können Sie uns schildern, wie die Entscheidung zustande kam?

Wagner: Die Entscheidung ist mir sehr schwer gefallen. Bei Alba war alles, wie ich es wollte, ich durfte viel spielen in der vergangenen Saison und die Trainer haben mir viel Vertrauen und die Chance gegeben, dass ich mich weiterentwickle. Auf der anderen Seite war ich mir unsicher, ob ich direkt Basketball-Profi werden wollte. Denn das würde ich dann für ein paar Jahre machen. Deswegen habe ich mich für eine andere Lebenssituation entschieden, dass ich noch etwas anderes erleben kann. Und auch basketballerisch fand ich, dass ich am College noch viel lernen kann, weil das Spiel anders ist und andere Sachen wichtig sind. Das war keine Entscheidung gegen Alba - wie gesagt, die Situation war super - sondern mehr für das College, für eine neue Situation.

Franz Wagner: "... das ist ein richtig geiles Gefühl"

Moe hat in Michigan noch unter Coach John Beilein gespielt, mittlerweile steht Juwan Howard an der Seitenlinie. Der Ex-NBA-Star hat sie als Top-Rekrut umworben, wie liefen für Sie Ihre Anfänge am College?

Wagner: Es hat nicht geholfen, dass ich mich gleich am Anfang verletzt hatte, dann musste ich sowieso erstmal meinen Rhythmus finden. Die ersten Trainingseinheiten musste man sich neu justieren, weil die Sachen ein bisschen anders angegangen werden als in Europa. Aber Juwan hat es mir extrem einfach gemacht, weil er uns Freiheiten gegeben hat und er wollte, dass wir unser Spiel spielen. Ich durfte viel spielen und selbst, wenn ich mal etwas falsch gemacht oder ein paar Würfe hintereinander verworfen habe, habe ich das Vertrauen von ihm gehabt. Das war sehr wichtig für mich.

Gleichzeitig hatten Sie auch einige Momente, in denen es richtig gut lief. Ende Februar haben Sie gegen Purdue mit 22 Punkten Ihre Karrierebestleistung aufgelegt, in gleich mehreren Spielen haben Sie vier Dreier versenkt, unter anderem gegen Oregon vor eigenem Publikum. Wie war da die Stimmung?

Wagner: Das ist auf jeden Fall etwas anderes als in Europa, wenn du in so einer College-Halle spielst und die ganzen Studenten rasten aus. Wenn du ein paar Dinger hintereinander triffst, das ist ein richtig geiles Gefühl. Ich glaube, das wird hier mehr willkommen geheißen, wenn ein Spieler ein bisschen mehr Emotionen zeigt als vielleicht in Europa.

Franz Wagner: Seine College-Statistiken 2019/20

Spiele Minuten Punkte Rebounds Assists Steals FG% 3FG% 27 30,8 11,6 5,6 1,0 1,3 45,2 31,1

Coach Howard, selbst eine Wolverines-Legende, kann auf eine 19-jährige NBA-Karriere und zwei Championships mit LeBron James und den Miami Heat zurückblicken. Kann er den jungen Spielern mehr mitgeben als vielleicht andere Coaches ohne diese Erfahrung?

Wagner: Wenn man ihn am Campus sieht, merkt man sofort, was für eine wichtige Figur er ist. Alle kennen ihn. Das war beeindruckend. Aber wenn du mit ihm redest, dann ist er ein ganz normaler Mensch, wie ein Kumpel, mit dem du quatschen kannst. Er hat natürlich ein paar Geschichten aus seiner Zeit in der NBA erzählt. Das macht ihn aus, dass man mit ihm ganz normal reden kann und man für eine kurze Zeit vergisst, dass er der Head Coach ist.

Wie ist es für Sie, mit dem Wagner-Trikot aufzulaufen? Werden Sie oft auf Ihren älteren Bruder angesprochen?

Wagner: Also am Anfang hat es mir auch geholfen, dass mich ein paar Leute wegen ihm kannten. Aber natürlich will ich mein eigenes Ding machen. Deswegen arbeite ich jeden Tag hart, dass ich weiterhin so gut spielen und mich weiter verbessern kann. Aber na klar, ich wusste, dass diese Vergleiche kommen werden. Aber damit hab ich auch kein großes Problem, ich mag Moe ja.

Welche Ziele setzen Sie sich kurzfristig, aber auch langfristig mit Blick auf die NBA?

Wagner: Ich will einfach den nächsten Schritt machen. Ich versuche, nicht so weit nach vorne zu schauen. Es gibt ein paar Sachen, bei denen ich mich verbessern kann und das will ich in der nächsten Saison umsetzen: Dass ich ein bisschen facettenreicher spielen kann, dass ich körperlich stärker werde. Das ist momentan das größte Manko. Ich muss noch stärker werden, wenn ich irgendwann auf höherem Level spielen will. Daran werde ich hart arbeiten. Ich will nur gewinnen, darum geht es mir eigentlich. Dieses Jahr hatten wir noch nicht einmal die Chance, in der Postseason was zu bewirken, deswegen sind wir alle umso heißer auf die nächste Saison.

Franz Wagner über Moe: "Ich bin der bessere Videospieler"

Worin lag für Sie die größte Herausforderung nach dem Umzug nach Ann Arbor?

Wagner : Das Zimmer sauber zu halten, war eigentlich das schwierigste. (lacht) Das ist immer recht unordentlich gewesen. Und ansonsten: Das Zeitmanagement ...

(Moritz Wagner kommt ins Zimmer und unterbricht das Interview "Alter, wie sieht es denn hier aus, wie bei einem Messi zuhause.")

Ist es cool, dass der große Bruder wieder in der Nähe ist, oder nervt es eher?

Wagner: Manchmal nervt es auch, aber ich glaube, das kennen alle, die Geschwister haben. (lacht) Aber ernsthaft, ich freue mich sehr, dass wir ein bisschen Zeit miteinander haben.

Wie sehen Ihre Pläne für die nächsten Tagen und Wochen aus? Oder leben Sie von Tag zu Tag und schauen, welches Videospiel als nächstes gezockt wird?

Wagner: Ein bisschen ist es leider so. Natürlich will ich irgendwann nach Deutschland, aber dort ist die Situation ja sehr, sehr ähnlich, dass man nicht rausgehen sollte. Einen richtigen Plan habe ich nicht.

Was wird im Hause Wagner gezockt und wer ist besser an der Konsole?

Wagner : Wir haben "Call of Duty: Black Ops" gespielt - zum ersten Mal. Ich glaube, generell bin ich der bessere Videospieler. Mal schauen, ob er in den nächsten Wochen besser werden kann ...