In unserem Archiv findet Ihr alle weiteren Geschichten zu den größten Legenden der NBA.
Harlem, New York City. Ecke 155th Street und Frederick Douglass Boulevard. Ein Ort, von dem jeder Basketball-Fan sicherlich schon mal gehört hat: der Rucker Park. Es ist einer der Schauplätze der legendären Streetball-Szene im Big Apple, genau wie Dyckman Park oder "The Cage" in Greenwich Village. Orte, die bereits die ein oder andere Basketball-Größe produziert haben.
Insbesondere die Point Guards, die die Streetcourts New Yorks hervorgebracht und in die NBA gespült haben, gelten als legendär. Angefangen mit dem Hardwood-Houdini Bob Cousy über Lenny Wilkens oder Tiny Archibald bis hin zu Kenny Smith, Kenny Anderson oder Stephon Marbury.
Ganz zu schweigen von Dwayne "Pearl" Washington oder God Shammgod (heute als Assistant Coach bei den Mavericks tätig), die sich zwar nie so richtig in der besten Basketballliga der Welt etablieren konnten, in Streetball-Kreisen aber ebenso Legenden-Status genießen.
In der jüngeren Vergangenheit hat der Mythos der Point Guards aus der Weltmetropole jedoch Kratzer bekommen. In der Saison 2019/20 läuft mit Kemba Walker nur ein New Yorker als Starter auf der Eins in der Association auf, waren es Mitte der 90er-Jahre doch noch bis zu fünf. Einer der letzten großen seiner Zunft aus dieser Ära: Mark Jackson.
Wertvolle Lektionen auf den Freiplätzen New Yorks
Am 1. April 1965 erblickt Jackson in Brooklyn das Licht der Welt. Schon in jungen Jahren greift der ältere Bruder von Streetball-Star Troy "Escalade" Jackson erstmals zum orangefarbenen Leder, doch der Start seiner Sportler-Karriere verläuft eher schleppend.
"Ich war nicht gut", erinnert sich Jackson in seiner Zeit bei den Warriors auf deren YouTube -Kanal an seine basketballerischen Anfänge. "Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, wie ich einen Freiwurf verwandelt habe. Das war mein einziger Punkt in der gesamten Saison." Die Leidenschaft für den Basketball ist aber entfacht.
Im Laufe seiner Jugend feilt der junge Jackson stetig an seinem Spiel, auch auf den Freiplätzen der Stadt. "Das hat mir geholfen, der Mensch zu werden, der ich heute bin: die Plackereien, diese Schlachten, um jeden Zentimeter kämpfen zu müssen, gegen die Besten zu spielen", erklärt Jackson.
Gleichzeitig liefern die Streetball-Courts wichtige Lektionen fürs Leben, die weit über den Sport hinausgehen. "Es gibt so viele Geschichten von Jungs, die es nie geschafft haben, aber Playground-Legenden waren", so Jackson. "Sie hätten es schaffen können, wollten aber den einfachsten Weg nehmen. Sie sind nicht zur Schule gegangen, haben sich in Alkohol, Drogen oder Kriminalität verheddert. Ich habe aus den Fehlern anderer Leute so viele wertvolle Lektionen gelernt."
Mark Jackson: Rookie of the Year als Nr.18-Pick
Auch dank der Unterstützung eines liebevollen Elternhauses gelingt es Jackson, einen anderen Weg einzuschlagen als viele talentierte New Yorker Basketballer vor ihm. An der High School erarbeitet er sich den Ruf eines der besten Point Guards des Landes, in vier Jahren an der St.John's University wird er zum College-Star, bevor er 1987 in die NBA wechselt.
Im Draft schlagen an 18. Position die New York Knicks zu, Jackson bleibt also in seiner Heimatstadt und transportiert die typischen Eigenschaften eines New Yorker Point Guards von den Freiplätzen auf die große NBA-Bühne. Zum Beispiel: "Den Grind, den man entwickelt, wenn man jeden einzelnen Tag auf dem Playground kämpft."
"Man spielt gegen die besten Spieler, auch gegen ältere. Da bekommst du ein besseres Verständnis für das Spiel", führt Jackson aus, was einen Einser aus dem Big Apple ausmacht. "Du bist bereit, zu kämpfen. Du bist bereit, den Laden zu schmeißen. Du bist bereit, die Erweiterung des Coaches auf dem Court zu sein."
Genau das gelingt Jackson bereits in seinem ersten Jahr in der Liga. An der Seite von Patrick Ewing legt der Spielmacher im Schnitt 13,6 Punkte und 10,6 Assists auf, am Ende der Saison wartet die Auszeichnung als Rookie of the Year. Bis Malcolm Brogdon (Nr.36-Pick) im Jahr 2017 ist Jackson der einzige Nicht-Lottery-Pick, der diese Auszeichnung abstaubt.
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Mark Jackson: Vier Trades in fünf Jahren
Nur ein Jahr später findet sich Jackson im All-Star Game wieder, zudem erreichen die Knicks mit ihm als Starter auf der Point-Guard-Position und natürlich Ewing, der unter dem Korb wütet, fünf Jahre in Folge die Playoffs. Das große Aber: Über die zweite Runde kommt die Traditionsfranchise nie hinaus.
Zudem stagnieren Jacksons Leistungen. Nachdem sein erster NBA-Coach Rick Pitino die Knicks zugunsten eines College-Jobs verlässt, muss sich der 1,85-Meter-Guard gegen wachsende Konkurrenz im Knicks-Backcourt erwehren, zunächst in Person von Rod Strickland, einem weiteren New Yorker Point Guard, später dann in Person von Maurice Cheeks.
Letzterer klaut Jackson immer mehr Spielzeit, in den Playoffs 1990 wird er sogar zeitweise auf die Bank verfrachtet. Zwei Jahre später ist für Jackson Schluss in seiner Heimatstadt. Per Trade geht es zu den L.A. Clippers, 1994 in einem weiteren Trade schließlich zu den Indiana Pacers.
Dort feiert Jackson seine größten sportlichen Erfolge, unterbrochen von einem kleinen Intermezzo bei den Denver Nuggets. Auch in diesem Fall hat Jackson sein Schicksal nicht in der eigenen Hand. Indiana spielt etwas zu nervös an der Trade Machine herum, vor der Saison 1996/97 verschiffen sie ihren Point Guard in die Rocky Mountains - nur um ihn ein halbes Jahr später wieder zurückzuholen.
Der Zickzack-Kurs der Pacers
Der erste Jackson-Trade der Pacers stellt sich als Desaster für das Team heraus. "Die Indiana Pacers brauchten einen Ersatz für Mark Jackson. Also haben sie für Mark Jackson getradet", schreibt die New York Times im Februar 1997, nachdem der zweite Deal mit den Nuggets kurz vor dem Ende der Trade Deadline über die Bühne geht.
Indiana vermisst die Fähigkeiten Jacksons, in die Zone zu ziehen und mit seinem überragenden Passing die Mitspieler in Szene zu setzen. Ohne ihn brechen die Pacers ein, und auch trotz des Last-Second-Trades verpasst das Team die Playoffs in diesem Jahr.
Dafür laufen Jackson, Reggie Miller, Rik Smits und Co. in den darauffolgenden Saisons wieder zur Höchstform auf. Nach zwei Niederlagen in den Eastern Conference Finals gegen Michael Jordans Bulls 1998 und im Jahr darauf gegen die Knicks - die Pacers liefern sich in den 90er-Jahren einige legendäre Playoff-Schlachten gegen Jacksons Ex-Team - klappt es 2000 endlich mit einem Trip in die Finals. Dort findet der Traum vom Titel aber nach sechs Spielen gegen die Lakers ein jähes Ende.
Näher soll Jackson der Larry O'Brien Trophy Zeit seiner aktiven Karriere nicht mehr kommen. Nach Zwischenstopps bei den Raptors, Jazz und Rockets sowie einer kurzzeitigen Rückkehr nach New York beendet Jackson 2004 schließlich seine 17-jährige Laufbahn.
Viele Assists, wenig Scoring, viele Trades
Sein Resümee liest sich teils unspektakulär, teils höchst beeindruckend. Auf der einen Seite zeichnet sich Jackson nie als Scorer aus. Im Gegensatz zu seinem Shooting (33,2 Prozent bei nur 1,7 Dreiern pro Partie) ist sein Teardrop zwar gefürchtet, doch nur 1989 macht er mit seinem Punkteschnitt auf sich aufmerksam (16,9).
Über die komplette Karriere gesehen kommt Jackson nur auf 9,6 Zähler pro Partie. Abgesehen vom RotY-Award sind auch individuelle Auszeichnungen in seinem Trophäenschrank Mangelware. In ein All-NBA Team schafft er es nie, 1989 bleibt sein einziger Trip zum All-Star Wochenende. Dafür wird er insgesamt sechsmal getradet.
Die andere Seite der Medaille? In seinen 1.296 Spielen in der Association (immerhin Platz 25 All-Time) verteilt der überragende Floor General mit hohem Basketball-IQ und dem Auge für die Mitspieler 10.334 Assists. Das reicht für den vierten Rang All-Time, nur die Hall of Famer John Stockton, Jason Kidd und Steve Nash haben mehr.
Die Karrierestatistiken von Mark Jackson
Teams Spiele Minuten Punkte Rebounds Assists Turnover FG% 3FG% 7 1.296 30,2 9,6 4,8 8,0 2,4 44,7 33,2
Mark Jackson: Ein echter Point Guard
Für eine Aufnahme in die Basketball-Ruhmeshalle in Springfield, Massachusetts, hat es für Mark Jackson wiederum nicht gereicht. Zu stark überwiegt die erstgenannte Seite der Medaille, auch wenn das nicht alle so sehen. "First-Ballot Hall of Famer, keine Frage", sagte sein ehemaliger Jazz-Teamkollege Karl Malone bei ESPN , nachdem Jackson 2003 einen anderen Hall of Famer, Magic Johnson, in der All-Time-Assists-Liste überholt hatte.
"Überall wo er war, hat er er seine Mitspieler besser gemacht", betonte der Big Man damals. "Ich glaube nicht, dass seine fehlenden All-Star-Nominierungen wichtig sind. Er hat über 10.000 Assists. Er ist ein echter Point Guard."
Ein echter Point Guard, was seine Übersicht, seine Fähigkeiten als Leader oder sein Passing betrifft. Aber gleichzeitig eben auch ein in anderen Aspekten limitierter Point Guard. Dass Jackson nicht in der Hall of Fame steht, schadet seiner Popularität selbst unter der jungen Generation von NBA-Fans aber keineswegs.
Jackson bei den Warriors: Der "ultimative Players' Coach"
Grund dafür ist seine beachtliche Karriere nach der Karriere. Bereits ein Jahr, nachdem er seine Sneaker an den Nagel hängt, wechselt Jackson an den Spielfeldrand, zunächst als Nets-Analyst für das Yes! Network an der Seite von Marv Albert, später für ABC und ESPN .
Als langjähriger Floor General in der NBA ist er allerdings auch prädestiniert für eine andere Rolle, die des Head Coaches. 2011 heuert Jackson bei den Golden State Warriors an. Statt der verlängerte Arm des Coaches auf dem Court zu sein, gibt er nun selbst die Anweisungen von der Seitenlinie und formt in Oakland die jungen Talente Stephen Curry und Klay Thompson.
Jackson gilt als guter Motivator, als "ultimativer Players' Coach", wie Andre Iguodala ihn einst nannte. Bei den Warriors baut er eine starke Defense auf und führt das Team aus einem langwierigen Rebuild erstmals seit sechs Jahren wieder ins gelobte Land der Postseason.
Erfüllung des dreifachen Traums
Allerdings schafft er es nicht, das volle Offensiv-Potenzial der Splash Brothers auszuschöpfen, im Gegensatz zu seinem Nachfolger Steve Kerr. Die Dubs scheitern 2014 in der ersten Runde in sieben Spielen gegen die Clippers und Jackson muss seinen Platz räumen. Problematisch ist zu diesem Zeitpunkt seine Beziehung zum Front Office und den Teambesitzern. Selbst in seinem eigenen Stab wird angeblich gegen ihn intrigiert.
Außerdem kollidiert sein strenger Glaube offenbar mit den Ansichten des Front Office. Laut Iggy sei die religiöse Haltung des praktizierenden Pastors beispielsweise zur gleichgeschlechtlichen Ehe einer der Gründe für die Entlassung Jacksons. Warriors-Präsident Rick Welts ist offen homosexuell, "da gab es großflächige Konflikte", so Iguodala im Breakfast Club .
Kurz vor dem Beginn der Warriors-Dynastie kehrt Jackson also in die Beobachterrolle zurück, wo er gemeinsam mit Mike Breen und Jeff van Gundy, der zu Jacksons Knicks-Zeiten Anfang der 90er als Assistant Coach in New York tätig war, eins der beliebtesten Kommentatoren-Trios der NBA bildet.
"Als Kind habe ich davon geträumt, in der NBA zu spielen. Ich habe davon geträumt, in der NBA zu coachen. Und ich habe davon geträumt, NBA-Spiele zu kommentieren", erzählt Jackson. "Ich habe mir jeden Traum erfüllt, ich bin sehr gesegnet."
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Mark Jackson: Rückkehr nach New York?
Vor allem, da Jackson diese Träume weiter lebt. Alljährlich begleitet er mit seinen ESPN/ABC -Kollegen die wichtigsten Partien der Association, inklusive der NBA Finals. Berühmt machte ihn die Mischung aus Spielanalyse, einer Prise Humor und seinen Floskeln.
Doch schon Jahrzehnte vor "Mama, there goes that man", "Hand down, man down" oder "Grown man move" prägte Jackson die NBA-Welt. Und er wird es wohl noch viele weitere Jahre tun. Damals als Spieler, heute als Kommentator, in der Zukunft vielleicht wieder als Coach.
Diesen Karrierestrang hat der 55-Jährige noch lange nicht aufgegeben. Nicht umsonst kommt bei jeder Coaching-Suche der Knickerbockers, die es in den vergangenen Jahren nicht gerade selten gab, sein Name ins Spiel. Es wäre eine Rückkehr dorthin, wo für Mark Jackson alles begann.