In Teil 3 der Serie "Haching in Zeiten von Corona" spricht Marc Unterberger, Trainer der Hachinger B-Jugend-Bundesligamannschaft, über den Umgang des Vereins mit der Coronakrise im Nachwuchsbereich. Außerdem gibt er Einschätzungen über mögliche Auswirkungen auf seinen Verein sowie den deutschen Nachwuchsfußball generell. Hier geht es zu Teil 2: Innenverteidiger Christoph Greger erzählt von seinem Alltag als Homeoffice-Profifußballer .

Wie geht Haching im Nachwuchsbereich mit der Coronakrise um?

Herr Unterberger, Sie trainieren die Hachinger B-Jugend-Bundesligamannschaft. Wie halten sich Ihre Spieler aktuell fit?

Unterberger: Im Schnitt machen sie etwa zwei Stunden Sport pro Tag, sie haben aber keinen exakt vorgeschriebenen Trainingsplan. Wir haben den Jungs Anhaltspunkte gegeben, die sie relativ frei umsetzen können, und ihnen gesagt, dass sie auch selbst erfinderisch sein dürfen. Wer eine Idee hat, soll sie mit seinen Teamkollegen teilen. Einmal pro Woche treffen wir uns zum Austausch zu einem Videocall. Beim ersten habe ich meinen Jungs gesagt: "Die Coronakrise ist für euch eine Riesenchance, die nie mehr wiederkommen wird. Es ist eine Zeit, in der jeder ohne Wettkampfdruck an seinen Defiziten arbeiten kann. Wer diese Chance nutzt, wird danach besser dastehen als je zuvor."

Nehmen die Spieler diese Chance wahr?

Unterberger: Zunächst hatte ich nicht das Gefühl. Die erste Woche der Spielpause, als es noch keine gesetzlichen Ausgangsbeschränkungen gab, haben die meisten Jungs wie verlängerte Ferien betrachtet. Mittlerweile haben die meisten die Lage aber komplett erfasst, verhalten sich entsprechend und nutzen die Chance. Es ist schön, so einen Prozess zu beobachten.

© Baldesca Samper

Wie ist die Lage bei den anderen Nachwuchsmannschaften?

Unterberger: Die Trainer der A-Jugend und der U16 handhaben es ähnlich wie wir in der B-Jugend. Bei den jüngeren Mannschaften liegt der Fokus weniger auf Eigeninitiative und mehr auf Interaktivität. Unser U14-Trainer hat zum Beispiel eine WhatsApp-Gruppe gegründet, in der er seine Spieler zu verschiedenen Challenges aufruft. Zum Beispiel zu einem Wettbewerb im Ballhochhalten, bei dem die Spieler eine gewisse Reihenfolge befolgen müssen: rechter Fuß, rechter Oberschenkel und so weiter. Die Jungs posten ihre Videos in die Gruppe und am Ende gibt es eine Rangliste, wer es wie oft geschafft hat. Alle Challenges fließen in eine Gesamtwertung ein und am Ende wird der Sieger gekürt. So bleiben Austausch und Motivation hoch. Am wichtigsten ist es für uns als Klub, dass die Kinder und Eltern in so einer Phase das Gefühl haben, dass wir uns kümmern und keine Sendepause herrscht.

Hatte die aktuelle Krise bisher Auswirkungen auf das Anstellungsverhältnis von den Trainern?

Unterberger: Wir haben im NLZ 21 Trainer, von denen vier haupt- und die anderen nebenamtlich angestellt sind. Präsident Manfred Schwabl hat gesagt, dass im März alle Gehälter normal bezahlt werden.

Was wird sich im Haching-Nachwuchs durch die Coronakrise ändern?

Präsident Manfred Schwabl hat zuletzt betont, dass die Nachwuchsarbeit bei Haching als Konsequenz dieser Krise intensiviert werden soll. Wurde diese Thematik schon angegangen?

Unterberger: Ich bin als B-Jugendtrainer auch Mitglied des NLZ-Leitungsteams und in dieser Runde finden derzeit viele interessante Gespräche statt. Im normalen Alltag ist jeder in seinem Hamsterrad, aber jetzt bleibt auf einmal viel mehr Zeit und Energie für den Blick auf das große Ganze. Wir drehen gerade jeden Stein um und fragen uns, was wir ändern oder optimieren können. Vom Präsidenten über den Profitrainer bis ins NLZ herrscht eine richtige Aufbruchstimmung.

Gibt es schon konkrete Pläne?

Unterberger: Ein großes Thema ist der Bereich Videoanalyse. Da wollen wir uns noch weiter verbessern und den nächsten Schritt machen. Außerdem überlegen wir, ob wir den einen oder anderen nebenamtlichen Trainer hauptamtlich anstellen und vielleicht auch ganz neue Trainerstellen schaffen. Da wir künftig einen größeren Fokus auf die Individualisierung unserer Talente legen wollen, wäre die Anstellung eigener Technik- und Individualtrainer sinnvoll. Womöglich investieren wir auch mehr in Jugendförderverträge, um unsere Talente langfristig an den Verein binden und so unseren Weg noch nachhaltiger gehen zu können.

Wie wirkt sich die Coronakrise auf den deutschen Nachwuchsfußball aus?

Die U19- und U17-Bundesligen sind zunächst bis Ende April ausgesetzt. Sollten die Saisons unbedingt zu Ende gespielt werden?

Unterberger: Bei uns stellt sich die Situation nicht so kompliziert dar wie in den Profiligen, weil nur noch fünf Spieltage ausstehen. In der 3. Liga sind es beispielsweise noch elf. Wir würden die Saison gerne beenden, wenn aber auch nur der geringste gesundheitliche Zweifel besteht, werden wir es sicher bleiben lassen. Im Juniorenbereich geht es nicht um so viel Geld oder Vereinsexistenzen wie im Profifußball. Die Gesundheit steht über dem Fußball.

Thema Vereinsexistenzen: Schwabl hat gefordert, dass Klubs umdenken und einen größeren Fokus auf die Nachwuchsarbeit legen sollten, um in Krisenzeiten besser dazustehen.

Unterberger: Kein Klub kann von heute auf morgen auf den Nachwuchs setzen, denn da hängt ein viel zu langer Rattenschwanz dran. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Kurz nachdem ich vor zehn Jahren bei Haching angefangen habe, hat Manfred Schwabl gesagt, dass die Nachwuchsarbeit jetzt im Fokus steht. Daraufhin haben wir fünf, sechs Jahre gebraucht, um wirklich zu verstehen, wie das effektiv funktionieren kann. Sollte in Deutschland tatsächlich ein radikales Umdenken stattfinden oder durch die finanziellen Begebenheiten erzwungen werden, haben Klubs wie wir einen riesigen Vorsprung. Klubs, bei denen der Nachwuchs bisher ein liebloses Anhängsel war, werden sich dagegen schwertun.

Aktuell muss jeder Drittligist bei einem Ligaspiel vier für den DFB spielberechtigte U23-Spieler auf dem Spielberichtsbogen aufführen. Befürworten Sie eine Erhöhung dieser Quote?

Unterberger: Ich halte wenig von solchen Quoten, weil sie immer irgendwie umgangen werden können. Es gibt in der 3. Liga jetzt schon Klubs, die auf dem Spielberichtsbogen selbst ausgebildete Spieler führen, von denen jeder weiß, dass die niemals auf dem Platz stehen werden. Letztens habe ich gelesen, dass es - ich glaube - in Rumänien eine besonders harte Reglementierung gibt. Manche Klubs stellen deshalb selbst ausgebildete Spieler auf und wechseln sie bei der ersten Spielunterbrechung für Legionäre aus. Das ist sinnlos. Viel besser als Quoten wäre es, wenn die Klubs von sich aus kapieren würden, dass es auch finanziell auf lange Sicht Sinn ergibt, seine eigenen Spieler auszubilden. Sie kosten keine Ablösesummen und zunächst weniger Gehalt - und sie können später womöglich teuer weiterverkauft werden. Würde sich dieses Bewusstsein durchsetzen, kann die aktuelle Situation auch einen positiven Effekt für den deutschen Fußball haben.

Die aktuelle Tabelle der B-Jugend-Bundesliga

Platz Team Sp.Tore Diff Pkt. 1. Mainz 05 U17 21 50:20 30 50 2. Hoffenheim U17 21 69:25 44 46 3. Bayern München U17 21 43:24 19 45 4. VfB Stuttgart U17 21 41:34 7 32 5. FC Augsburg U17 21 46:34 12 30 6. Frankfurt U17 21 37:41 -4 30 7.SpVgg Unterhaching U172133:33028 8. SV Wehen Wiesbaden U17 21 33:42 -9 28 9. 1. FC Nürnberg U17 20 28:32 -4 27 10. Karlsruher SC U17 20 11:24 -13 21 11. SpVgg Greuther Fürth U17 21 26:42 -16 20 12. Darmstadt 98 U17 21 26:45 -19 19 13. SC Freiburg U17 21 19:36 -17 16 14. Stuttgarter Kickers U17 21 19:49 -30 16