7000 Fans. 70 Journalisten von 35 verschiedenen Medienanstalten. 12 davon allein aus Japan. Shinji Kagawa löste im August 2019 einen für spanische Zweitliga-Verhältnisse durchaus beachtlichen Trubel aus, als Real Saragossa ihn als Neuzugang präsentierte. Wie ein Heilsbringer wurde der offensive Mittelfeldspieler empfangen, die in Saragossa ansässige Zeitung El Heraldo de Aragon erkor ihn zum "Schlüssel zur Rückkehr in die Primera Division". Und auch der Präsident des Traditionsklubs, Christian Lapetra, war sich sicher: "Mit ihm werden wir schöne Momente erleben."
Schöne Momente erlebten sie in Saragossa in den vergangenen Monaten, bevor das Coronavirus den Sport lahm legte, tatsächlich einige. Die Mannschaft verlor nur sechs von 31 Partien und nährte mit ansehnlichem Fußball die Hoffnung, nach fast sieben Jahren in der Segunda Division zurück in die Elite zu kehren. Kagawa hatte an dem Höhenflug jedoch fast keinen Anteil.
Kagawa "nicht der, für den er gehalten wurde"
In 23 Einsätzen gelangen ihm lediglich zwei Tore und eine Vorlage. Vor der spielfreien Zeit schaffte er es hin und wieder sogar nicht einmal in den Kader von Trainer Victor Fernandez. In Saragossa überwiegt mittlerweile die Enttäuschung, wenn über den Spieler gesprochen wird, für den der finanziell alles andere als gut betuchte Verein drei Millionen Euro an den BVB überwiesen hatte.
"Kagawa ist nicht der, für den er nach seiner Ankunft gehalten wurde", berichtet der Journalist Juan Manuel Lopez von Goal aus Spanien. Der 31-Jährige habe seine Qualitäten "wenn überhaupt nur in Ansätzen" gezeigt, "etwa bei Ballannahmen oder Pässen". Dribblings habe man hingegen kaum von ihm gesehen. "Er wirkte in keinem Spiel wirklich fit", sagt Lopez.
Nicht wenige Fans würden daher mutmaßen, der Königstransfer sei sich zu schade für die zweite spanische Liga - auch vor dem Hintergrund, dass er in größeren Spielen wie dem Pokal-Achtelfinale gegen Real Madrid einen deutlich engagierteren Eindruck hinterlassen habe. "Das war ohne Zweifel sein bestes Spiel für Saragossa, auch wenn es am Ende mit 0:4 verloren ging", so Lopez.
© getty
Ex-BVB-Profi: "Keine gute Situation für mich"
Kagawa selbst bestritt bereits im vergangenen November, dass es ihm an Motivation mangele. Vielmehr seien Rückenprobleme und damit einhergehender Gewichtsverlust nach seiner Ankunft in Saragossa verantwortlich für seine schwachen Leistungen. "Es ist keine gute Situation für mich. Ich muss dringend an Selbstvertrauen gewinnen und zeigen, was ich kann, denn ich möchte, dass die Menschen in Saragossa zufrieden mit mir sind", sagte er der spanischen Sportzeitung Marca. "Ich würde später gerne hören, dass ich der beste japanische Spieler war, der für Saragossa gespielt hat."
Seit diesen Aussagen sind über vier Monate vergangen. Vier Monate, in denen seine Formkurve weiter nach unten ging und er nur noch sporadisch oder überhaupt nicht zum Einsatz kam. Kleine muskuläre Wehwehchen trugen ebenfalls dazu bei, dass Trainer Fernandez ihn aus den Augen verlor und stattdessen vermehrt jüngeren und schnelleren Spielern wie Javi Puado eine Chance auf der Zehner-Position einräumte.
Saison 2019/20: Shinji Kagawa in Zahlen
Gespielte Minuten 1302 Tore 2 Vorlagen 1 Kreierte Großchancen 3 Vergebene Großchancen 2 Passquote 84,2 % Zweikampfquote 39,9 %
Wegen Coronavirus: Kagawa-Abschied schon besiegelt?
Wie es mit Kagawa nun weitergeht, ist unklar. Diverse Vertreter aus der US-amerikanischen MLS sollen an ihm interessiert sein. Sein Vertrag in Aragonien läuft noch bis zum 30. Juni 2021, doch aus Vereinskreisen ist längst zu hören, dass man ihm einen vorzeitigen Abschied erleichtern würde.
Mehr als seine kaum zufriedenstellenden Darbietungen auf dem Rasen stellt sein Gehalt ein Problem für Saragossa dar. Er ist mit rund 475.000 Euro brutto pro Jahr der Bestverdiener im Kader. Da durch das Coronavirus wichtige Einnahmen wegzufallen drohen, könnte dem Verein nach der Saison möglicherweise sogar nichts anderes übrig bleiben, als das Arbeitsverhältnis mit Kagawa vorzeitig aufzulösen.
"Es sind harte Zeiten für alle Klubs in Spanien. Wir sind in ständigem Austausch mit den Verbänden, aber niemand weiß, wie es weitergeht", sagte Saragossas Präsident Lapreta erst vor einer Woche. "Unsere Hoffnung ist, dass wir die Saison ganz normal und mit Zuschauern zu Ende spielen können, wenn diese Krise vorüber ist."