Dieser Artikel erschien ursprünglich am 21. Mai 2015.

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Richard Francis Dennis Barry III ist einer der erfolgreichsten Basketballer aller Zeiten. Es gibt kaum eine Trophäe, die nicht in seiner Vitrine steht. NBA-Champion und Finals-MVP 1975 mit den Golden State Warriors, achtfacher NBA All-Star, All-Star Game MVP 1967 nur ein Jahr nach seinem Titel als Rookie of the Year 1966, dazu Champion in der Konkurrenzliga ABA 1969 mit den Oakland Oats und natürlich Hall of Famer.

Barry ist der einzige Spieler der Geschichte, der sowohl am College in der NCAA, wie auch in der ABA und der NBA jeweils in einer Saison Topscorer wurde. Seine 30,5 Punkte, die er im Durchschnitt in seiner ABA-Karriere auflegte, sind bis heute von keinem anderen professionellen (in Nordamerika aktiven) Basketballspieler erreicht, nicht einmal von Wilt Chamberlain, der in seiner NBA-Karriere 30,1 Punkte erzielte.

Bei allen Aufzählungen fehlt allerdings ein Titel: Rick Barry wurde nie zum MVP gewählt. Die Suche nach der Ursache entblößt dabei die Geschichte eines viel gehassten Mannes, der bis heute stetig versucht, sich selbst zu verteidigen.

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College-Star und Über-Scorer

Als der Small Forward 1965 im NBA-Draft an zweiter Stelle von den San Francisco Warriors gezogen wurde, galt er bereits als kommender Star. Mit der Empfehlung einer fulminanten Senior-Saison am College, in der er durchschnittlich 37,4 Punkte pro Spiel aufgelegt hatte, kam Barry von der University of Miami nach San Francisco.

In Miami hatte der 2,01 Meter große Allrounder sein Potenzial für die Hurricanes unter Head Coach Bruce Hale bereits mehrfach angedeutet. Und weil die Chemie nicht nur mit dem Trainer stimmte, sondern auch mit dessen Tochter, hatte Barry gleich auch noch während seiner Collegezeit Pamela Hale geheiratet.

Rick Barry: Besser als Elgin Baylor?

Barry kam also auf den ersten Blick als gereifter 21-jähriger Mann in die beste Basketballliga der Welt und entzückte die Zuschauer gleich mit einer Spielweise, die die Liga zuvor noch nicht gesehen hatte. So verbesserten sich die Warriors gleich in der ersten Saison mit Barry von 17 auf 35 Siege. Barry selbst legte im Durchschnitt 25,7 Punkte und 10,6 Rebounds auf und deutete dazu bereits an, was für ein hervorragender Passgeber er sein konnte.

"Ich muss Rick jetzt schon als größten und produktivsten Offensiv-Forward, der jemals das Spiel gespielt hat, ansehen. Ich glaube, er ist besser als Elgin Baylor, Bob Pettit, Paul Arizin und Dolph Schayes. Und das waren alles herausragende Spieler", adelte ihn sein erster NBA-Coach Bill Sharman damals.

Gleich in seinem zweiten Jahr führte Barry die Warriors an der Seite von Center Nate Thurmond mit 35,6 Punkten und 3,6 Assists pro Spiel in die NBA-Finals, wo San Francisco den überragenden 76ers um Wilt Chamberlain unterlag - trotz Barrys durchschnittlich 40,8 Punkten pro Spiel. Bereits als Sophomore wurde der Small Forward zum All-Star MVP gekürt.

Rick Barry: Einer wie Stephen Curry

Die Liga hatte einen Spielertypen gesehen, wie es ihn zuvor nur selten gegeben hatte. Barry war einer der ersten Point Forwards der Liga. Er verstand es geschickt die Bälle zu verteilen, in erster Linie war er aber ein unfassbarer Scorer - eine Tatsache, die ihn mit dem heutigen Star der Warriors, Stephen Curry, ebenso verbindet wie die für seine Zeit revolutionäre Range.

Während Curry heutzutage Menschen darüber nachdenken lässt, eine Vierpunktelinie zu erschaffen, war Barry bereits ein Distanzschütze, bevor es überhaupt eine Dreierlinie gab. Abgesehen vom legendären Jerry West, der noch heute das NBA-Logo schmückt, gab es wohl keinen Spieler in den 60-70er-Jahren, der einen derart butterweichen Jumper sein Eigen nennen konnte. Wäre die Dreierlinie nicht erst 1979, sondern nur fünf Jahre vorher eingeführt worden, Barry hielte wohl noch weitaus mehr NBA-Rekorde.

Rick Barry: Markenzeichen "Grandma"-Freiwurf

Doch Barry konnte noch mehr: Er war ein Instinktbasketballer. Er war schnell, klug und mit flinken Fingern ausgestattet. Nicht umsonst holte er sich 1975 die meisten Steals der NBA. Wie kaum ein Zweiter verstand er es außerdem, Freiwürfe zu ziehen.

"Er muss der schnellste 6-7-Spieler sein, den der Basketball je gesehen hat. Es ist verdammt hart, wenn nicht sogar unmöglich, gegen ihn zu verteidigen. Er schlägt die größeren Gegenspieler mit seiner Schnelligkeit und nutzt seine Größe gegen kleinere Spieler. Er ist auf dem Weg zum Korb im Eins-gegen-Eins nicht zu stoppen und ist normalerweise auch im Eins-gegen-Zwei erfolgreich", staunte Sharman.

Der heutige Hall of Famer beförderte seine Würfe von der Foullinie mit einem noch heute bekannten, markanten beidhändigen Wurf von unten, bei dem sich wohl jedem Basketballtrainer die Fußnägel kräuseln, traumwandlerisch sicher in die Korbanlage des Gegners. Am Ende seiner NBA-Karriere stand so eine phänomenale Freiwurfquote von 90 Prozent. Auch diese Zahl erinnert an die Werte eines gewissen Stephen Curry.

Bei allen Heldentaten und unfassbaren Zahlen kommt zwangsläufig die Frage auf, warum Barry bis heute nicht in einem Atemzug mit den ganz Großen der Geschichte genannt wird, warum Jerry West das NBA-Logo ziert und nicht Barry, warum dieser trotz seiner überragenden Fähigkeiten nie einen MVP-Titel gewann. Die Antwort ist einfach: Niemand mochte Rick Barry.

Das Unheil nahm kurz nach der Sophomore-Saison des Warriors seinen Lauf. Barry war auf dem Weg, Wilt Chamberlain als Superstar der Liga abzulösen. Er hätte das Gesicht der NBA werden können. Weil die Warriors ihm aber nach eigener Ansicht zu wenig Geld für eine Vertragsverlängerung boten und sein Schwiegervater Bruce Hale gerade die Oakland Oats in der ABA übernommen hatte, entschloss sich "The Miami Greyhound" zu einem sofortigen Wechsel in die Konkurrenzliga.

Besonders pikant an der Situation war die Tatsache, dass es zu dieser Zeit noch eine Reserve Clause gab. Die besagte, dass jeder Spieler noch ein Jahr nach Vertragsende für sein altes Team weiterspielen musste. Auf jene Reserve Clause beriefen sich die Warriors, weswegen der Small Forward ein Jahr nach seiner unglaublichen Sophomore-Saison eine komplette Spielzeit lang keinen Basketball spielte, damit er in Oakland für etwas mehr Geld unter seinem Schwiegervater in einer zu dieser Zeit belächelten Liga spielen konnte.

Noch einmal: Der kommende Superstar der Liga spielte im besten Alter einfach ein Jahr keinen Basketball wegen Geld und einer besonderen Verbindung zum Schwiegervater. Das unschöne Bild des geldgierigen Profis wurde öffentlich selten so bedient.

Dabei ist es Barry, der seine Reserve Clause aussaß und für eine Abschaffung dieser kämpfte, auch zu verdanken, dass es die heute bekannte Free Agency in dieser Form überhaupt gibt. Zwei Jahre nach Barry kämpfte der Baseballer Curt Flood medienwirksam um dieselbe Sache und hatte Erfolg. Bis heute wird Flood hierfür gefeiert, Barry nicht. Der Grund? Nochmal: Niemand mochte Rick Barry.

Unsensibler Perfektionist

Bei aller Brillanz, die Barry am College und in seinen ersten NBA-Jahren ausstrahlte, fielen auch schnell die negativen Charakterzüge des Small Forwards auf. Der heute 76-Jährige war krankhaft ehrgeizig und absolut perfektionistisch, sowohl gegenüber sich selbst wie aber auch in besonderem Maße gegenüber den eigenen Mitspielern.

"Er ist ein unglaublicher Wettkämpfer, egal ob es um Basketball, Golf, Checkers oder irgendwas anderes geht. Er will einfach nicht verlieren", beschrieb Coach Sharman seinen Schützling. Das sind Charaktereigenschaften, die auch auf Michael Jordan zutreffen. Anders als "The Greatest One" schaffte es Barry aber nur höchst selten, diese zu kanalisieren und positiv zu nutzen.

Er prangerte jede noch so kleine Schiedsrichterentscheidung auf dem Feld lautstark an, er diskutierte und meckerte mit jedem Mitspieler, der nicht exakt das tat, was Barry wollte, er hatte weder Sinn für Humor, noch für eine diplomatische Umgangsweise. Das kam vor allen Dingen bei eigenen Teamkollegen nicht gut an.

Mike Dunleavy Sr., ehemaliger NBA-Coach, sagte einmal über seinen früheren Mitspieler: "Er versteht rein gar nichts von Diplomatie. Wenn man ihn zu den Vereinten Nationen schicken würde, käme er zurück und hätte mit Sicherheit den dritten Weltkrieg angezettelt."

Eklat in den Conference Finals

Obwohl Barry ein starker Assistgeber war und eine beeindruckende Court Vision besaß, galt er seine gesamte Karriere lang als Egoist, der den Spalding viel zu lange in den eigenen Händen hielt.

Das gipfelte in den Eastern Conference Finals 1976. Nach seinem fünfjährigen Abstecher in die ABA war Barry 1972 zu den Golden State Warriors zurückgekehrt und hatte diese 1975 in überragender Manier zur Meisterschaft geführt. Ein Jahr später stand der Champion wieder in den Conference Finals und war gegen die Phoenix Suns hochfavorisiert.

Im siebten Spiel der Serie sprang Phoenix' Ricky Sobers den Warriors-Star an und attackierte ihn. Er schlug einige Male auf Barry ein, ehe ihn seine Mitspieler zurückzogen. In den damaligen Playoffs war das keine besonders ereigniserregende Situation, doch Barry schaute sich die Szene in der Halbzeit noch einmal auf Band an und bemerkte, dass keiner seiner eigenen Mitspieler ihm zur Seite gesprungen war.

Die Folge: Bis kurz vor Schluss weigerte sich der beleidigte Barry, den Ball zu werfen. Noch einmal für alle Ungläubigen: Wann immer der Superstar der Warriors den Spalding bekam, spielte er damit "Heiße Kartoffel". So verlor Golden State auf unglaubliche Weise die letzten Conference Finals der Franchisegeschichte - bis Curry und Co. 40 Jahre später wieder die Liga im Sturm eroberten.

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Bester Spieler und doch kein MVP

Lediglich ein Jahr zuvor schien alles zu passen für Barry und seine Teamkollegen. Der Small Forward agierte als Ballhandler und spielte mit 30,6 Punkten, 6,2 Assists und 2,9 Steals im Schnitt seine beste NBA-Saison. An der Seite der aufstrebenden Jungstars Jamaal Wilkes und Gus Williams schien Barry als Anführer aufzublühen. Weniger offene Kritik, weniger Meckerei, mehr Leistung.

Es war exakt die Saison, in der die Warriors durch ein 4-0 in den Finals dank Held Barry gegen favorisierte Bullets ihren für lange Zeit letzten NBA-Titel holten. Bei der MVP-Wahl landete Barry, obwohl er zweifellos der beste Spieler der Saison war, lediglich auf dem fünften Platz. Das Problem für Barry: Damals durften auch noch die Spieler über den besten Spieler der Saison abstimmen.

Rick Barry war ein genialer Basketballer, doch er war selbst sein größter Feind und stand sich oft selbst im Weg. Er war ein Spieler mit vielen Ecken und Kanten. Trotz aller charakterlichen Zweifel bleibt er aber eine der größten Warriors-Legenden aller Zeiten.