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Die Gameclock tickte gnadenlos herunter. 25, 24, 23 ... Nur einen Punkt Vorsprung hatten die Boston Celtics in Spiel 6 der Eastern Conference Finals 1981 zu Buche stehen, doch die Philadelphia 76ers hatten den Ball - und eine 3:2-Führung in der Best-of-Seven-Serie. Es war die Chance für Philly, dem Rivalen von der Ostküste den Todesstoß zu versetzen.

17, 16, 15 ... Sixers-Guard Andrew Toney zog vom linken Flügel zum Korb. Bereit, den möglicherweise entscheidenden Wurf zu versenken und damit den Einzug in die Finals klarzumachen. Doch nicht mit Kevin McHale.

Der Jungspund mit der schwarzen Mähne, gerade einmal in seinem ersten Jahr in der Association, bildete eine Wand vor dem Korb, räumte Toney ab und schnappte sich den Rebound. Game over. Die Celtics glichen zum 3-3 in der Serie aus, holten sich Spiel 7 und wenige Wochen später den Titel gegen die Houston Rockets.

Kevin McHale: Champion als Rookie und begnadeter Sixth Man

Es war der Startschuss für einen Lauf, der den Kobolden um McHale bis 1987 vier weitere Trips in die Finals und zwei Titel bescheren sollte. In all diesen Jahren ein Fokuspunkt der Celtics: Der 3. Pick des 1980er-Drafts, der eigentlich den Golden State Warriors zugestanden hätte. Doch General Manager Red Auerbach sicherte sich kurz vor dem Draft dank eines extrem einseitigen Tauschs eben jenen McHale und Robert Parish für den ersten (Joe Barry Carroll) und 13. (Rickey Brown) Pick.

Schlagartig hatte sich in Beantown einer der besten Frontcourts der Liga-Historie formiert, in dem das Scheinwerferlicht meist dem zehnfachen All-Star Larry Bird galt. Dass an dessen Seite aber sowohl Parish ( hier geht es zu dessen Legenden-Story ) als auch McHale unverzichtbare Erfolgsgaranten mit ihren ganz eigenen Vorzügen waren, blieb insbesondere in der Rückschau kaum jemandem verborgen. Zwölf Jahre sollte das Trio letztendlich zusammen auf Titeljagd gehen.

Aus Hibbing, einer kleinen Stadt in Minnesota, stammend, besuchte McHale die dortige High School und widmete seine Liebe zunächst dem Eishockey. Als er jedoch innerhalb kürzester Zeit von 1,75 auf 2,10 Meter anwuchs, unterstützte ihn Basketball-Coach Gary Addington beim Umstieg auf das orangene Leder sowie der Ausbildung seiner einzigartigen Fähigkeiten. "Ich hätte 30 Punkte pro Spiel mit dem Rücken zum Korb erzielen können, aber Gary hat mich gezwungen, das komplette Spiel zu lernen", sagte er der Sports Illustrated.

Kevin McHale: Statistiken bei den Boston Celtics

Spiele Punkte Minuten Rebounds Assists Blocks FG FT 971 17,9 31,0 7,3 1,7 1,7 55,8 79,8

An der University of Minnesota nahe seiner Heimat verbrachte McHale vier produktive Jahre, gekrönt vom Einzug ins NIT Championship Game in seiner Senior-Saison, ehe er bei den Celtics landete. Dort deutete er in seiner Rookie-Saison mit 10 Punkten, 4,4 Rebounds und 1,8 Blocks als Sixth Man an, dass Boston mit seiner Draft-Entscheidung richtig lag. Allerdings glänzte er mehr durch einzelne Highlight-Plays als regelmäßige Produktion - wie auch gegen die Sixers. Mit seiner Einstellung und Schlagfertigkeit erarbeitete er sich jedoch schnell den Respekt seiner Mitspieler.

McHale verbesserte seinen Punkteschnitt über seine ersten sechs Spielzeiten immer weiter, dennoch sollte er bis 1985 mit seiner Bankrolle Vorlieb nehmen müssen. Dies änderte jedoch nichts an der herausragenden Bedeutung des Power Forwards für das Spiel der Celtics, was sich 1984 und 1985 in der Auszeichnung als Sixth Man of the Year sowie einer Vertragsverlängerung mit einem Jahresgehalt von einer Million Dollar widerspiegelte - damals das vierthöchste Gehalt der gesamten Association.

"Es war wichtig, ihm die Rolle als Sixth Man schmackhaft zu machen. Du brauchst diese Punkte von der Bank in jeder einzelnen Nacht. Und Kevin hat sie gemacht", erklärte Bill Fitch, Celtics-Coach von 1979-83, die Aufgabe von McHale. Nach seinem ersten Titel sollte es allerdings drei weitere Jahre bis zum nächsten Trip in die Finals dauern.

Boston Celtics: Dauerrivalität mit den Lakers in den 80ern

Dieses Mal ging es gegen die Lakers und wie schon auf dem Weg zu seinem ersten Ring hatte McHale seine Hände entscheidend im Spiel - wenn auch nicht auf die feine Art. Beim Stand von 2-1 für Los Angeles beging er ein hartes Foul an Kurt Rambis, der im Fastbreak zum Korb zog. Diese Aktion löste eine heftige Schubserei aus, sollte das Pendel aber zugunsten der Celtics umschlagen lassen, die sich schließlich in sieben Spielen zum Champion krönten.

Spätestens in der Folgesaison hatte sich McHale zu einer kaum zu stoppenden Offensiv-Maschine entwickelt (21 Punkte, 8 Rebounds), auch wenn den Lakers in den Finals die Revanche für die Niederlage im Jahr 1984 gelingen sollte. Dennoch stellte diese Serie einen Einschnitt in der Karriere des damals 27-Jährigen dar.

Vor der Saison 1985/86 tradeten die Celtics Cedric Maxwell zu den Clippers und endlich wurde McHale zum Starter auf der Vier. Erstmals aber hatte er auch mit Fußverletzungen zu kämpfen, die den Herbst seiner Karriere prägen sollten.

Ab den Playoffs war McHale jedoch wieder bei 100 Prozent, scorte knapp 25 Punkte im Schnitt und bot auf dem Weg zu seinem dritten (und letzten) Titel gemeinsam mit Parish den Twin Towers der Rockets, Hakeem Olajuwon und Ralph Samson, Paroli. Das Team um Bird, Dennis Johnson, Danny Ainge (und auch Rick Carlisle) gilt bis heute als eines der besten aller Zeiten.

Ein weiterer Auftritt in den Finals sollte für McHale noch folgen im statistisch besten Jahr seiner Karriere: 26,1 Punkte, 9,9 Rebounds, 60,4 Prozent aus dem Feld (Ligabestwert), die Berufung in das All-NBA First Team und eine 2-4-Niederlage (wieder einmal) gegen die Lakers standen am Ende der Saison 1986/87 zu Buche.

Im Nachgang leitete diese Serie den Anfang vom Ende der Celtics-Dynastie ein, was auch mit McHale zusammenhing.

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Kevin McHale: Bestes Karrierejahr leitet Ende ein

Der spielte die gesamten Finals mit einem gebrochenen Fuß, bewegte sich abseits des Feldes teilweise nur mit einem Stuhl als Gehhilfe voran und stand trotzdem 40 Minuten pro Spiel auf dem Feld. In der Offseason folgte dann die dringend notwendige Operation an seinem rechten Fuß. Dennoch kam er auch in der Saison 1987/88 auf über 22 Punkte und 8 Rebounds im Schnitt.

Neben dem ausbleibenden Teamerfolg - die Celtics kamen bis ins Jahr 2002 nicht mehr über die zweite Playoff-Runde hinaus - nahm auch die Produktion von McHale (und Bird) kontinuierlich ab, ab 1990 ließen die Fußbeschwerden keinen schmerzfreien Sport mehr zu. McHale beendete seine Karriere 1993 letztlich dort, wo sie 13 Jahre zuvor begonnen hatte: Mit einer Bankrolle und etwa 10 Punkten pro Partie (es waren 10,7).

Mit durchschnittlich 19 Zählern in der ersten Playoff-Runde gegen die Charlotte Hornets verabschiedete er sich gebührend aus der NBA und hatte eine letzte Scoring-Explosion vor heimischer Kulisse (30 Punkte, 13/18 FG). "Wenn ich gesund war, hatte ich immer das Gefühl, dass ich scoren konnte. Wenn ich in einen Zustand gelangte, den ich 'Folterkammer' nannte, wusste ich, dass ich bereit war", berichtete McHale über seine Karriere.

Kevin McHale: Moderner Big Man mit vielfältigem Skill-Paket

Obwohl er über seine gesamte Karriere ein glänzender Verteidiger war, ganze sechsmal im All-Defensive First- oder Second Team stand und mit seinen langen Armen und seiner hervorragenden Fußarbeit oft den besten gegnerischen Spieler auf mehreren Positionen verteidigte, sind es vor allem seine Fähigkeiten in der Offensive, die McHale zu einem bis heute relevanten Spieler machen.

"Er war der am schwierigsten zu verteidigende Low-Post-Spieler der Liga-Geschichte, wenn er einmal am Ball war" adelte ihn der frühere Coach Hubie Brown im Boston Globe. Brown nannte seine "Schnelligkeit, Vielfalt an Moves und langen Arme" als Grund dafür, dass McHale fast immer eine gute Position hatte, um zu scoren - egal, ob es gegen einen größeren oder einen beweglicheren Verteidiger ging. Auch Charles Barkley, der selbst nur allzu gerne im Post zu Werke ging, bezeichnete den Kelten als Kontrahenten, mit dem er in der Defensive die größte Mühe hatte.

Den Spitznamen "Folterkammer" bekam McHale von Celtics-Legende und -Kommentator Tommy Heinsohn verliehen, da die Defense gegen McHale nichts anderes als eine Folter gewesen sei. Hook Shot, Fadeaway, Turnaround, Pump Fake - McHale hatte zahlreiche Moves im Repertoire, um zu scoren, und das aus einer für damalige Verhältnisse großen Range. Hinzu kam eine starke Freiwurfquote von 80 Prozent.

Einen weniger charmanten Nickname für McHale hatte Bird parat: "Schwarzes Loch". Damit wollte Larry Legend zum Ausdruck bringen, dass McHale den Ball ungern abgab, nachdem er seine Position im Post eingenommen hatte, auch nicht gegen Double-Teams. Neben diesen Neckereien ist McHale allerdings vor allem als moderner Big Man und Vorbild späterer Generationen in Erinnerung geblieben, was die Zusammenarbeit mit dem jungen Kevin Garnett oder auch Myles Turner verdeutlicht.

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Boston Celtics: "Das waren die besten Tage meines Lebens"

Die Nummer 32 des sechsfachen All-Stars wurde am 30. Januar 1994 unter die Hallendecke des Boston Garden gezogen, 1999 wurde McHale in die Naismith Basketball Hall of Fame aufgenommen. Mit den Plätzen fünf bei den Punkten (17.335), sechs beim Rebounding (7.122) und zwei bei den Blocks (1.690) hat er große Fußspuren in Massachusetts hinterlassen.

"Wir haben das Spiel so gespielt, wie es meiner Meinung nach gespielt werden sollte. Das waren die besten Tage meines Lebens - und einige der besten in der ruhmreichen Geschichte der Celtics", sagte McHale dem Boston Globe, dessen Karriere abseits des Spielfeldes in verschiedenen Funktionen ihre Fortsetzung fand.

Bis 2009 arbeitete er bei den Minnesota Timberwolves im Front Office, als Interimscoach und TV-Analyst. Letztgenannte Rolle füllte er auch bei TNT aus, kehrte aber zwischenzeitlich auf die Trainerbank zurück. Bei den Houston Rockets verbuchte er eine Bilanz von 193-130, gekrönt vom Einzug in die Western Conference Finals 2015. Nach elf Spielen in der Saison 2015/16 folgte die Entlassung und die Rückkehr zu TNT .

Dort zeigt er die gleiche Schlagfertigkeit und teilweise auch provokante Art, die ihn schon während seiner aktiven Zeit zu einem geschätzten Mitspieler werden ließen, wie auch folgende Anekdote zeigt, die Larry Bird gegenüber Bill Simmons offenbarte: "In einem Spiel in Golden State - wir haben hoch geführt - sagte er in der Schlussphase des Spiels zu seinem College-Freund (Chris Engler, der für die Warriors spielte, Anm. d. Red.): 'Wenn du den Ball im Low Post bekommst, drehe dich einfach und werfe über mich. Ich tue dann so, als würde ich dich verteidigen.'"

"Als er den Ball bekam, drehte er sich und Kevin schlug den Ball in die sechste Zuschauerreihe. Ich fühlte mich schlecht für den Jungen, und der Junge war angepisst. Ich ging zum Trainer und sagte: 'Lass mich raus hier, der Junge ist außer Kontrolle'", erzählte Bird und lachte. Engler schilderte die Situation ähnlich und erinnerte sich auch noch an die Reaktion von McHale nach dem Block: "Sorry, ich habe dich angelogen."