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Peter Ridsdale war 13 Jahre alt und bereits seit drei Spielzeiten Dauerkarteninhaber bei Leeds United, als er vor dem Stadion an der Elland Road in einem Schlafsack übernachtete, um sich Tickets für das FA-Cup-Finale 1965 zu sichern. Leeds sollte im Wembley Stadion auf den FC Liverpool treffen. Ridsdales Leeds, sein Lieblingsklub. Dieser Verein, der bis vor kurzem noch in der zweiten Liga war und im englischen Fußball noch nie eine große Rolle gespielt hatte.

Nun aber baute Trainer Don Revie die erste große Mannschaft der Vereinsgeschichte auf. Das Endspiel von 1965, Leeds' erstes große Finale, sollte sie zwar verlieren, aber bis zu Revies Abschied 1974 zwei Meistertitel und einen FA Cup holen. Damals war es schön, Leeds-Fan zu sein. Seitdem ist es vor allem eines: aufwühlend. Und daran hat Ridsdale einen entscheidenden Anteil.

Wie Peter Ridsdale Leeds-Präsident wurde

Nach Revies Abschied ging es rauf und runter: Zunächst kam sein ewiger Trainer-Widersacher Brian Clough, der jedoch nach nur 44 Tagen wieder entlassen wurde. Wenige Monate später stand seine ehemalige Mannschaft trotzdem im Finale des Europapokals der Landesmeister, verlor aber gegen den FC Bayern München. In den 1980er Jahren spielte Leeds acht Jahre in der zweiten Liga - und wurde zwei Jahre nach dem Wiederaufstieg 1992 völlig überraschend zum dritten Mal Meister, ehe es wieder bergab ging.

Ridsdale machte unterdessen Karriere beim Modehändler Topman. Dort sorgte er für einen Sponsoringvertrag mit Leeds, landete dadurch im Aufsichtsrat und war im Sommer 1997 auf einmal Vereinspräsident. Viel mehr als Vereinspräsident war er aber weiterhin das, was er immer war: Fan. Wurde Ridsdale gefragt, ob es nicht Sinn machen würde, einen Fanvertreter in den Aufsichtsrat zu berufen, sagte er der Legende nach stets nur: "Haben wir doch: mich."

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Viele Talente und ein österreichischer Legionär

Obwohl Leeds in den zwei Jahren vor Ridsdales Übernahme lediglich im Mittelfeld gelandet war, kam er zu einem Klub im Aufwind: Mit George Graham einen berühmten Trainer auf der Bank, einen stabil hohen Zuschauerschnitt von knapp 40.000, eine solide finanzielle Lage, mit Lee Bowyer einen englischen U-Nationalspieler bereits im Kader, mit Jimmy Floyd Hasselbaink eine Tormaschine im Anflug und vor allem eine Gruppe aufstrebender Nachwuchsspieler auf dem Sprung zu den Profis.

1997 hatte Leeds den renommierten FA Youth Cup gewonnen: mit Keeper Paul Robinson, Innenverteidiger Jonathan Woodgate, den Mittelfeldspielern Harry Kewell, Stephen McPhail und Alan Smith. Als erster den Sprung zum Stammspieler der Profimannschaft schaffte in der darauffolgenden Saison der Australier Kewell. Der womöglich talentierteste Vertreter dieser Gruppe verband irres Tempo mit kreativen Ideen und einem präzisen linken Fuß.

Im Januar 1998 stieß der österreichische Innenverteidiger Martin Hiden zur Mannschaft. Er hatte sogar ein Angebot von Liverpool abgelehnt, um Teil des aufstrebenden Leeds zu werden, wo er sofort zum Stammspieler avancierte. "Ich bin genau zum richtigen Zeitpunkt gekommen", sagt der heute 47-Jährige im Gespräch mit SPOX und Goal .

David O'Leary: Der perfekte Trainer für die junge Mannschaft

Nach einem fünften Platz 1997/98 wechselte Trainer Graham im darauffolgenden Oktober völlig überraschend während der Saison zu Tottenham Hotspur. Nachfolger wurde sein damals erst 40-jähriger Assistent David O'Leary. Ein junger, wilder Trainer für eine junge, wilde Mannschaft. Es sollte perfekt passen.

Graham war seinen Spielern stets distanziert begegnet, er hatte seine Aura als doppelter englischer Meister mit dem FC Arsenal und der dortigen Zusammenstellung der wohl legendärsten Viererkette der englischen Fußballgeschichte wirken lassen. "Die Null war für ihn ein Heiligtum", sagt Hiden. O'Leary, einst selbst Teil von Grahams Arsenal-Viererkette, war lockerer. In Sachen Taktik und auch im Umgang. "Er hat die Spielweise mehr an uns Spieler angepasst und war außerdem viel näher an uns dran, hat bei allen Späßen mitgemacht", erinnert sich Hiden.

Gleichzeitig baute O'Leary nach und nach die Teenager Woodgate, McPhail und Smith in die Stammelf ein. Sie sollten bald zum Rückgrat der aufstrebenden Mannschaft werden. Alles ging rasant. "Als ich rübergekommen bin, hat Alan Smith noch Schuhe geputzt - und ein paar Monate später war er aus der Mannschaft nicht mehr wegzudenken", sagt Hiden. "Ich war damals 24 Jahren alt und damit schon im Kreis der älteren Spieler. Wir waren eine junge, wilde, verschworene Mannschaft gespickt mit großen Talenten."

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Martin Hiden: "Wir fühlten uns als UEFA-Cup-Sieger"

Hiden behielt zunächst auch unter O'Leary seinen Stammplatz, verletzte sich jedoch bald. Für ihn sollte es der Beginn einer eineinhalbjährigen verletzungsbedingten Leidenszeit mit kaum Einsätzen werden. Hiden musste von außen mitverfolgen, wie die Mannschaft immer besser und erfolgreicher wurde. Im UEFA Cup scheiterte sie in O'Learys erster Saison zwar früh an der AS Roma, qualifizierte sich dank eines vierten Platzes aber erneut für den Wettbewerb.

Im darauffolgenden Sommer 1999 wurde Leeds unter Ridsdale erstmals richtig aktiv auf dem Transfermarkt. Der Verkauf von Hasselbaink an Atletico Madrid brachte zwar 16,7 Millionen Euro ein, ausgegeben wurden aber 35,7 Millionen - für immer mehr junge, aufstrebende englische Spieler wie Darren Huckerby oder Michael Bridges, die perfekt zum verfolgten Konzept passten und die Mannschaft zunächst auch verstärkten.

Leeds lieferte sich in der folgenden Premier-League-Saison bis in den Frühling ein Titelduell mit Manchester United, brach im Endspurt aber ein und landete am Ende immerhin auf Champions-League-Qualifikationsplatz drei. Im UEFA Cup stürmte Leeds unterdessen ins Halbfinale, wo es gegen Galatasaray ging.

Es sollte eine tragische Begegnung werden: Im Vorfeld des mit 0:2 verlorenen Auswärtsspiels in Istanbul wurden zwei Leeds-Fans abgestochen, beim Rückspiel reichte ein 2:2 nicht zum Finaleinzug. "Intern fühlten wir uns trotzdem als UEFA-Cup-Sieger", sagt Hiden. "Wir haben immer gesagt: Die zwei Finalisten sind anders als wir im Laufe der Saison aus der Champions League abgestiegen und deshalb sind wir die wahren Sieger."

Als Peter Ridsdale zu pokern begann

Hiden kehrte im Sommer 2000 nach Österreich zurück, viel interessanter war aber, was auf der Ausgabenseite passierte: Leeds verpflichtete unter anderem den 22-jährigen Innenverteidiger Rio Ferdinand für 26 Millionen Euro, Stürmer Mark Viduka für 9,2 Millionen und machte insgesamt ein Transferminus von knapp 40 Millionen.

Später sollte sich herausstellen: Ridsdale hatte hoch gepokert. Zu hoch. Um die Transferoffensive zu finanzieren, borgte er sich umgerechnet rund 100 Millionen Euro, die er mit TV- und Ticketeinnahmen aus anvisierten späteren Champions-League-Teilnahmen zurückzahlen wollte. Bei der ersten Teilnahme stürmte die Mannschaft zwar mit begeisterndem Fußball bis ins Halbfinale, wo sie mit 0:0 und 0:3 am FC Valencia scheiterte - verpasste mit Platz vier in der Premier League einen Punkt hinter Liverpool aber knapp eine neuerliche Qualifikation.

Ridsdale Poker war nicht aufgegangen - und statt zurückzuziehen, erhöhte er den Einsatz. Wie bereits im Jahr zuvor betrug das Transferminus auch im Sommer 2001 rund 40 Millionen Euro. Allein die beiden Stürmer Robbie Keane und Robbie Fowler kosteten gemeinsam knapp 35 Millionen. Doch auch trotz dieser Neuzugänge landete Leeds in der Premier League lediglich auf Platz fünf.

Der Ausverkauf von Leeds United

Um erste Schulden zu begleichen, verkaufte Ridsdale daraufhin Ferdinand für rund 46 Millionen Euro an Manchester United. Aufgrund zunehmender Meinungsverschiedenheiten entließ er gleichzeitig O'Leary und ersetzte ihn durch Trainerroutinier Terry Venables. Während die Mannschaft in der Saison 2002/03 in den Abstiegskampf schlitterte, wurde die missliche finanzielle Lage immer offensichtlicher. Leeds brauchte dringend Geld und das machten sich die Konkurrenten zu Nutze: Woodgate, Fowler und Bowyer gingen in der Winterpause weit unter Marktwert.

Vor allem der Verkauf des Eigengewächses Woodgate löste Entrüstungsstürme unter den Fans aus, denen Ridsdale erwiderte: "Wir haben den Traum gelebt." Hieß auch: Der Traum war vorbei. Und nun galt es eben, den Preis dafür zu bezahlen. Im März trat Venables zurück und kurz darauf musste Ridsdale gehen. Die Schuldenlast betrug zu diesem Zeitpunkt umgerechnet schon rund 150 Millionen Euro.

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Vom Champions-League-Halbfinalisten zum Drittligaklub

Ridsdale hatte seinen Lieblingsklub, für den er einst mit 13 vor dem Stadion im Schlafsack übernachtet hatte, fast ganz nach oben und dann noch viel weiter nach unten geführt. Wie weit nach unten, das war zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht abzusehen. Um den Spielbetrieb aufrechterhalten zu können, musste Leeds in der Folge nicht nur die verbliebenen Schlüsselspieler, sondern auch sein Stadion und das Trainingsgelände Thorp Arch verkaufen. 2004 stieg die Mannschaft aus der Premier League ab, 2007 auch aus der zweitklassigen Championship.

"Zu diesem Zeitpunkt war keiner mehr da, den ich von damals kannte", sagt Hiden. "Dass es so weit kommen würde, hätte sich zu meiner Zeit keiner vorstellen können. Damals herrschte eine richtige Aufbruchstimmung und es hat sich alles in die richtige Richtung entwickelt. Der Klub hätte über viele, viele Jahre sehr erfolgreich sein können." Hätte Ridsdale 2000 nicht begonnen zu pokern. Oder hätte sich die Mannschaft in der darauffolgenden Saison für die Champions League qualifiziert.

Innerhalb von sechs Jahren war so aus einem Champions-League-Halbfinalisten ein Drittligaklub ohne Stadion und Vereinsgelände geworden - dafür aber mit einem Eintrag in die englische Fußball-Terminologie. "Doing a Leeds", der Niedergang eines Klubs in Folge einer Transferoffensive bei gleichzeitig ausbleibender Champions-League-Qualifikation.

Die Platzierungen von Leeds United zwischen 1997 und 2004

Saison Platz 1996/97 11 1997/98 5 1998/99 4 1999/00 3 2000/01 4 2001/02 5 2002/03 15 2003/04 19