Otto Addo und Borussia Dortmund - da springt die Assoziationskette automatisch zum 24. September 2003 zurück. Damals traf Addo, der zwischen 1999 und 2005 für den BVB kickte und einer der ersten Transfers von Sportdirektor Michael Zorc war, zum 1:0 im UEFA-Cup-Hinspiel bei Austria Wien.
An sich nichts Ungewöhnliches, hätte sich der gebürtige Hamburger nicht zuvor einen Kreuzbandriss zugezogen. Unmittelbar nach diesem mit der Verletzung erzielten Treffer in der 38. Minute wurde Addo ausgewechselt - zum Tor des Monats reichte es dennoch. Dortmund reichte es sogar zum Sieg, Lars Ricken netzte später zum 2:1-Endstand ein.
Nun sind Zorc, Ricken - mittlerweile Nachwuchskoordinator - und Addo wiedervereint. Seit Saisonbeginn ist Addo wieder zurück bei der Borussia und besetzt dort die neu geschaffene Funktion des Talente-Trainers, die er zuvor knapp 100 Kilometer südwestlich über zwei Spielzeiten hinweg bei Borussia Mönchengladbach ausübte.
Addo soll Durchlässigkeit zu den Profis beim BVB erhöhen
Das Ziel, das der BVB mit Addos Rolle verknüpft: Den Übergangsbereich der Altersklassen U17 bis U23 zu professionalisieren, damit sich die Durchlässigkeit zur Profiabteilung auf einem konstant hohen Niveau einpendelt - und Spieler wie beispielsweise der nun fest zum Kader von Lucien Favre gehörende Giovanni Reyna keine Ausnahme bleiben.
Etwas mehr als ein Jahr nach seinem letzten Bundesligaspiel stieg Addo 2009 beim Hamburger SV in den Nachwuchsbereich ein, zunächst als Co-Trainer der U19. Später übernahm er diese Mannschaft und blieb fünf Jahre lang ihr Trainer, nebenbei arbeitete er drei Jahre als Chefscout für den ghanaischen Verband. Anfang 2016 zog es ihn zum dänischen Klub FC Nordsjaelland, wo er eineinhalb Jahre als Co-Trainer des ehemaligen Mainzer Chefcoachs Kasper Hjulmand fungierte, aber bereits mit ähnlichen Aufgaben wie nun in Dortmund betraut war.
Zusammen mit seiner über zehnjährigen Karriere als Profi lässt sich also sagen: Addo bringt ordentlich Erfahrung mit und weiß, wovon er spricht. "Ich weiß, was Lucien Favre wichtig ist. Ich gebe Tipps, wie man unabhängig vom Sport mit Problemen umgehen kann", sagt Addo. Der 44-Jährige ist aber nicht nur dafür da, den Top-Talenten des BVB eine Schulter zu bieten, an die sie sich anlehnen können.
Addo betreut die Top-Talente des BVB
Jeden Dienstag- und Mittwochmorgen um 8 Uhr leitet er individuelle Trainingseinheiten mit den Hochbegabten aus U17 und U19 - sozusagen Zusatzschichten vor der Schule und dem üblichen Training am Nachmittag. Zu seinen Schützlingen gehören neben Reyna der seit einem Jahr mit einem Profivertrag ausgestattete Tobias Raschl oder Tormaschine Youssoufa Moukoko. Auch für Immanuel Pherai, Nnamdi Collins, Göktan Gürpüz und Bradley Fink ist Addo zuständig.
Die Inhalte dieses oft auch positionsbezogenen Trainings stimmt Addo mit den jeweiligen Cheftrainern ab, mit denen er zu Saisonbeginn Stärken-Schwächen-Profile der Spieler definiert hat. Addo legt dabei viel auf Übungen wert, in denen die Entscheidungsfindung der Spieler gefragt ist und lässt diese dann häufig wiederholen.
Selbst beim Profitraining greift Addo ein: "Wenn der Cheftrainer taktisch arbeiten muss und in diesen Phasen nicht alle jungen Spieler mitmachen können", erklärt Addo. Dann zieht er "seine" Jungs kurz zusammen und arbeitet an deren individuellen Schwächen.
Feedback-Feuer und Vertrauen schaffen
Die dritte Säule seiner Spezialbetreuung sieht Videoanalysen vor - "nach jedem Spiel, egal bei wem und wo". Dann bekommen die Spieler zehn bis zwölf prägnante Szenen gezeigt, in denen es um positionsspezifische Dinge, das Defensivverhalten oder die Verbesserung der Laufwege und Körperstellung geht. Anschließend versucht Addo, diese Szenen auf dem Trainingsplatz nachzustellen, damit sich die Spieler an solche und ähnliche Situationen gewöhnen.
Addo soll an der vielzitierten Schnittstelle zwischen Junioren und Profis für Feedback-Feuer bei den Top-Talenten sorgen und damit in allen Bereichen Vertrauen schaffen. Er ist die engste Bezugsperson der ausgewählten Spieler. "Ich bin abends auch einmal im Internat oder treffe mich privat mit den Jungs, die dort nicht sind, um gewisse Themen anzugehen oder auch einfach einmal zuzuhören", sagt er.
Die besten Chancen auf baldige Einsatzminuten bei den Profis hat nach Reynas Durchbruch derzeit Raschl, der Kapitän der U19. Der 20-Jährige kommt im defensiven Mittelfeld zum Einsatz und besticht durch eine gute Spielübersicht, nur selten verliert er die Bälle. Während Raschl unter Favre trainiert, wird er in dieser Saison vorrangig bei der U23 in der Regionalliga West eingesetzt.
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Tobias Raschl schon dreimal auf der Bank der BVB-Profis
Dort muss sich Raschl neu orientieren. Er ist nicht mehr einer der Besten und kommt auf viele Ballkontakte, sondern sieht sich auf teils dürftigen Grünflächen gestandenen Männern gegenüber. Diese Herausforderungen gilt es anzunehmen, neben aller Qualität ist also Mentalität gefragt. Auf vier Torbeteiligungen in 15 Partien kommt Raschl in der Elf von Trainer Mike Tullberg.
Bislang durfte Raschl dreimal unter Favre auf der Bank sitzen, in der Hinrunde bei den Auswärtsspielen auf Schalke, in Berlin und gegen Hoffenheim.
"Es gibt Ausnahmen wie Kai Havertz, aber die Regel ist, dass man sich herankämpfen, viele Widerstände überwinden, sich behaupten und auf sich aufmerksam machen muss", sagt der Übergangstrainer und predigt immer wieder Geduld. "Tobi ist auf einem sehr guten Weg. Er hat einen guten, gefestigten Charakter, ist sehr fleißig. Er soll sich nicht entmutigen lassen."
Eingewechselt wurde Raschl von Favre nicht. Sollte ihm jedoch in Zukunft dieser Schritt genauso gelingen wie die bisherigen, es wäre auch das Verdienst von Otto Addo.
Tobias Raschl: Leistungsdaten beim BVB in der Saison 2019/20
Wettbewerb Spiele Tore Vorlagen Minuten Regionalliga West 15 2 2 1212 UEFA Youth League 7 2 1 630