Auch wenn die Partien am Dienstag ohne größere Zwischenfälle über die Bühne gingen, bleiben die Standpunkte von DFB und Vereinen auf der einen sowie den Ultras auf der anderen Seite weit voneinander entfernt. Volker Goll von der Koordinationsstelle Fanprojekte (KOS) hält daher provozierte Spielabbrüche nach wie vor für möglich.
"Wenn es sich zuspitzt, wird es zu einer ungemütlichen Machtprobe. Deswegen raten wir allen Beteiligten: Durchatmen, innehalten, zusammensetzen", sagte der 58-Jährige gegenüber SPOX und Goal .
Das gelte auch für den umstrittenen Dreistufen-Plan: "Über die Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit sollte ebenfalls mit Fans, Vereinen, AG Fankulturen, Fanbeauftragten und Fanprojekten gesprochen werden. Wir haben gerade im deutschen Fußball so viele Experten und Expertinnen in diesem Bereich, aber gehört werden die in der Regel auch immer erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist."
"Mit Rummenigge redet man auch trotz Katar"
Daher fordert der stellvertretende KOS-Leiter Bayern-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge zum Dialog auf, obwohl die Fronten nach dessen Aussagen in Richtung der eigenen Anhänger nach den Vorkommnissen beim Spiel in Hoffenheim verhärtet sind.
"Mit Herrn Rummenigge redet man doch auch trotz der Bayern-Trainingslager in Katar", meinte Goll. "Konstruktiver Dialog bedeutet auch Kontroversen austragen, Respekt und Interesse an der Meinung des anderen behalten. Dialog von Vereinen und Verbänden wird zu oft als Verkündigung von Regeln und Richtlinien verstanden und nicht als offene Kommunikation."
Auch die aktuelle Zuspitzung der Probleme zwischen Verband und Fans durch die Wiedereinführung der seit 2017 ausgesetzten Kollektivstrafe führt er darauf zurück: "Nun wurde diese Sanktion wieder genutzt und dies ohne jegliche Kommunikation in die Fanstrukturen hinein. Dafür haben wir aber eine AG Fankulturen, Fanbeauftragte, Fanprojekte, eine KOS... Im Grunde ein altes Problem: Viele sehr entscheidende Dinge werden nur unzureichend kommuniziert."
"Fadenkreuze gehen deutlich zu weit"
Gleichwohl kritisiert Goll die Art und Weise des Protests. "Fadenkreuze sind bedrohlich und gehen deutlich zu weit. Beleidigungen können strafrechtlich verfolgt werden", sagte er, verweist aber auf die generelle Verrohung der Sitten:
"Natürlich ist es ein Phänomen unserer Zeit, dass Dinge erst wahrgenommen werden, wenn die Empörung lautstark und provokant geäußert wird. Ganz persönlich würde ich mir auch wünschen, dass dies anders ist, aber alle gesellschaftlichen Probleme werden leider auch nicht anders behandelt. Insofern sehen wir im Fußball nur das, was wir in der Politik auch erleben."
Umso wichtiger sei eine differenzierte Bewertung der verschiedenen Vorfälle und deren Verursachern, ergänzte Goll. "Allerdings ist auch meine Wahrnehmung, dass man kurz nach dem Spiel Hoffenheim gegen Bayern erst mal sehr holzschnittartige und platte Verallgemeinerungen gehört hat. Beleidigungen sind nicht gleich Rassismus. Pyro ist nicht gleich Gewalt. Viele Journalisten scheinen das nicht zu verstehen oder auch nicht verstehen zu wollen."