Schaut man auf die Cincinnati Bengals des vergangenen Jahrzehnts, dann sticht besonders ein Name heraus: A.J. Green. Der Wide Receiver gehört seit seinem Debüt im Jahr 2011 zu den besten, echten Nummer-1-Receivern der NFL und war das größte, das bekannteste Gesicht der Franchise in den vergangenen zehn Jahren.

Bis zum vergangenen Jahr, als ein weitreichender Umbruch eingeleitet wurde. In erster Linie wurde mit Zac Taylor ein neuer Head Coach installiert, der eine neue Philosophie und zuvorderst ein neues Offensivsystem implementieren sollte. Green allerdings spielte bislang noch keine Rolle in diesem neuen Konstrukt - unfreiwillig natürlich, setzte ihn eine hartnäckige Knöchelverletzung doch die komplette Saison 2019 über außer Gefecht.

Es war Greens letztes Vertragsjahr und nun wird er erstmals in seiner Karriere Free Agent. Doch stehen die Zeichen auch wirklich auf Trennung, nach neun gemeinsamen Jahren?

Keineswegs, wenn man den Verantwortlichen Glauben schenken mag. Taylor selbst äußerte sich in den vergangenen Wochen mehrfach zu Green und stellte klar: "Wir wissen, dass er im September ein Bengal sein wird. Wir wollen, dass er ein Teil von Cincinnati ist."

A.J. Green: Großartige Vergangenheit bei den Bengals

Taylor beschrieb seine Hochachtung für Green ausführlich: "Er hat eine großartige Vergangenheit in dieser Organisation. Er war immer ein großartiger Teil der Gemeinschaft und ein großartiger Anführer unseres Teams. Selbst mit all den Hindernissen, die sich ihm in den vergangenen eineinhalb Jahren entgegenstellten, war er in allen Meetings zugegen. Ich habe es wirklich genossen, A.J. kennenzulernen. Nun freue ich mich darauf, ihn zum ersten Mal überhaupt in der kommenden Saison wirklich zu coachen."

Bislang war ihm dies nämlich nicht vergönnt. Bereits am ersten Tag des Trainingscamps 2019 nämlich zog sich Green die folgenschwere Knöchelverletzung zu und verlängerte damit seine ohnehin schon beträchtliche Durststrecke - verletzungsbedingt stand er zuletzt Anfang Dezember 2018 auf dem Feld in der NFL. Seither wartet alles auf seine Rückkehr.

Eines, worin sich alle Parteien aber einig sind, ist, dass Green zu voller Gesundheit zurückkehren wird. In welcher Form das bei den Bengals sein wird, ist allerdings noch offen. Die Intention ist klar, doch wie man dies bewerkstelligt, ist offen.

Naheliegend ist, dass die Bengals ihren Top-Receiver mit dem Franchise Tag belegen und damit schon mal nahezu sicherstellen, dass kein anderes Team ihnen zuvorkommen wird - zwei Erstrundenpicks plus ein stattliches Gehalt erscheinen für einen bald 33-jährigen Receiver dann doch zu kostspielig. Anschließend wäre genügend Zeit, einen langfristigen Vertrag auszuhandeln.

Cincinnati Bengals: Green erhält wohl den Franchise Tag

Green selbst soll zwar nicht begeistert von der Idee sein, den Franchise Tag zu kassieren, Probleme machen würde er dann aber wohl auch keine. Ferner wird davon ausgegangen, dass er eigentlich "nur" ein angemessenes Gehalt als Zeichen der Wertschätzung ihm gegenüber erwarte - der Franchise Tag dürfte ihm 18 Millionen Dollar in der kommenden Spielzeit garantieren.

Die sportlichen Umstände dagegen scheinen kein Hindernis zu sein für einen Verbleib Greens in Ohio.

Cap-technisch liegen die Bengals aktuell mit etwas mehr als 45 Millionen im Mittelfeld der Liga, da mit Joe Burrow aber vermutlich ein Rookie-Quarterback zum Team stoßen wird, der bekanntlich anfangs eher kostengünstig daherkommt, scheint dies also kein Hindernis darzustellen. Vieles spricht dafür, dass der 31-Jährige letztlich nicht auf den Markt kommen wird, was eine ohnehin schon schwach besetzte Wide-Receiver-Klasse auf dem Free-Agency-Markt einer ihrer potenziellen Top-Optionen berauben würde.

Burrow wiederum ließ schon wissen, dass er, wenn er denn tatsächlich mit dem Nummer-1-Pick zu den Bengals gedraftet werden sollte, liebend gern mit Green zusammenspielen würde. In Zeiten, in denen jedes Wort Burrows auf die Goldwaage gelegt wird und er am Rande der Combine überdeutlich alle Gerüchte beseitigen musste, wonach er sich weigern würde für die Bengals zu spielen, eine interessante Aussage.

Und klar ist: Green, sollte er nur annähernd seine Form wiederfinden, wäre für jeden gerade jungen Quarterback eine Bereicherung. Mehr noch, Green wäre für Burrows Übergang vom College in die NFL enorm wichtig, um als verlässliche Waffe den jungen Quarterback zu unterstützen. Ein Receiver-Duo bestehend aus einem fitten Green sowie Slot-Receiver Tyler Boyd wäre in der Hinsicht ein akzeptabler Anfang für Burrow.

Fraglich erscheint jedoch vor allem, welchen A.J. Green Burrow - sollte es so kommen - und die Bengals-Fans denn erwarten dürften. Seine letzte herausragende Saison liegt bereits ein paar Jahre zurück. 2015 brachte es Green auf 1297 Yards und 10 Touchdowns. Seither jedoch knackte er nur noch 2017 die 1000-Yard-Marke und verpasste insgesamt 29 Spiele - von 64 möglichen.

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Zac Taylor: A.J. Green ein großes Teil des Puzzles

Zweifel an der sportlichen Leistungsfähigkeit des einstigen Topstars sind also durchaus angebracht. Zweifel, die man in Cincy allerdings zumindest nicht deutlich anspricht - vielmehr werden sie nur angedeutet.

Auf die Frage, ob die Green-Personalie oberste Priorität habe, sagte Taylor kürzlich: "Es fällt mir schwer, ihn als ersten Dominostein zu bezeichnen." Der Head Coach räumte aber auch ein: "Er ist ein großes Teil des Puzzles, aber wir machen sicherlich einen guten Job damit, uns selbst zu bewerten und zu erkennen, in welchen Bereichen wir Hilfe benötigen."

Ein zentraler Punkt dabei wird natürlich auch die Quarterback-Position sein, auf der es sehr wahrscheinlich einen Wechsel geben wird. Ebenfalls eine einschneidende Veränderung aus Sicht von Green, der bislang stets mit Dalton zusammengespielt hat - beide wurden im Draft 2011 gezogen, Green in Runde 1, Dalton direkt darauf in Runde 2.

Wenn Green aufs Feld zurückkehrt, wird vieles nicht mehr so sein wie bisher. Viele Fragezeichen werden ihn begleiten, das größte dabei wohl das hinter seiner sportlichen Leistungsfähigkeit. Schon deshalb macht es vielleicht auch für die Bengals am meisten Sinn, den Starspieler zwar zu halten, sich selbst allerdings vor dem Risiko der ungewissen Zukunft Greens zu schützen. Das hieße dann, den Franchise Tag anzuwenden, nicht jedoch den langfristigen Vertrag auszuhändigen.

Green wäre nicht begeistert, würde sich aber wohl auch nicht sträuben.

© GEPA

A.J. Green: Karrierestatistiken in der NFL

Saison Spiele Receptions Yards Touchdown 2011 15 65 1057 7 2012 16 97 1350 11 2013 16 98 1426 11 2014 13 69 1041 6 2015 16 86 1297 10 2016 10 66 964 4 2017 16 75 1078 8 2018 9 46 694 6 2019 - - -