Unsere Lunge brennt. Nicht dieses Brennen, das man nach einer anstrengenden körperlichen Ertüchtigung bisweilen spürt - es geht um unser aller Lunge, die Lunge der Welt. Es waren Bilder, die die Menschen erschütterten, Fotos und Videos, die den brennenden Amazonas-Regenwald zeigten und gleichzeitig die verheerende Zerstörungskraft des Feuers dokumentierten. Wenige Monate später sorgte eine folgenschwere Verbindung zwischen Hitze und Wind dafür, dass große Teile Australiens in Flammen standen. In der Antarktis, dem kältesten Ort der Erde, werden traurige Rekordtemperaturen von 18 Grad Celsius plus gemessen, die Gletscher schmelzen dahin, die Meeresspiegel steigen.
Auch der Sport hat mit den Folgen der globalen Erwärmung zu kämpfen. Wegen mangelnden Schneefalls wurden in der jüngeren Vergangenheit immer wieder Skirennen abgesagt. In den Bergen Südkaliforniens ist beispielsweise die durchschnittliche Anzahl an Tagen, an denen die Temperaturen unter dem Gefrierpunkt liegen, um 25 Prozent zurückgegangen. Profi-Snowboarderin Chloe Kim, die genau dort ihre Leidenschaft für den Sport entdeckte, erklärte: "Ich habe immer gedacht, dass in den Bergen viel Schnee liegen würde. Wir alle müssen unseren Beitrag gegen den Klimawandel leisten, um die Zukunft des Snowboardens und vor allem die Zukunft unseres Planeten zu sichern."
Doch nicht nur im Wintersport macht sich der Klimawandel bemerkbar, alle anderen Athleten haben ebenfalls mit den Folgen zu kämpfen. Football-Star Odell Beckham Jr., der derzeit für die Cleveland Browns auf Touchdown-Jagd geht, schlug jüngst Alarm. "Wir geben alles, um Teil dieses Sports zu sein. Wir müssen uns anpassen und anders denken, wenn der Klimawandel diesen Weg fortsetzt. Wir dürfen unsere Umwelt nicht als selbstverständlich erachten." Auch Tennisspielerin Naomi Osaka äußerte sich zu der Thematik: "Tennis ist ein globaler Sport, wir spüren, wie heiß es auf der ganzen Welt ist, wenn wir trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen." Beobachtungen, die aufhorchen lassen - ganz besonders im großen Sportjahr 2020, das neben der Fußball-Europameisterschaft die prestigeträchtigen Olympischen Spiele bereithält.
Experten prophezeien: Olympischen Spiele in Tokio werden die wärmsten
Der Ort, auf den die Welt zwischen dem 24. Juli und dem 9. August schauen wird, ist Tokio. Experten prophezeien der japanischen Hauptstadt die wärmsten Spiele aller Zeiten. Eine Vorhersage, die für die zahlreichen Athleten eine noch größere physische Belastung bedeutet. Diese Problematik nahm beim Nike Forum 2020, das Anfang des Monats in New York stieg und ganz im Zeichen der Olympischen Spiele stand, eine zentrale Bedeutung ein. Der Sportartikelhersteller aus den USA hat es sich seit vielen Jahren zur Aufgabe gemacht, Produkte zu kreieren, die einerseits die Leistung der jeweiligen Athleten fördert, auf der anderen Seite jedoch auch besonders nachhaltig produziert werden.
"Wir sehen Performance und Nachhaltigkeit nicht als Entweder-oder an", sagte Nikes Vizepräsidentin für Nachhaltigkeit, Seana Hannah im Rahmen des Events und führte aus: "Wir möchten unseren Sportlern das bestmögliche Performance-Produkt liefern, das nachhaltig hergestellt wurde. Wir hören jeden Tag von den Athleten, dass der Klimawandel sie bezüglich ihres Trainings beeinflusst. Sie klagen über Hitze und bisweilen auch über schlechte Luftqualität. Wir versuchen ihnen, mit unseren Produkten so gut es geht zu helfen. Vor allem Material, das einen kühlenden Effekt hat, kommt dabei zum Tragen. Das Wichtigste für Nike ist allerdings, den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten und die Abfallproduktion zu minimieren."
"Um die Zukunft des Sports zu sichern": Nike will CO2-Ausstoß und Abfall auf null reduzieren
Doch, wie sieht dieses Vorhaben konkret aus? Unter dem Namen "Move to Zero" hat Nike eine Kampagne ins Leben gerufen, die das Selbstverständnis der Marke und die damit einhergehende Verantwortung als weltweit agierendes Unternehmen ausdrückt. "Mit Move to Zero will Nike den CO2-Ausstoß und den Abfall auf null reduzieren, um die Zukunft des Sports zu sichern", heißt es auf der Webseite. Denn: "Wenn die Erde stirbt, stirbt auch der Sport."
Die Ansatzpunkte, um die ambitionierte Aufgabe zu bewältigen, sind mannigfaltig. Generell hat Nike sich der Angelegenheit nicht erst gewidmet, seit sie im öffentlichen Bewusstsein angekommen ist. Schon rund 25 Jahre engagiert man sich in Beaverton mit dem Projekt "Nike Grind" für mehr Nachhaltigkeit. Bei jenem Programm werden ausrangierte Schuhe gesammelt und zu Laufbahnen, Sport- oder Spielplätzen verarbeitet. Das neue Distributionszentrum in Belgien wird zum Beispiel vollständig mit erneuerbarer Energie betrieben, 95 Prozent der entstandenen Abfälle werden recycelt. Außerdem hat sich das Unternehmen dazu verpflichtet, seine Produkte niemals mit dem Schiff durch sensible Ökosysteme wie die Arktis zu transportieren.
Wie Seana Hannah bereits angedeutet hatte, spiegelt sich die Umweltschutz-Thematik auch in den Produkten wider. Sei es die Move to Zero-Kollektion, bei der mithilfe von recyclebarem Polyester, nachhaltiger Baumwolle und einer innovativen Färbetechnologie darauf geachtet wird, die Umweltbelastung so gering wie möglich zu halten.
Auch ein neues Schuhmodell sorgte beim Nike Forum in New York für Aufsehen: Der Space Hippie, ein Sneaker, den es ab Frühling beziehungsweise Sommer zu kaufen gibt, wird ausschließlich aus Müll, der in den Fabrikhallen anfällt und unter klimaneutralen Gesichtspunkten gefertigt. Dementsprechend wird der Space Hippie, der gleichzeitig das Produkt mit dem kleinsten CO2-Fußabdruck ist, auch als "Artefakt der Zukunft" verstanden, wie Chief Design Officer John Hoke erklärt. "Es geht darum, herauszufinden, wie man das Beste aus dem wenigsten Material, der geringsten Energie und dem niedrigsten Kohlenstoffausstoß macht."
Neben dem Sportartikel-Riesen aus Oregon, der sich hinsichtlich der Olympischen Spiele als einer der Hauptausstatter unzähliger Athleten seiner Verantwortung bewusst ist, nehmen auch die Organisatoren dieses Mega-Events die wichtige Debatte über den Klimawandel ernst. So ist geplant, die Spiele komplett CO2-neutral zu halten. Der benötigte Strom wird nicht etwa aus Braunkohle gewonnen, sondern aus erneuerbaren Energien wie Sonnenenergie, Biomasse und Wasserkraft.
Darüber hinaus wird die Plaza des Olympischen Dorfes aus nachhaltig gewonnenem Holz gefertigt, das im Anschluss zum Bau von öffentlichen Parkbänken sowie öffentlichen Gebäuden weiterverwertet werden soll. Die Medaillen, werden vollumfänglich aus recycelten Materialien diverser Elektrogeräte wie Mobiltelefonen hergestellt. Diese wurden in den vergangenen zwei Jahren eigens zu diesem Zweck von den Menschen im Ausrichterland gespendet. Entgegengenommen werden die Objekte der Begierde von den Sportlern auf Siegerpodesten, die sich aus weggeworfenen Shampooflaschen und Meeresplastikmüll zusammensetzen.
"Ich finde das toll. Man kann die ganze Welt für dieses dringliche und komplexe Thema sensibilisieren, indem man zeigt, was möglich ist", sagt Nike-Nachhaltigkeitschef Noel Kinder mit Blick auf das Bestreben des Olympischen Komitees. "Ich hoffe, dass eine derartige Vorgehensweise irgendwann Normalität wird." Dazu passt die Einstellung seines Arbeitgebers, dessen Wunsch für die Zukunft folgendermaßen kommuniziert wird: "Unsere Ressourcen sind begrenzt, deshalb sollten wir unsere Lebensweise überdenken. Unsere Vision ist eine Zukunft, in der es keinen Abfall mehr gibt und in der Materialien immer optimal wiederverwertet werden." Ein ambitioniertes Ziel.
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Nike-Nachhaltigkeitschef: "Wir haben eine enorme Reichweite und möchten das Thema in den Fokus rücken"
"Wir als Unternehmen haben eine enorme Reichweite und möchten das Thema in den Fokus rücken, die Leute inspirieren", sagt Kinder. Dass es ein Weiter so, ein rücksichtsloses Ausbeuten der Ressourcen nicht geben darf, sollte klar sein. Tatsächlich wurde in der jüngeren Vergangenheit aber immer wieder diskutiert, wie man mit der globalen Erwärmung umzugehen hat. Wirtschaft gegen Umweltschutz war bislang ein Bild, das nur häufig skizziert wurde. Nike versucht zu beweisen, dass sich diese beiden Eckpunkte durchaus miteinander vereinen lassen.
Im November vergangenen Jahres riefen 11.000 anerkannte Wissenschaftler den Klimanotstand aus, prophezeiten ein düsteres Szenario - sofern nicht bald ein Umdenken bei den Menschen einsetzen sollte. Gerade einflussreiche Unternehmen oder Ausrichter von Olympischen Spielen tun gut daran, Exempel zu statuieren. Damit die Lunge wieder ausschließlich wohlig und genugtuend brennt. Ein Brennen, das wir nach einer anstrengenden Trainingseinheit verspüren. Damit die Welt nicht stirbt - und mit ihr der Sport.