Allein auf weiter Flur lief er da, der junge Joshua Zirkzee, derjenige, der kurz vor der Winterpause gleich zweimal als eiskalter Joker auf sich aufmerksam machte, gegen Freiburg und Wolfsburg zum Matchwinner avanciert war. In freudiger Erwartung, den dritten Pflichtspieltreffer des Niederländers bejubeln zu dürfen, erhoben sich einige Fans von ihren Sitzen, um wenige Augenblicke später nur mit bedingter Enttäuschung wieder Platz zu nehmen.
Weil Zirkzee in der 82. Minute, kurz nach seiner Einwechslung, an TSG-Torhüter Philipp Pentke scheiterte und somit das 5:1 gegen Hoffenheim verpasste. "Mei", wird sich der eine oder andere Anhänger gedacht haben, "dann bleibt es eben beim 4:1" - trotzdem ein ungefährdeter Sieg.
Doch weit gefehlt. Anstatt in den verbleibenden acht Minuten höchstens zu hoffen, ob nicht doch noch etwas in puncto Toreschießen geht, mussten jene Zuschauer, die es mit dem FC Bayern hielten, nicht nur wegen der klirrenden Kälte an diesem Mittwochabend noch einmal mächtig zittern.
FC Bayern lässtschwache TSG Hoffenheim Morgenluftwittern
Weil die Kraichgauer, die eigentlich zu keinem Zeitpunkt den Anschein erweckt hatten, großartige Ambitionen aufs Weiterkommen zu hegen, plötzlich wieder Morgenluft witterten. Eine Tatsache, die sich die FCB-Protagonisten einzig und allein selbst ankreiden mussten - weil die erdrückende Dominanz aus unerklärlichen Gründen in Selbstgefälligkeit umschlug und letztlich ein knappes 4:3 auf der Anzeigetafel prangte.
"Am Ende zählt, dass man weiterkommt. Aber über die Art und Weise in der zweiten Halbzeit müssen wir sprechen", sagte Trainer Hansi Flick nach der Partie im Interview mit der ARD und legte den Finger in die vermeidbare Wunde. "Mit der ersten Halbzeit bin ich zufrieden, das waren gute 45 Minuten. Ab der 55. Minute hat die Mannschaft dann nachgelassen. Wenn man nicht mehr denselben Druck ausübt wie vorher, ist eine Mannschaft wie Hoffenheim in der Lage, die gebotenen Räume auszunutzen."
FC Bayern: ZahlensprecheneinedeutlicheSprache
Tatsächlich hatten die Hausherren den Tabellensiebten der Bundesliga - trotz zwischenzeitlichem Rückstand - phasenweise an die Wand gespielt und keinerlei Zweifel am Viertelfinaleinzug aufkeimen lassen. Zehn zu zwei betrug die Torschussbilanz vor dem Seitenwechsel, was sich in drei zu eins Toren widerspiegelte.
28 Zweikämpfe entschieden die Bayern für sich, während Hoffenheim lediglich elf gewonnene Duelle verbuchte, bevor es in die Kabine ging. Nur zwei Statistiken, die die unbändige Dominanz des deutschen Rekordmeisters untermauerten, wohingegen sich die Zahlen im zweiten Durchgang zugunsten der Mannschaft von Coach Alfred Schreuder wendeten (Torschüsse aus Bayern-Sicht fünf zu zehn, gewonnene Zweikämpfe 23 zu 32).
Thomas Müller: "Man hat gesehen, dass wir zu selbstsicher waren"
"Man hat gesehen, dass wir zu selbstsicher waren und nicht mehr die nötigen Meter gemacht haben", war Thomas Müller in der Mixed-Zone um eine Erklärung für den Leistungseinbruch bemüht . "Wir haben gespürt, dass wir 3:1 vorne waren und Hoffenheim es uns relativ einfach gemacht hat. Dann kann das passieren, was in den letzten Minuten passiert ist." Auch Joshua Kimmich haderte im Bauch der Allianz Arena zu später Stunde: "Wir haben in der Kabine kurz darüber gesprochen", verriet der 24-Jährige und schob nach: "Wir hätten heute vier oder fünf zu eins gewinnen können, das wäre möglich gewesen."
Der Nationalspieler zog mit Blick auf das Top-Spiel am kommenden Sonntag, wenn FCB-Verfolger RB Leipzig in der bayrischen Landeshauptstadt aufschlägt, allerdings auch positive Aspekte aus der Begegnung mit Hoffenheim: "Auf der anderen Seite zeigt uns das, dass es schnell in die andere Richtung geht, wenn wir nicht am Limit spielen und dass wir 90 Minuten konzentriert sein müssen. Vielleicht ist es vor dem Leipzig-Spiel ganz gut, zu merken, dass es nicht von alleine geht." Eine Einschätzung, die Flick auf der Pressekonferenz prägnant als "Weckruf" bezeichnete.
Dass dieser erhört wurde, können seine Schützlinge schon in wenigen Tagen unter Beweis stellen. Fest steht: Diese Bayern, die in der laufenden Saison schon mit - vor allem hinsichtlich der Spielweise - weitaus größeren Problemen zu kämpfen hatten, haben sich im Laufe der vergangenen Monate wieder zu der fußballerischen Übermacht gemausert, die sie selbst verkörpern wollen. Sie können sich aktuell nur selbst im Weg stehen. Nämlich dann, wenn aus Dominanz Selbstgefälligkeit wird. Gegen Hoffenheim hat sich gezeigt, wie schmal dieser Grat aussehen kann.