Außerdem erklärt der 43-Jährige, was ihn an Novak Djokovic am meisten fasziniert.

Herr Schüttler, Sie sitzen in dieser Woche bei der Partie in Brasilien zum ersten Mal als Fed-Cup-Teamchef auf der Bank. Was hat Sie gereizt, diese Aufgabe zu übernehmen?

Rainer Schüttler: Zu allererst: Ich liebe einfach den Tennissport. Ich dachte eine Zeit lang, dass ich nach der aktiven Karriere lieber etwas anderes machen will, aber ich bin nie so richtig vom Tennis losgekommen. Ich bin beim Turnier in Düsseldorf, das wir jetzt in Genf austragen, als Veranstalter eingestiegen. Ich habe auf der Herren-Tour einige Spieler betreut und dann natürlich zuletzt auch Angie Kerber. Als der DTB auf mich zugekommen ist, ob ich mir die Aufgabe vorstellen kann, wusste ich zunächst nicht, ob ich wirklich der Richtige dafür bin. Aber wir hatten in der Folge sehr gute Gespräche, die mich bewogen haben, den Job zu übernehmen. Vor allem auch deshalb, weil mich der Team-Wettbewerb sehr reizt. Ich habe selbst die Erfahrung machen dürfen, Davis Cup zu spielen und weiß, wie besonders das ist. Mich reizt es, eine Mannschaft zu formen, in der jeder an einem Strang zieht, mit ihr durch die Welt zu reisen und gemeinsam etwas zu erreichen. Darauf habe ich große Lust.

Sie haben Ihre Arbeit mit Angelique Kerber angesprochen. Wie reflektieren Sie im Nachhinein diese Zeit?

Schüttler: Für mich war die Zeit mit Angie eine sehr wichtige Erfahrung. Man hört immer viel von anderen Coaches, wie groß der Unterschied zwischen der Arbeit auf der Damen- und auf der Herren-Tour ist, aber es selbst zu erfahren, ist nochmal eine andere Geschichte.

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Rainer Schüttler: "Männer haben drei Gedanken im Kopf, Frauen tausende"

Was ist denn der größte Unterschied?

Schüttler: Man weiß es ja eigentlich, aber es ist wirklich so: Männer haben drei Gedanken im Kopf, Frauen tausende. Das kann hilfreich sein, aber manchmal auch kontraproduktiv, weil Gedanken dabei sind, die dich in der Situation einfach nicht weiterbringen. Ich habe auch das Gefühl, dass man bei Frauen vorsichtiger sein muss mit der Wortwahl, weil sie emotionaler sind als wir Männer. Ich muss insgesamt sagen, dass ich begeistert war von Angie. Ich war begeistert, wie sie gerade in der Vorbereitung gearbeitet hat. Wie sie sich immer wieder an und über die Schmerzgrenze hinaus gepusht hat - das war extrem beeindruckend.

Nach dem frühen Aus in Wimbledon wurde die Zusammenarbeit aber beendet.

Schüttler: Die Art und Weise, wie sie in Wimbledon gegen Lauren Davis verloren hat, war damals für niemanden schön. Sie ist sich selbst im Wege gestanden, da war vielleicht auch der Druck als Titelverteidigerin zu groß und da ist vieles zusammengekommen. Als ehemalige Nummer eins der Welt ist der Erwartungsdruck und der Standard extrem hoch. Wir haben versucht, dem gerecht zu werden, aber als wir gesehen haben, dass wir in einigen Vorstellungen auseinanderdriften und es nicht mehr passt, haben wir uns zusammengesetzt und es beendet. Aber wir sind heute noch befreundet und für mich war es eine sehr interessante Zeit, die mir viel gebracht hat. Angie hätte auch sehr gerne jetzt Fed Cup gespielt. Wir haben direkt nach ihrer Niederlage in Melbourne gesprochen, aber sie fühlt sich nicht fit und hat immer noch Probleme mit dem Oberschenkel, deshalb kann sie leider nicht dabei sein.

Rainer Schüttler: "Ich habe keine Ahnung, warum es jetzt zu den Diskussionen gekommen ist"

Neben Angelique Kerber fehlt auch Julia Görges, was während der Australian Open zu ein paar Irritationen geführt hat. Ein Missverständnis?

Schüttler: Für mich war die Sache eigentlich relativ einfach. Als im November feststand, dass ich den Posten antrete, habe ich mit allen Spielerinnen gesprochen. Jule hat damals von vornherein gesagt, dass sie die erste Partie in Brasilien nicht spielen wird, weil sie nicht in ihre Turnierplanung passt nach Australien und sie sich ganz auf ihre Saison konzentrieren will. Das war zwar schade für uns, aber auch total verständlich und deshalb auch gar kein Problem. Wir haben abgemacht, dass wir nicht unnötig Schlagzeilen produzieren müssen und es einfach dann kommunizieren, wenn wir gefragt werden. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, warum es jetzt zu den Diskussionen gekommen ist, vielleicht war Jule im Moment nach dem Ausscheiden einfach enttäuscht, ich weiß es nicht. Dass sie gesagt hat, ich wäre nicht in ihrer Box gesessen, stimmt, Barbara Rittner und ich saßen vier Reihen dahinter. (lacht) Wir sollten es dabei belassen. Wichtiger ist, dass Jule, Angie und auch Andrea Petkovic signalisiert haben, beim Finalturnier in Ungarn gerne dabei sein zu wollen, das freut mich natürlich. Petko wäre sogar jetzt schon liebend gerne dabei gewesen, aber da sie drei Monate lang kein Match mehr gespielt hat, kam mir das jetzt noch zu früh.

In Brasilien führt jetzt Laura Siegemund das Team an. Und von der Papierform her muss Deutschland das Duell klar gewinnen, zumal die brasilianische Nummer eins, Beatriz Hadda Maia wegen eines positiven Dopingtests aktuell gesperrt ist.

Schüttler: Das ist natürlich immer einfach zu sagen, dass man es klar gewinnen müsste. In Brasilien zu spielen, ist immer eine Herausforderung. Ich erinnere mich, dass ich 2003 in Costa do Sauipe im Halbfinale 7:5 im Dritten gegen Gustavo Kuerten gewonnen habe. Und obwohl ich gewonnen habe, war das kein schönes Erlebnis. Es ist grenzwertig, was die Fans in Brasilien machen. Sie werden ihre Mannschaft extrem anfeuern, darauf müssen wir uns einstellen. Auf dem Papier sind wir sicher der Favorit, aber wir dürfen die Aufgabe nicht auf die leichte Schulter nehmen und müssen Vollgas geben. Wir hatten in Australien ein sehr schönes Abendessen als Team, es hat sich alles sehr harmonisch angefühlt. Ich bin überzeugt davon, dass wir bereit sein werden.

In Australien hat Alexandra Vecic mit dem Halbfinal-Einzug bei den Juniorinnen aufhorchen lassen. Nachdem lange wenig nachgekommen ist, war das ein wichtiges Zeichen für den DTB-Nachwuchs, oder?

Schüttler: Definitiv. Was mich vor allem hoffnungsfroh macht, ist, dass es nicht nur Alexandra Vecic gibt. Wir haben in diesen Jahrgängen bestimmt zehn bis 15 Mädels, die alle super spielen und die alle Potenzial haben. Es wird spannend zu beobachten sein, welche von ihnen in den nächsten Jahren den Sprung schafft.

Das Fed-Cup-Finalturnier findet im April in Budapest statt. Im Davis Cup haben wir das erste Finalturnier nach der Reform schon erlebt. Niemand ist so wirklich ein Fan davon, wie ist Ihre Meinung?

Schüttler: Ich bin auch kein Fan von der Reform. Ich bin ein Fan von Heim- und Auswärtsspielen. Das macht doch den Reiz aus. Ich kenne es selbst aus meiner Rolle als Turnierveranstalter. Wenn ich dem Publikum in Genf einen Schweizer Star bieten kann, ist das Stadion voll. Wenn nicht, und da kann der Spieler ähnlich gut sein, ist es nicht voll. Es kommen zu so einem Event ja auch nicht wie im Fußball viele Fans extra eingeflogen. Wir haben in Spanien gesehen, wie wenig teilweise los war, wenn Nadal und Co. nicht gespielt haben. Das ist einfach schade für so ein großes Event wie den Davis Cup. Dass der ATP Cup in Australien jetzt so ein Erfolg war, lag vor allem daran, dass dort sehr clever die Plattform der zuvor bestehenden Turniere genutzt wurde. Außerdem ist der Januar der große Tennis-Monat für die Aussies. Ob es aber in Budapest voll wird, da habe ich meine Zweifel.

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Rainer Schüttler über Novak Djokovic: "Es ist extrem faszinierend zu sehen, wie Novak sein Spiel innerhalb eines Matches umstellen kann"

Lassen Sie uns noch über Alexander Zverev sprechen, der es Ihnen in Melbourne fast nachgemacht hätte und fast ins Finale eingezogen wäre. Wie überrascht waren Sie von seinem starken Auftreten?

Schüttler: Generell war ich überhaupt nicht überrascht, weil Sascha ein großartiger Spieler ist und das erste Halbfinale bei einem Grand Slam längst überfällig war. Aber ich war insofern wie viele andere auch jetzt etwas überrascht, weil es sich ja nicht angedeutet hat. Ich kann es von außen schlecht beurteilen, aber die lange Saison im vergangenen Jahr, danach die Schaukämpfe mit Roger Federer - die Vorbereitung sah von außen nicht optimal aus. Ich habe mitbekommen, dass Sascha dann wirklich unfassbar hart trainiert haben muss, um gerade im Aufschlag wieder den Rhythmus zu finden - das ist ihm offensichtlich hervorragend gelungen. Auch im Match gegen Dominic Thiem hatte er ja seine Chancen, da haben nur wenige Punkte den Unterschied gemacht. Hut ab vor Saschas Turnier. Hut ab auch davor, wie er sich insgesamt präsentiert hat. Seine Aktion, dass er das komplette Preisgeld gespendet hätte bei einem Triumph, fand ich klasse. Sascha ist ein guter Typ und ein mega Spieler. Er wird seinen Weg gehen und auch irgendwann ein Grand Slam gewinnen. Er ist viel zu gut, als dass er keines gewinnt.

Wie sehen Sie denn das Rennen der NextGen-Stars?

Schüttler: Ich wüsste nicht, wen ich da vorne sehe. Sascha, Tsitsipas, Medvedev, die liegen alle so eng beieinander. Thiem ist erst 26, Kyrgios müssen wir auf der Rechnung haben, wenn er weiter seinen Kopf zusammen behält, dann haben wir noch Auger-Aliassime, Shapovalov, Rublev und noch einige Jungs. Diese Gruppe wird sich einen schönen Konkurrenzkampf liefern.

Tolle Neuigkeiten! Alle Fed Cup-Partien der deutschen Mannschaft gegen Brasilien am 7. & 8. Februar werden beim Onlinestreaming-Anbieter @SportDE_TV ( https://t.co/qra9jsn8JR ) frei empfangbar übertragen. #SportDeutschlandTV#GERBRA#PorscheTeamDeutschland

— DeutscherTennisBund (@DTB_Tennis) February 1, 2020Twitter ">Twitter

Dieses Mal hatte am Ende aber wieder mal einer der Big Three den Pokal in den Händen. Sie kennen Novak Djokovic schon ewig, was fasziniert Sie an ihm am meisten?

Schüttler: Ich kenne Novak schon, seit er 15 Jahre alt war. Ich weiß noch, als ich 30 war und er so um die 20, da habe ich schon gesagt: Ich wünschte, ich wäre so klar im Kopf und könnte meine Matches auf dem Platz so messerscharf analysieren wie er. Es ist extrem faszinierend zu sehen, wie Novak sein Spiel innerhalb eines Matches umstellen kann, wenn er mit seiner Taktik nicht so durchkommt. Das macht ihn so besonders, Ähnliches gilt auch für Roger. Und Novak ordnet alles dem Erfolg unter, das zeichnet ihn auch aus. Er hat schon mit 7 Jahren ein Interview gegeben und gesagt, dass er die Nummer eins der Welt werden will. Das stand für ihn praktisch fest. Diese Klarheit ist sehr beeindruckend.