Am 21. November 2008 brannte beim FC Arsenal der Baum. Kapitän William Gallas hatte kurz zuvor Interna aus der Kabine an die Öffentlichkeit gebracht und unter anderem erzählt, wie es wenige Wochen zuvor, nach einem 4:4 gegen den Erzrivalen Tottenham Hotspur, zu einem großen Knall zwischen den Spielern gekommen sei. Er schilderte außerdem, es gebe Cliquenbildung innerhalb der Mannschaft und ein Problem mit einem namentlich nicht genannten Mitspieler belaste das Team.
Starker Tobak von einem Kapitän. Arsene Wenger schaute sich den schwelenden Konflikt eine Weile an und griff nach nur einem Sieg in vier Spielen dann durch: Gallas musste die Binde abgeben und wurde auch gleich noch für den Trip gegen Manchester City in der Premier League am folgenden Tag aus dem Kader gestrichen.
Damit war klar, dass Wenger seine Viererkette umbauen würde. Weil er zusätzlich Verletzungsprobleme zu beklagen hatte, musste der Elsässer improvisieren und entschied sich, dem jungen Eigengewächs Gavin Hoyte zu vertrauen. Der 19 Jahre alte Rechtsverteidiger hatte bereits drei Pokalspiele mit der ersten Mannschaft absolviert und in mehreren Ligapartien auf der Bank gesessen. Doch für einen Einsatz im englischen Oberhaus hatte es noch nicht gereicht.
Hoytes einziges Premier-League-Spiel für Arsenal
Hoyte schilderte die Situation Jahre später bei Planet Football so: "Ich erinnere mich noch an das Abschlusstraining. Einer der Trainer sagte zu Armand Traore, Jack Wilshere und mir: 'Einer von Euch wird sein Debüt geben. Was glaubt Ihr, wer es ist?' Alle dachten, es wäre Jack oder Traore. An mich hat keiner gedacht. Und dann sagte er: 'Du wirst es sein, Gavin.'"
Für den gebürtigen Londoner ging ein Traum in Erfüllung. Seit er neun Jahre alt war, spielte er für die Gunners und galt immer als eine der großen Nachwuchshoffnungen. Er war zwischenzeitlich Kapitän der U18 und hatte miterlebt, wie sein Bruder Justin denselben Weg ging und 68 Einsätze für Arsenal bestritt.
Nun sollte also seine Karriere in der Premier League starten. Und sie begann mit einer ziemlich undankbaren Aufgabe: Mit seiner kriselnden Mannschaft trat Hoyte bei Manchester City an. Die Skyblues waren damals unberechenbar. Sie konnten gegen jeden Gegner verlieren und an einem guten Tag mit ihren spektakulären Neuzugängen Robinho, Vincent Kompany und Shaun Wright-Phillips jeden besiegen. Zum Pech von Gavin Hoyte erwischte City im Etihad einen guten Tag.
Die Gastgeber waren klar tonangebend, Hoyte und seine Nebenleute Johan Djourou und Mikael Silvestre gerieten immer wieder unter großen Druck. Vor allem Robinho zeigte dem jungen Debütanten seine Grenzen auf, und kurz nachdem der Brasilianer in der 56. Minute das zwischenzeitliche 2:0 erzielt hatte, war für Hoyte Feierabend. Er wurde ausgewechselt, Mittelfeldspieler Aaron Ramsey kam in die Partie.
Was Hoyte damals nicht ahnte: Es sollte sein erster und letzter Einsatz in der Premier League gewesen sein.
Hoytes Fall durch die Ligen
Später sagte Hoyte, er habe den Moment "ein wenig als selbstverständlich betrachtet", das sei ein Fehler gewesen. Feedback gab es von den Trainern kaum. "Ich glaube, das Theater um Gallas überlagerte das Spiel", meinte Hoyte. "Sie sagten nur: 'Alles in Ordnung, mach' so weiter.' Kurz darauf wurde ich nach Watford verliehen."
Watford war damals ein Abstiegskandidat in der Championship. Hoyte absolvierte zehn Spiele für die Hornets, dann ging es zurück nach Nord-London. Allerdings nur für kurze Zeit, denn anschließend verlieh ihn Arsenal an Brighton & Hove Albion, einen damaligen Drittligisten. Damals dämmerte ihm, dass er es bei Arsenals Profis wohl nicht packen würde. Er hatte nur eine 60-minütige Chance bekommen - und die nicht genutzt.
"Als ich von meiner Leihe zu Watford zurückkehrte, trainierte ich nicht mehr so häufig mit den Profis, wie es zuvor der Fall war. Ich merkte, dass ich meine Chance gehabt hatte", so Hoyte. Zu groß war die Konkurrenz, die zu jener Zeit auf der rechten Abwehrseite aus Bacary Sagna und Emmanuel Eboue bestand.
Hoyte machte seine Sache in Brighton 2009/10 ordentlich, aber es kam einfach kein Entwicklungssprung mehr. Er stand zwar weiter bei Arsenal unter Vertrag, doch es folgten weitere Ausleihgeschäfte und immer ging es noch eine Liga runter. Über Lincoln City und den FC Wimbledon landete er 2012 beim FC Dagenham & Redbridge in der 5. Liga. Arsenal gab ihn ablösefrei dorthin ab.
Hoyte sagte: "Als ich bei Lincoln spielte, öffnete mir das die Augen. So niedrig hatte ich zuvor nie gespielt. Mir wurde klar, dass ich mich langsam zusammenreißen muss, um nicht am Ende ohne alles dazustehen."
Er machte also einen Haken hinter den Traum von der großen Karriere und entwickelte sich stattdessen zu einem soliden Kicker, der in den unteren englischen Ligen eine ordentliche Laufbahn hingelegte. Nach Dagenham & Redbridge, wo er zweimal spielte, hießen seine Stationen Gilingham, Barnet und Eastleigh. Namen, die zwar viel Tradition, aber wenig Flair versprühen.
Hoytes Debüt für Trinidad und Tobago
Und doch gab es noch einen Glanzpunkt in der Karriere des ehemaligen englischen Auswahlspielers: Im Sommer 2014 debütierte er für die Nationalmannschaft von Trinidad und Tobago - ausgerechnet gegen Lionel Messis Albiceleste, die sich gerade auf die WM in Brasilien vorbereitete.
"Ich spielte 20 Minuten, und ich traf auf Maxi Rodriguez und Marcos Rojo. Messi stand auch auf dem Platz. Auch, wenn es nur 20 Minuten waren, war es unglaublich. Eine tolle Erfahrung", so Hoyte. Dem Duell mit Argentinien folgten noch zwei weitere Länderspiele.
Das dritte Tor der Laufbahn
Aktuell läuft der mittlerweile 29 Jahre alte Abwehrspieler für Maidstone United, den Jugendklub von Roma-Verteidiger Chris Smalling, auf. Nachdem es bei Dagenham & Redbridge für ihn zuletzt gar nicht gut lief, heuerte er im Sommer bei dem Sechstligisten an. Klares Ziel dabei: die Meisterschaft gewinnen. "Denn das ist mir bisher noch nicht gelungen", wie er Kent Online damals sagte.
Vor drei Wochen erzielte Hoyte das dritte Tor seiner Laufbahn, als er gegen Dulwich Hamlet netzte. Er frohlockte nach dem ungewohnten Erfolgserlebnis: "Ich freue mich, ich kriege nicht viele Gelegenheiten, also ist das für mich ein schöner Moment."
Verbittert oder enttäuscht wegen des Verlaufs seiner Karriere ist Hoyte überhaupt nicht. Er betont, wie sehr er das Fußballspielen nach wie vor genießt. "Ich habe Spaß am Fußball und das ist die Hauptsache. Woche für Woche darf ich spielen, und dann versuche ich, meiner Mannschaft zu helfen."
Was seine 60 Minuten in der Premier League angeht, hat er nicht die Sichtweise, dass es nur 60 Minuten waren. Vielmehr waren es für ihn immerhin 60 Minuten: "Das ist eine meiner schönsten Erinnerungen. Das können nicht viele Menschen von sich behaupten, auch wenn es nur ein Spiel war. Niemand kann mir das nehmen. Es fing mit neun Jahren an, wenn es der Traum jedes Jungen ist, in der Premier League in der ersten Mannschaft aufzulaufen. Ich habe das geschafft."