Daniil Medwedew hat mit einem spektakulären Sieg gegen Titelverteidiger Carlos Alcaraz das Traum-Finale vieler Fans bei den Tennis US Open verhindert und trifft im Endspiel nun auf Topfavorit Novak Djokovic. Der Ex-Sieger aus Russland bezwang den spanischen Jungstar Alcaraz im Halbfinale überraschend mit 7:6, 6:1, 3:6, 6:3. Zuvor hatte sich Djokovic ziemlich souverän mit 6:3, 6:2, 7:6 gegen den Amerikaner Ben Shelton durchgesetzt.
Durch den Sieg in einem hochklassigen Match über 3:19 Stunden erreichte Medwedew sein drittes US-Open-Finale und will in New York den zweiten Grand-Slam-Titel nach 2021. Damals hatte der heute 27-Jährige im Endspiel gegen Djokovic gewonnen, der damit den Triumph bei allen Grand Slams in einem Jahr verpasst hatte. "Die Herausforderung wird sein, einen Typen zu schlagen, der 23 Grand-Slam-Titel hat und ich habe nur einen", sagte Medwedew vor dem Showdown des Turniers.
Djokovic kann am Sonntag seinen vierten US-Open-Titel holen und damit der älteste Champion von New York in der Geschichte des Profitennis werden. "Das sind die Matches in Umgebungen, die mich inspirieren, jeden Tag aufzuwachen und so hart zu arbeiten wie die Jungen", sagte Djokovic. "Ein weiteres Grand-Slam-Finale – ich könnte nicht glücklicher sein." Anders als zuletzt bei der Niederlage in Wimbledon wird es dabei nicht gegen Alcaraz gehen, den er nach dem Turnier als Nummer eins der Weltranglisten ablösen wird.
In seinem 100. US-Open-Match konterte Djokovic erfolgreich die aggressive Spielweise von Shelton und spielte seine Erfahrung aus. Dem 20-jährigen US-Amerikaner glückten zwar spektakuläre Punktgewinne, ihm unterliefen jedoch auch zu viele leichte Fehler. Zudem hatte Djokovic in den entscheidenden Phasen die richtige Antwort, auch wenn er gegen Ende des dritten Durchgangs zeitweise schwächelte. Er kassierte zwei Breaks, musste einen Satzball von Shelton abwehren und behielt im Tiebreak doch die Nerven. Nach 2:40 Stunden verwandelte Djokovic seinen zweiten Matchball.
Danach imitierte der Serbe den typischen Jubel von Shelton. Er hielt sich die rechte Hand mit abgespreiztem Daumen und kleinen Finger ans Ohr und legte das imaginäre Telefon dann auf. "Ich liebe einfach Bens Jubel", sagte Djokovic. "Ich habe gedacht, dass er sehr originell war und ich habe ihn kopiert." US-Medien werteten die Geste so, dass Djokovic seinen Gegner verspotten wollte. "Als ich ein Kind war, habe ich gelernt, dass Nachahmung die ehrlichste Form der Schmeichelei ist", meinte jedoch Shelton.
Im Finale hat Djokovic die Chance, seinen Titelrekord für das Herrentennis auszubauen und zudem mit der Australierin Margaret Court gleichziehen, die die meisten Grand-Slam-Triumphe bei den Damen (24) innehat. Für Djokovic ist es sein 36. Finale bei einem Major, damit liegt er bei den Herren deutlich vor Roger Federer (31.). "Jedes Mal, wenn ich in einem Grand-Slam-Finale stehe, ist das eine weitere Chance, Geschichte zu schreiben, und ich bin mir dessen bewusst. Natürlich bin ich sehr stolz darauf. Aber ich habe nicht viel Zeit und erlaube mir nicht, über diese Dinge nachzudenken", erklärte der 36-Jährige.
Für Medwedew wird es das fünfte Grand-Slam-Endspiel. Im ausgeglichenen ersten Satz zeigten er und Alcaraz Tennis auf höchstem Niveau. Vor mehr als 23.000 Zuschauern, darunter Stars wie Football-Legende Tom Brady, Oscar-Preisträger Jared Leto und Basketball-Hüne Kevin Durant, lieferten sich beide zahlreiche spektakuläre Ballwechsel, die die Fans begeisterten.
Im Tiebreak war Medwedew konstanter. Nach dem Satzverlust wirkte Alcaraz geschockt, kassierte direkt das erste Break der Partie zum 0:2. Medwedew spielte fast perfekt, im kompletten dritten Satz unterliefen dem Russen nur drei leichte Fehler. Doch Alcaraz steckte nicht auf, kämpfte sich zurück in die Partie. Als der Spanier das Break zum 3:1 im dritten Durchgang schaffte, klatschte Stargast Brady begeistert mit seinen Sitznachbarn ab.
Doch Medwedew ließ sich auch durch den Verlust des Satzes nicht aus dem Konzept bringen und verwertete seinen vierten Matchball. "Ich habe vorher gesagt, dass ich (auf dem Niveau) elf von zehn spielen muss – und ich habe zwölf von zehn gespielt", sagte der Russe. "Es war ein tolles Match, ich bin sehr froh, am Sonntag wieder hier zu sein." Alcaraz zeigte sich hingegen ernüchtert. "Ich bin nicht reif genug, um mit dieser Art von Matches umzugehen", sagte der Spanier. "Deshalb muss ich daraus lernen und Lösungen finden. Ich will besser werden, und solche Spiele helfen einem sehr, zu wachsen."