Keine 18 Stunden lagen zwischen dem heroischen Sieg von Dominic Thiem über Laslo Djere im Halbfinale von Kitzbühel und dem ersten Punkt im Endspiel gegen Sebastian Baez. Und das, obwohl das Match aufgrund des Dauerregens in der Gamsstadt mit einer 75-minütigen Verspätung begonnen hatte. Dennoch offenbar eine zu kurze Zeitspanne, um sich vollständig von den Strapazen der kräftezehrenden Woche regenerieren zu können. Der Argentinier ließ Österreichs Tennis-Aushängeschild des vergangenen Jahrzehnts keine Chance, gewann glatt mit 6:3, 6:1 und holte den dritten Titel auf der ATP Tour.

„Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass es anders ausgeht. Aber es war zu stark von Sebastian“, sagte der 29-jährige Lichtenwörther bei der Siegerehrung. „Trotzdem will ich jeden einzigen Sieg und jede Minute vom Turnier mitnehmen. Es war unglaublich.“

Fast drei Jahre ist es her, dass Thiem im November 2020 bei den ATP Finals in London im Endspiel gegen Daniil Medwedew den Kürzeren gezogen hat. Es war seine letzte Finalteilnahme – bis zum gestrigen Samstag. Eine viel zu lange Zeitspanne, da sind sich alle internationalen Tennis-Experten und zumindest die heimischen Fans einig. Eine Zeitspanne, die geprägt war von einer Verletzung, zahlreichen Veränderungen in seinem privaten und beruflichen Umfeld (die zum Teil Hand in Hand gingen), vielen Rückschlägen und einigen Missverständnissen.

Nach dem mit dem Triumph bei den US Open erfolgreichsten Jahr seiner Karriere deutete Ende 2020 alles darauf hin, dass der damals 27-Jährige die Vormachtstellung von Novak Djokovic, Rafael Nadal und Roger Federer beenden oder zumindest erschüttern wird. Doch die Erfolge blieben in den darauffolgenden Jahren nicht nur aufgrund einer durch eine schwere Handgelenksverletzung bedingten Pause aus. Dem Publikumsliebling schien die Motivation, der letzte Biss abhandengekommen zu sein. Lustlose Auftritte bei Turnieren der niedrigeren Kategorien gepaart mit den stets gleich klingenden Durchhalteparolen ließen kritische Stimmen lauter werden. Personalentscheidungen, wie die Bestellung seines Bruders Moritz als Manager, sorgten für Unverständnis.

Doch seitdem Trainer Nicolas Massu vom Deutschen Benjamin Ebrahimzadeh abgelöst wurde, hat man das Gefühl, dass sich Dominic Thiem nicht mit dem Erreichten zufriedengeben, sondern es noch einmal wissen will. Und neben dem Lachen scheint auch die Nervenstärke wieder zurückgekehrt zu sein. Dafür könnte Andreas Marlovits verantwortlich sein. Obwohl Thiem die Notwendigkeit eines Sportpsychologen lange in Abrede gestellt hatte, gehört der gebürtige Burgenländer seit rund zwei Monaten zum Team Thiem.

Ich finde gut, dass ich seit einiger Zeit auch im mentalen Bereich an mir arbeite, und ich merke, dass es mir guttut“, verriet Thiem diese Woche. Gutgetan wird ihm auch die bedingungslose Unterstützung des Publikums in der Gamsstadt haben, das nicht vergessen hat, was der 29-Jährige bereits geleistet hat – und wohl glaubt, dass er noch viel erreichen kann.

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