Es ist ziemlich kompliziert und viele Doppelpaarungen fallen in die Kategorie: Leidtragende. Ein Paradebeispiel: Österreichs aktuell stärkstes Duo Lucas Miedler/Alex Erler ist bei den anstehenden ATP-1000-Turnieren in Toronto und Cincinnati nicht im Hauptfeld vertreten, obwohl sie im "Race nach Turin" an Position 15 stehen.
Die Problematik: Die Einzelspieler nützen den Doppelbewerb, um Spielpraxis zu bekommen. Hinsichtlich des sogenannten Combined-Rankings schauen Doppelspezialisten häufig dumm aus der Wäsche, da aufgrund der strengen Teilnahmebedingungen eben auch das Einzelranking herangezogen wird. Dass der ein oder andere Spieler nach harten Einzelmatches gar nicht mehr antritt, ist keine Seltenheit. Und wer muss es ausbaden? Die spezialisierten Doppelspieler.
"Deshalb werden wir alles dran setzen, um am Ende des Jahres im Race in den Top 13 zu stehen. Dann wären wir in den ersten fünf 1000-Turnieren fix für das Hauptfeld qualifiziert", verdeutlicht Miedler und betont, "dass in dem Fall alles leichter zu planen wäre".
Eine Geschichte wie aus einem Bilderbuch
Das ist mit Verlaub Zukunftsmusik. Für die Topgesetzten ist nun Kitzbühel der Schauplatz. Jener Ort, an dem alles begonnen hat. 2021 erhielt das Duo eine Wildcard und gewann sensationell das Turnier. "Uns wurde die Entscheidung überlassen, wer aus vier Spielern mit wem spielen will und so wurde aus Alex und mir ein Team, auch wenn wir davor noch nie miteinander gespielt haben." Eine Geschichte wie aus einem Bilderbuch. Innerhalb von nur zwei Jahren sind die viermaligen ATP-Sieger an der Weltspitze angelangt.
Während Erler als großgewachsener Spieler schnelle, temporeiche Schläge bevorzugt, legt Miedler mehr Wert auf Platzierung und sein Ballgefühl. "Alex ist der Typ, der sagt, wird schon gut gehen. Ich bin der, der viermal nachdenkt und davon dreimal zu viel. Unsere Gegensätze ziehen sich an, aber es fehlt uns auch nicht an Reibungspunkten. Es gibt Dinge, die mich stören, ihn wieder nicht. Er geht mir mehr auf die Nerven, aber ich reflektiere auch mehr drauf. Aber eigenartig sind wir nicht", verriet der 27-Jährige, der das Erfolgsrezept kennt: "Dass wir so unterschiedlich sind, macht uns irgendwie auch gefährlich", sagt Miedler, der, wenn es ums Redenschwingen geht, den Vortritt vor seinem "Partner" bekommt.
Erler hat Alcaraz eliminiert
Sofern es bei einem Turnier nach Wunsch läuft, bleiben sie ihrer Linie treu. "In der Pizzeria gibt’s für Luci Pizzabrot aglio e olio und für mich Caprese und Pizza Salami. Nichts ändern, ist unsere Devise", so Erler, der übrigens jener Mann gewesen ist, der 2021 bei seinem ATP-Debüt in Kitzbühel Superstar Carlos Alcaraz eliminiert hat. "Im zweiten habe ich ihn schnuppern lassen, im dritten Satz bin ich mit 6:2 drübergefahren", grinst der 25-jährige Tiroler und ergänzt: "Man hat damals schon gesehen, dass er ein unglaubliches Potenzial hat."
Erler hat sich vor einem Jahr entschlossen, sich rein auf das Doppel zu konzentrieren. "Ich war damals 300. und nicht blind im Einzel, aber es ist eine finanzielle Sache und so viel besser, als wenn man auf Platz 300 im Einzel steht. Das jetzt ist unser gemeinsamer Weg, der hoffentlich lang andauern wird."
Die Davis-Cup-Spieler holten sich zuletzt von Julian Knowle – ehemaliger US-Open-Champion im Doppel – den Feinschliff. "Wir müssten alles im Griff haben. Mal schauen, was uns tatsächlich gelingt. Doch nur, weil wir hier als Nummer eins gesetzt sind, heißt das nicht, dass wir auch praktisch die Turnierfavoriten sind. Mit dem Champions Tiebreak kann immer alles passieren."