Das Match hatte sich dramatisch zugespitzt, auch wenn der Gipfel noch in weiter Ferne lag. Nach fast eineinhalb Tagen und knapp vier Stunden Nettospielzeit war die Erstrundenpartie von Dominic Thiem in Wimbledon gegen Stefanos Tsitsipas in einen Bereich vorgedrungen, wo die pure Tennis-Kunst allein längst nicht mehr genügte. Jeder Beobachter des Duells auf Court Nummer zwei spürte, dass selbst die geringste Abweichung von der hochklassigen Linie, auf die sich die beiden Kontrahenten festgelegt hatten, den entscheidenden Unterschied ausmachen konnte. Und es war aus österreichischer Sicht bedauernswerterweise Thiem, dem beim Stande von 7:7 im Match-Tiebreak des fünften Satzes ein gedachter Winner im Netz hängen blieb. Noch einmal bäumte sich der an diesem Mittwoch großartig disponierte Niederösterreicher auf und hätte mit eigenem Aufschlag alles wieder ins Lot bringen können.
Kommentar: Thiem und der Knopf im Kopf
Aber dann fabrizierte der Grieche gegen Thiems Service den Sieg-Schlag zum 10:8 und plötzlich war die Partie vorbei. Sie war am schmalsten Grat auf die Seite von Tsitsipas gekippt, verdient, wie es auch im Falle eines Thiem-Erfolgs gewesen wäre. Die Ungerechtigkeit einer Niederlage hätte auch den anderen getroffen, das schmerzt ganz besonders. Der Aufstieg in Runde zwei hätte den nach wie vor um das große Comeback ringenden Österreicher zu einem mentalen Quantensprung verhelfen können. Ob es die grandiose Leistung allein vermag, bleibt abzuwarten.
"Es war ein tolles Match, aus dem ich erhobenen Hauptes gehe. Es hat mir gezeigt, dass ich noch da bin. Die Qualität war sehr, sehr hoch, der Kampfgeist war richtig, richtig gut", meinte Thiem auf der Pressekonferenz nach seinem Auftritt. "Dieses Spiel hat mir gezeigt, dass ich es noch immer mit den großen Burschen aufnehmen kann. Und es motiviert mich für die kommenden Wochen." Der Niederösterreicher tritt kommende Woche beim Challenger in Salzburg an.
Rabenschwarzer Tag für Österreich
Denn so wurde der rot-weiß-rote Tag im neuerlich vom Regen begossenen Mekka des Weißen Sports endgültig zum schwarzen Mittwoch. Schon zuvor hatten sich Thiems Landsleute samt und sonders verabschiedet. Julia Grabher zog gegen die US-Amerikanerin Danielle Collins mit 4:6, 4:6 den Kürzeren. „Ich bin nicht komplett unzufrieden, die Partie war ausgeglichen“, meinte die Vorarlbergerin. Sebastian Ofner unterlag dem Tschechen Jiri Lehecka glatt 4:6, 4:6, 4:6, wobei der Sieger jeweils Regenpausen konsequent ausnützte. „Er hat mich überhaupt nicht ins Spiel gelassen, ich habe mit meinen Schlägen gekämpft, dann ist gegen so einen Spieler nichts zu holen“, resümierte der Steirer.
Dennis Novak wiederum war der Wucht des kanadischen Aufschlägers Milos Raonic letztlich nicht gewachsen. Nach gewonnenem ersten Satz ging der Österreicher aufgrund fehlender Konstanz in seinen Schlägen mit 7:6, 4:6, 6:7, 1:6 als Verlierer vom Platz. „Ich bin schon enttäuscht. Es war ein gutes Match. Aber es ist mühsam gegen einen zu spielen, der die Aufschläge dauernd so reinpresst“, meinte Novak nach seinem dritten Erstrundenaus in Wimbledon.
Hochspannendes Duell
Thiem hatte sich am Dienstag vor der Regenunterbrechung mit dem Satzgewinn einen Vorteil erarbeitet, doch Tsitsipas ging gestärkt aus der Pause hervor. Im Tiebreak des zweiten Satzes war Thiem chancenlos, und nach dem dritten Satz (2:6) schien alles klar zu sein für den 24-Jährigen. Aber Thiem steigerte sich, fand zurück und schaffte den Satz-Ausgleich. Im Entscheidungsset dominierten die Aufschläger. Tsitsipas gab sehr lange bei eigenem Service keinen einzigen Punkt ab, brachte fast immer den ersten Aufschlag durch. Thiem zeigte ein variantenreiches Tennis mit attraktiven Punktgewinnen. Beide liefen zur Höchstform auf. Dann verhalf der Österreicher seinem Gegenüber mit einem Doppelfehler beim Stand von 5:6 zum ersten Matchball, den er jedoch nervenstark abwehrte. Schließlich kam es zum nervenzermürbenden Schlagabtausch im finalen Tiebreak.
Der Regen, der schon am Dienstag einen Großteil des Programms weggespült hatte, war auch am Mittwoch zunächst der Hauptdarsteller auf dem Areal. Nach stundenlangem Warten konnten schließlich auch die dem Wetter schutzlos ausgelieferten Plätze (alle außer Centre Court und Court Nummer eins) bespielt werden. Novak Djokovic, der nach seinen Erfolgen in Australien und in Paris nach wie vor auf Grand-Slam-Kurs unterwegs ist, steht bereits in Runde drei. Der hinter Carlos Alcaraz als Nummer zwei gesetzte Serbe setzte sich gegen den Australier Jordan Thompson in 2:28 Stunden 6:3, 7:6, 7:5 durch.