Eine Bilanz von 1:7-Niederlagen ist an Dominic Thiem nicht spurlos vorübergegangen. Für den 29-jährigen Niederösterreicher war die Südamerika-Tour mit nur einem Sieg in drei Turnieren ein Flop. Bei seinem ersten Auftritt in Chile musste sich Thiem am Dienstag (Ortszeit) auch in Santiago, im Duell zweier Wildcard-Spieler, Lokalmatador Cristian Garin mit 2:6,6:7(2) beugen. Thiem sprach danach erstmals von mentalen Problemen auf dem Platz. Nun geht es für ihn nach Indian Wells.
Nach seinem Zweitrunden-Aus in Argentinien und der Auftakt-Niederlage in Rio musste sich Thiem also auch beim dritten Sandplatz-Turnier in Folge sehr früh verabschieden. Seine Krise hat sich zu einem handfesten Problem entwickelt. Inklusive Davis-Cup und Qualifikation in Adelaide hat er 2023 nur ein Match in acht Partien gewonnen. Für den Ex-US-Open-Sieger, der am Montag aus Top 100 fallen wird, wäre in Südamerika eigentlich fleißiges Punktesammeln angesagt gewesen. Sein ursprüngliches Ziel, sich bis zu den French Open wieder einen Platz in der Gesetztenliste (Top 32) zu erspielen, ist aktuell in weiter Ferne. Dazu braucht Thiem eine Leistungsexplosion, womöglich bei einem großen Turnier.
Seinen nächsten Einsatz hat Thiem nun ausgerechnet in Indian Wells. Dort hat er 2019 sein bisher einziges Masters-1000-Turnier gewonnen, dieses Jahr ist er dank einer weiteren Wildcard dabei. Es könnte die letzte außerhalb Österreichs für lange Zeit gewesen sein.
Thiem war bei der anschließenden Pressekonferenz zunächst noch eher zurückhaltend, ehe er tiefer blicken ließ. "Es ist ein tolles Turnier, ich hatte eine großartige Zeit hier und auch das Publikum war sehr gut. Offensichtlich war mein Niveau heute nicht gut genug. Ich muss weiterarbeiten und mich auf Indian Wells fokussieren", meinte der hörbar verkühlte Ex-Weltranglistendritte.
Genauer nachgefragt, wurde er konkreter. "Ich konnte mich nicht wirklich fokussieren, viele Dinge waren nicht gut. Das hat auch viel mit mentalen Dingen zu tun, weil vom Tennis her spiele ich gut, auch im Training", sagte der 17-fache ATP-Turniersieger und fügte hinzu. "Aber sobald ich auf den Platz gehe, tauchen viele mentale Probleme auf, die ich derzeit einfach nicht lösen kann. Aber ich arbeite daran, ich arbeite an vielen Dingen, um wieder den richtigen Weg zu finden."
Ja, die Bedingungen in der chilenischen Hauptstadt sind mit der Höhenlage und sehr trockenem Wetter ganz anderes als in Rio auf Meereshöhe und schwülem Wetter. Diese Ausrede suchte Thiem aber gar nicht. "Der Körper hat sich gut angefühlt." Die Niederlage ändere nichts. "Es ist nur eine Niederlage, ich muss mit der Situation umgehen. Der Fokus ist nicht da, wo er sein sollte. Ich habe diese Probleme nun schon eine ganze Weile. Ich werde versuchen, in Indian Wells besser zu sein", hoffte der frühere Weltranglistendritte, der am Montag prognostiziert aus den Top 100 fallen wird.
Von chilenischen Journalisten nach der Spielstärke seines Gegners befragt, sprach Thiem Klartext. "Ich bin ehrlich, er hat gut gespielt, aber ich habe es ihm sehr einfach gemacht. Ich war nicht aggressiv genug, ich war zu kurz (in meinen Schlägen) und ich war zu langsam, dann hat er natürlich das Level, um gut auszusehen", sagte Thiem selbstkritisch. "Wenn ich so spiele, werden viele Spieler gut gegen mich aussehen. Ich war keine schwere Aufgabe für ihn."
Das hatte auf dem Platz zuvor so ausgesehen: Thiem gab im Auftakt-Game sein Spiel gleich zu null ab und später zum 2:5 ein weiteres Mal. Im zweiten Durchgang wehrte er bei 2:2 und 3:3 insgesamt fünf Breakbälle ab und dann bei 5:5 einen weiteren, ehe es ins Tiebreak ging. In diesem geriet er rasch 0:4 in Rückstand und Garin nutzte Matchball Nummer zwei. Thiem hatte im gesamten Match übrigens keinen einzigen Breakball.
Auf dem Scheideweg
An seinen total verpatzten Saisonstart habe er auf dem Platz nicht gedacht, versicherte der Lichtenwörther. "Ich versuche sehr präsent zu sein, aber es gibt zu viele Up and Downs auch mental, wenn ich auf den Platz gehe", wiederholte er. "Ich kann nur daran arbeiten und mir eine weitere Chance in Indian Wells geben."
Inwiefern eine Erneuerung oder eine Erweiterung seines Teams zur Diskussion steht, ist offen. Das Management hat Thiem ja vor Kurzem an seinen Bruder Moritz übergeben. Teils harsche Kritik an ihm und auch seinem Coach Nicolas Massu, der ihn seit fast vier Jahren betreut, war zuletzt in diversen österreichischen Medien aufgekommen. Aussagen wie "es ist, wie es ist" nach seinem Aus in Rio waren nicht so gut angekommen. Der vierfache Major-Finalist steht auf jeden Fall am Scheideweg. Der Druck auch in Sachen Weltrangliste steigt, denn verbessert er sich nicht, wäre er weiterhin auf Wildcards angewiesen.