Wenn man in tennisaffinen Kreisen über die aktive Karriere von Goran Ivanisevic spricht, fallen mit großer Wahrscheinlichkeit zwei Charakterisierungen: Kanonenaufschläger und Heißsporn. Erstere verdankt der Kroate einem Rekord, der bis heute seine Gültigkeit hat: 1477 Asse gelangen dem 193 cm großem Linkshänder innerhalb eines Kalenderjahres. Eine Leistung, die ihm auch den wenig kreativen Spitznamen "Herr der Asse" eintrug. Für zweitere ist eine weit weniger hohe Zahl verantwortlich: Drei Rackets zertrümmerte der damals 29-Jährige im Jahr 2000 beim Turnier von Brighton, was ihn mangels eines weiteren Spielgeräts zur Aufgabe zwang. "Ivanisevic attackierte den Betonplatz wie ein arbeitswütiger Straßenbauer", beschrieb der "Independent" seinerzeit den Tobsuchtsanfall, den der Mann aus Split Jahre später mit einer gehörigen Portion Humor kommentierte: "Wenn jemand so ein Talent hat wie ich, kann er seinen Schläger auf jedem Belag zerstören – ich kann es sogar auf Wasser."

Heute sieht man von dem 51-Jährigen keine Ausraster mehr, und wenn, sind es positive. Und zwar dann, wenn sein Schützling Novak Djokovic so wie am gestrigen Sonntag einen Rekord nach dem anderen ein- bzw. aufstellt. Selbst wenn der seltene Fall eintritt, dass der serbische Ausnahmespieler kurz seinem Frust freien Lauf lässt, sitzt der Wimbledonsieger von 2001, der drei Jahre nach seinem einzigen Grand-Slam-Titel seine Spielerkarriere beendete, stoisch in der Betreuerbox und nickt maximal aufmunternd.

Vermutlich ist diese Ruhe eine der Gründe, warum Ivanisevic als Trainer schon jetzt mehr Erfolge feiern konnte, als in seiner Karriere als Aktiver. 2014 coachte der Vater dreier Kinder seinen Landsmann Marin Cilic zum US-Open-Erfolg, seit Wimbledon 2019 gehört er zum Team der alten und neuen Nummer eins – und gemeinsam feierten sie sieben Major-Siege. Und Ivanisevic verspricht: "Solange Novak spielt, habe ich keine Zweifel, dass es mehr davon geben wird."