Das Jahr hat für Sie als Trainer offenkundig gut begonnen. Ihr Schützling Dennis Novak gewann acht Spiele in Serie, holte dabei in Thailand einen Turniersieg und zog einmal ins Halbfinale ein. Sie können zufrieden sein, oder?
GÜNTER BRESNIK: Es ist ein sehr guter Jahresbeginn für ihn. Natürlich ist man jetzt angefressen, weil er Freitagfrüh sein Match gegen Arthur Cazaux unnötig verloren hat, aber jede Serie geht einmal zu Ende. Er hat sich in letzter Zeit körperlich extrem verbessert und spielerisch voll entsprochen. Auf Challenger-Ebene ist Dennis sowieso immer für einen Turniersieg gut.
Heimische Tennis-Fans hätten Novak in dieser Form gerne in der Qualifikation für die Australian Open gesehen. Wie kam es zu der Entscheidung, stattdessen in Thailand Challenger zu spielen?
Ich habe ihm die Möglichkeiten aufgezeigt, die es gab und in weiterer Folge haben wir die Vor- und Nachteile abgewogen. Dann hat er sich für diesen Weg entschieden. Die Australian Open sind aufgrund des Preisgelds immer verlockend, aber die Anreise muss sehr früh erfolgen, weil sie anstrengend ist und man Zeit braucht, um sich zu akklimatisieren. Zum Glück war es im Nachhinein gesehen die richtige Entscheidung.
Mit Julia Grabher haben Sie ohnehin ein Eisen im Feuer. Für sie ist es das Debüt in einem Hauptbewerb - was trauen Sie ihr zu?
Auch wenn für sie nichts unmöglich ist, wird es ganz kompliziert, weil sie mit Anett Kontaveit ein ganz schweres Los zum Auftakt erwischt hat. Man darf nicht vergessen, dass die Estin vor rund einem halben Jahr noch die Nummer zwei der Welt war und im Gegensatz zu Julia eine ausgezeichnete Hartplatzspielerin ist. Diesen Belag hat Julia immer gemieden wie der Teufel das Weihwasser. Aber fast unlösbare Aufgaben gehören zu dem Weg, den Julia jetzt gehen muss, einfach dazu. Hoffentlich wird sie in Zukunft regelmäßig gegen solche Kaliber spielen müssen bzw. dürfen. Für Melbourne erwarte ich mir, dass sie zeigt, wie gut sie spielen kann und langfristig, dass sie sich in den Top 100 etabliert.
Was geben Sie ihr für den großen Auftritt mit?
Ich glaube, man jemanden auf so eine Situation nicht wirklich vorbereiten. Die üblichen Sprüche wie "Es ist ein Tennisplatz wie jeder andere" oder "es ist ein Turnier wie jedes andere" stimmen und funktionieren einfach nicht. Ich bin gespannt, wie sie damit umgehen wird. Ich glaube aber, sie ist gefestigt genug und ihr Können groß genug, dass ihr Spiel nicht aufgrund der Umstände kollabieren wird. Aber diesen Beweis muss sie antreten. Durch diese Situation muss jeder für sich durch. Schade ist nur, dass sie früher nicht richtig gut trainiert hat und somit nicht mit 21, 22 Jahren schon in dieser Situation war, sondern erst jetzt, mit 26. Denn dann wären diese Situationen bereits Routine. Jetzt muss sie es schneller lernen.
Wenn man den Werdegang Grabhers betrachtet, ging ihr Weg seit 2014 nach oben, stetig, aber auch langsam. Erst im vergangenen Jahr gelang ihr der große Durchbruch. Ihre Erklärung?
Wenn ich jetzt deppert wäre, würde ich den Durchbruch auf mich zurückführen. Aber im Ernst: Julias größte Qualitäten sind Einsatz, Wille und Eifer. Aufgrund ihres hohen Trainingspensums hat sie ihre Schwachstellen, Aufschlag und Rückhand, extrem verbessert. Dadurch kamen Erfolgserlebnisse und mit denen das Selbstvertrauen. Sie ist einfach bereit, den harten Weg zu gehen. Ein Beispiel: Nach ihrem Ausscheiden in Auckland hab ich sie noch nach Hobart geschickt, wo sie in der Nacht angekommen ist, nichts geschlafen hat und dann am nächsten Tag in der Quali "Prügel" bezogen hat. Manche werden vielleicht sagen, "der ist verrückt, der verheizt die", aber ich behaupte, dadurch bekommt sie die sogenannte Matchhärte – und sie macht es, weil sie nie die angenehmere Option wählt.
Sie trainieren jetzt seit drei Jahren mit ihr und sie wurde Österreichs Nummer eins. Fühlen Sie Genugtuung oder Stolz?
Ich bin jetzt über 60 Jahre alt und mache diesen Job seit 35 – und so vermessen bin ich – mit durchgehendem Erfolg. Ich weiß also, dass ich das kann, deswegen spielen Stolz oder Genugtuung keine Rolle mehr. Ich freue mich mittlerweile viel mehr für meine Schützlinge und deren Familien, die neben Geld vor allem viel Herz, Zeit und Energie investieren. Ihr Erfolg beruhigt nur mein Gewissen, weil ich dann die Versprechen, die ich ihnen gegeben habe, einhalten konnte.
Betrachtet man das Damentennis im Allgemeinen, hat man das Gefühl, dass seit dem Karriereende von Serena Williams eine Ausnahmeerscheinung fehlt. Trügt der Eindruck?
Nein, das ist schon richtig, da besteht ein Mangel. Bei beiden Williams-Schwestern, auch bei Venus, war der Hype schon groß, bevor sie erfolgreich waren. Da hat die Geschichte dahinter perfekt gepasst: die Hautfarbe, der Vater als Trainer, die Herkunft aus armen Verhältnissen. Damit kann Iga Swiatek nicht aufwarten, aber sie spielt fantastisch und ich schaue ihr sehr gerne zu. Coco Gauff und Emma Raducanu haben Starpotenzial, aber Letztere hat nach ihrem Sieg bei den US Open 2021 leider viele Fehler gemacht, was ihren Betreuerstab betrifft. Und egal ob Frauen- oder Herren-Tennis: Die, die diesen Sport führen könnten, gehören umfangreicher ausgebildet. Da reicht gutes Tennis nicht. Man muss rhetorisch gut sein und sich gerne in der Öffentlichkeit präsentieren.
Bei den Herren besteht da aber dank Carlos Alcaraz, Holger Rune, Stefanos Tsitsipas oder Nick Kyrgios kein Mangel, wenn Novak Djokovic und Rafael Nadal Roger Federer in die Pension folgen, oder?
Das stimmt zum Teil, Alcaraz etwa hat die besten Voraussetzungen, ein Weltstar zu werden. Ob er aber die Fähigkeiten besitzt, einen Sport über Jahre in der Öffentlichkeit zu führen, muss er erst zeigen. Für mich – und da wiederhole ich mich gerne – waren Dominic Thiem und Alexander Zverev prädestiniert dafür, die Tennis-Leithammeln zu werden. Das ist bedauerlicherweise aufgrund von Verletzungen und privaten Problemen ins Stocken geraten.
Apropos Thiem: Seine Verletzung ist jetzt mehr als eineinhalb Jahre her, er konnte die komplette Vorbereitung machen. Ist die heurige Saison nicht richtungsweisend?
Ich habe gar keinen Kontakt zu ihm und kann diesbezüglich wenig sagen. Aber eine Handgelenksverletzung ist wie für einen Klavierspieler extrem schlimm. Mir hat er schon in der Wiener Stadthalle Ende Oktober gut gefallen. Dominic braucht immer ein bisschen länger, bis er in Schwung kommt und er trifft zum Auftakt auf Andrej Rublew. Kein leichtes Los, aber auch nicht für Rublew. Und wenn Dominic zwei, drei Runden übersteht, gehört er für mich weiterhin zu den zehn besten Tennisspielern der Welt.