"If you can make it there, you’ll make it everywhere." Die Textzeile aus Frank Sinatras Hymne an New York gilt auch im Tennis: Wenn du es hier schaffst, dann kannst du es überall schaffen. Am Sonntag (ab 22 Uhr/ServusTV und Eurosport live) stehen einander im größten Tennisstadion der Welt zwei Spieler gegenüber, die es mit einem Sieg im wahrsten Sinne des Wortes schaffen können: Denn das Endspiel zwischen dem Norweger Casper Ruud und dem Spanier Carlos Alcaraz ist nichts weniger als das Duell um den Sieg bei den US Open und um die Position des Weltranglistenersten – wer siegt, steigt erstmals auf den Tennis-Thron.

Extrawürze für die Partie im Arthur Ashe Stadium, der mit 29.000 Fans größten Tennisarena der Welt. Es gibt keine würdigere Bühne, um sich die Nummer eins der Welt auszuspielen. Als "Draufgabe" winken beiden Akteuren Rekorde: Alcaraz, gerade 19 Jahre jung, wäre die jüngste Nummer eins aller Zeiten – bisher ist das Lleyton Hewitt, der 2001 mit 20 Jahren Nummer eins wurde. Ruud wiederum wäre der erste Norweger am Tennis-Thron.

Klar ist aber: Die Favoritenrolle liegt beim jüngeren Alcaraz, der die bisherigen zwei Duelle gegen Ruud ohne Satzverlust gewonnen hat. Zuletzt holte er sich in diesem Jahr im Finale von Miami gegen Ruud seinen ersten Titel bei einem ATP-1000-Turnier – schon das eine historische Leistung. Doch Ruud zu unterschätzen, wäre ein großer Fehler. Der Norweger, ob seiner stoischen Ruhe auf dem Platz auch als "neuer Mats Wilander" tituliert, bewies in seinem Halbfinale gegen den Russen Karen Chatschanow, wie zäh er ist: Der Satzball im ersten Satz entwickelte sich zur Marathon-Rallye, erst der 55. Schlag brachte die Entscheidung, die peitschende Vorhand brachte Chatschanow nicht mehr zurück. 7:6 (5), 6:2, 5:7, 6:2 hieß es am Ende für den 23-Jährigen, der im Vorjahr in Kitzbühel triumphiert und damit damals seinen dritten Turniersieg in drei Wochen gefeiert hatte.

Alcaraz hatte da im Anschluss, wie schon im Halbfinale beim erst kurz vor drei Uhr beendeten Rekordmatch gegen Jannik Sinner, härter zu kämpfen: Auch gegen den US-Amerikaner Frances Tiafoe musste er beim 6:7, 6:3, 6:1, 6:7, 6:3 über die volle Distanz gehen.


Klar ist auch, dass die US Open ein weiteres Mal für eine Zeitenwende sorgen werden. Schon das Halbfinale war das erste seit 1881, in dem nur Spieler standen, die noch nie davor so weit im Turnier gekommen waren. Und: 1881 wurden die US Open erstmals ausgetragen. Der Sieger von New York wird jedenfalls erstmals ein Grand Slam für sich entscheiden – für Alcaraz ist es dazu das erste Finale auf dieser Ebene, Ruud stand heuer schon im Endspiel von Paris – da war das große Vorbild von Alcaraz eine Nummer zu groß: Rafael Nadal.


"Es wäre nur fair, wenn wir beide im Endspiel um die Nummer eins stehen würden", hatte Ruud nach seinem Halbfinalsieg noch fair gemeint, aber dann auch versprochen: "Ich weiß, dass ich bisher gegen ihn verloren habe. Aber es ist an der Zeit, Revanche zu nehmen."

Der Spanier hat im Endspiel nach den Marathons den Vorteil, diesmal nicht das ganze Stadion gegen sich zu haben. An die Chance, auch die Nummer eins zu werden, will er gar nicht denken. "Es ist nah dran – und dennoch wirkt es so weit weg", meinte er nach dem Halbfinalsieg, "aber ein Grand-Slam-Finale und die Nummer eins der Welt. Das ist jedenfalls etwas, von dem man als Kind träumt – auch ich. Ich werde versuchen, den Moment zu genießen."

Für seinen Trainer Carlos Ferrero, 2003 selbst für sieben Wochen die Nummer eins der Welt, ist Alcaraz (zusammen mit Sinner) aber so oder so der kommende Mann. Nicht nur, weil er in der Lage ist, unglaubliche Schläge in brenzligen Situationen auszupacken, diese "Hot Shots" trainierten die beiden sogar. Sondern: "Er hat einen speziellen Weg, sich mit den Fans zu verbinden. Die Art, wie er immer alles gibt, die Intensität, mit der er spielt, begeistern. Er kann so viel auf dem Platz – das unterhält die Leute."

Beste Voraussetzungen für die Showbühne in New York. Es stimmt wohl: If he can make it there, he’ll make it everywhere!