Nichts ist es aus dem zweiten Major-Halbfinale in Folge für Wimbledon-Finalist Nick Kyrgios geworden. Der polarisierende Australier verlor am Dienstag nach seinem Sieg über den topgesetzten Daniil Medwedew gegen einen anderen Russen. Nach 3:39 Stunden unterlag Kyrgios dem 26-jährigen Karen Chatschanow in einem Fünf-Satz-Krimi mit 5:7, 6:4, 5:7, 7:6(3), 4:6. Chatschanow trifft in seinem ersten Major-Halbfinale am Freitag auf den Norweger Casper Ruud.
Nach dem Matchball gratulierte Kyrgios erst seinem Kontrahenten, um sich dann einmal mehr danebenzubenehmen. Voller Wut zerschlug er zwei Schläger auf dem Hartplatz, um dann den Court zu verlassen. Der 27-Jährige aus Canberra war auch auf der anschließenden Pressekonferenz am Boden zerstört. "Es fühlt sich an, als hätte ich entweder alles gewinnen sollen oder nichts, als hätte ich bei diesem Turnier versagt." Sein erster Major-Titel sei das Ziel gewesen. "Ich denke, so ziemlich jedes andere Turnier während des Jahres ist Zeitverschwendung. Man sollte nur bei den Grand Slams spielen, daran können sich die Leute erinnern", ließ er wieder einmal aufhorchen.
Naturgemäß in ganz anderer Stimmung war Chatschanow nach seinem ersten Vorstoß in die Vorschlussrunde eines der vier großen Tennis-Events. "Ich bin wirklich stolz auf mich. Ich war von Anfang bis zum Ende richtig fokussiert. Wir haben fast vier Stunden gespielt und das ist die einzige Möglichkeit, Nick zu schlagen, denk ich."
Zuvor hatte Ruud am verregneten Dienstag mit einer starken Leistung als erster Norweger das US-Open-Halbfinale erreicht. Der 23-Jährige besiegte unter geschlossenem Dach in der größten Tennis-Arena der Welt den Italiener Matteo Berrettini mit 6:1,6:4,7:6(4) und kürte sich damit vorerst einmal zumindest zur Nummer zwei der Welt.
"So gut bin ich noch nie in ein Match gestartet", meinte Ruud noch auf dem Court. Er habe sich dann selbst ein bisschen beruhigen müssen. "Manchmal kann man dann ein bisschen zu enthusiastisch werden und glauben, man könne auf Wasser gehen."
Der Roland-Garros-Finalist dieses Jahres aus Oslo hat es nun auch in der Hand, nach dieser Woche sogar auf den Tennis-Thron zu klettern. Denn nach dem Ausscheiden Medwedews könnte ihm der Finaleinzug in New York reichen. Sollte dies auch Carlos Alcaraz (ESP) gelingen, dann muss er den Titel holen. "Natürlich ist das ein bisschen mehr Motivation. Ich versuche das natürlich zu schaffen."
Verfehlen sowohl Ruud als auch Alcaraz das Endspiel, dann kehrt der im Achtelfinale gescheiterte Rafael Nadal auf Platz eins zurück. Ruud hat gegen Chatschanow das bisher einzige Duell 2020 in Rom in drei Sätzen gewonnen.
Auch bei den Frauen steht die erste Halbfinal-Paarung fest: Wimbledon-Finalistin Ons Jabeur bekommt es am Donnerstag mit Carolina Garcia zu tun. Die Französin Garcia zeigte beim 6:3,6:4 gegen US-Jungstar Coco Gauff (18) eine starke Leistung. Die Tunesierin Jabeur setzte sich mit 6:4,7:6(4) gegen Ajla Tomljanovic aus Australien durch, die in der dritten Runde Serena Williams aus dem Wettbewerb geworfen hatte. Der Schwanen-Gesang von Williams in deren wohl letztem Profimatch hat in der 43-jährigen Geschichte des US-Sportsenders ESPN übrigens alle Rekorde gebrochen: 4,8 Mio. Zuseher Durchschnitt bzw. bis zu 6,9 Millionen Spitze.
Willliams' mögliche Nachfolgerin als US-Tennis-Aushängeschild, Coco Gauff, muss auf die ganz großen Erfolge noch warten. "Ich habe nicht das Level gespielt, das ich für einen Sieg gebraucht hätte", sagte Gauff, die dennoch sehr zufrieden auf das Turnier zurückblickte: "Insgesamt bin ich super-stolz auf mich. Aber ich bin auch hungrig auf mehr." Ihr Aufwärtstrend bestätigt sich aber mit dem erstmaligen Einzug in die Top Ten am Montag.
An ihrer Stelle kämpft nun die wieder erstarkte Garcia um den Finaleinzug. Sie kam im Mai nach einer Fußverletzung auf die Tour zurück und hat seither auf drei verschiedenen Belägen (Warschau/Sand, Bad Homburg/Rasen und zuletzt Cincinnati/Hartplatz) Titel geholt. "Ich habe immer sehr aggressiv gespielt. Auch wenn ich nervös bin oder es nicht so fühle, ist das der Weg mich zu verbessern", sagte die 28-Jährige.
Ihre nächste Gegnerin hatte einige starke Frustmomente gegen Tomljanovic gehabt, ehe Ons Jabeur als erste arabische Spielerin das US-Open-Halbfinale erreichte. Nach unerzwungenen Fehlern schmiss die Tunesierin mehrmals den Schläger weg. "Ich glaube, ich werde von meinem Job 'Ministerin der Glückseligkeit' gefeuert werden", sagte Jabeur zum Publikum. Ein Ruf, den sie sich zuvor erarbeitet hatte. "Tennis ist ein harter Sport und ich entschuldige mich für mein Benehmen..., aber das Racket ist mir immer wieder aus der Hand gerutscht." Im Head-to-Head mit Garcia führt Jabeur übrigens 2:0.