Der Spanier Rafael Nadal hat am Sonntag das Kunststück zuwege gebracht und sich mit dem Sieg bei den Australian Open auch den Rekord an Major-Triumphen gesichert. Trotz 0:2-Satzrückstands gegen den 25-jährigen Russen Daniil Medwedew feierte der 35-Jährige einen denkwürdigen 2:6, 6:7(5), 6:4, 6:4, 7:5-Erfolg und jubelte just nach langer Verletzungspause zum 21. Mal über den Titel bei einem Grand-Slam-Turnier. Er übertraf damit Novak Djokovic und Roger Federer.
"Es ist eines meiner emotionalsten Matches in meiner Tennis-Karriere - und diesen Moment mit dir zu teilen, das ist eine Ehre für mich", sagte Nadal sichtlich bewegt und drehte sich immer wieder zu Medwedew um. "Das wird unvergessen und für den Rest des Lebens in meinem Herzen bleiben", versicherte Nadal, der große Kämpfer, und erinnerte auch an harte Zeiten der Ungewissheit: "Um ehrlich zu sein: Vor eineinhalb Monaten wusste ich nicht, ob ich auf die Tour zurückkommen kann - und nun bin ich hier und habe diese Trophäe."
"Der Stier von Manacor" überholte nicht nur den 40-jährigen Federer, der nach einer Knie-Operation in Australien fehlte und erst im Sommer wieder auf die Tour zurückkehren will. Er setzte sich in der Rangliste an Major-Titeln auch vor Djokovic, der sich nach der Aufsehen erregenden Einreise-Posse und seiner Impfunwilligkeit vor Turnierbeginn selbst aus dem Spiel genommen hatte. Nadal, der im Herbst 2021 aufgrund einer langwierigen Fußverletzung schon ans Aufhören dachte, nützte die Gelegenheit bravourös.
Im letzten Match des Turniers war es am Ende egal, dass Nadal in den ersten beiden Sätzen zu viele unerzwungene Fehler unterliefen. Medwedew sah zunächst lange wie der bessere Spieler aus. Es schien, als könne er wieder einem der Stars der Tennis-Szene die Show verderben. Erst vor gut vier Monaten hatte Medwedew bei den US Open in New York den Weg von Djokovic zum 21. Titel und historischen Grand Slam mit allen vier großen Titeln in einem Jahr verhindert. Cool und defensivstark trotzte der Russe in der Rod-Laver-Arena lange der Atmosphäre, denn die Sympathien waren klar aufseiten Nadals.
Im zweiten Satz störte kurzzeitig eine gegen Australiens Flüchtlingspolitik protestierende Person auf dem Platz die Partie, wurde aber schnell von Sicherheitsleuten gestoppt. Daran lag es nicht, dass Nadal trotz einer 5:3-Führung nicht den Satzausgleich schaffte. Auch wenn der Spanier nach eigenen Worten sein Glück nicht vom Grand-Slam-Rekord abhängig machen wollte, spielte die Bedeutung des Matches womöglich eine Rolle.
Ab Ende des dritten Satzes drehte Nadal auf und erzeugte mehr Power. Medwedew wich dagegen ein wenig von seiner Linie ab und verlor auch seine Abgebrühtheit. Zwischenzeitlich diskutierte der Russe auch mit dem Schiedsrichter John Blom über durch Rufe störende Zuschauer und ließ sich am Oberschenkel behandeln. Schon das US-Open-Finale 2019 hatte sich zwischen den beiden zu einem spannenden Duell über fünf Sätze entwickelt, damals hatte Nadal mit zwei Sätzen geführt und am Ende erst im entscheidenden Satz gewonnen.
Diesmal ging der australische Stuhlschiedsrichter der Forderung Medwedews zu Beginn des fünften Satzes nach: Er ermahnte die Zuschauer, nicht zwischen dem ersten und zweiten Aufschlag zu stören, sonst müsse er die Security rufen. Die Zuschauer, sein Wille und seine mentale Stärke trugen Nadal schließlich zum denkwürdigen Sieg.
Den erkannte schließlich auch Medwedew an. "Was du heute geleistet hast, hat mich in Erstaunen versetzt", sagte der Russe, nachdem er seinen zweiten Major-Titel nach den US Open im Vorjahr noch aus der Hand gegeben hatte. "Du bist ein fantastischer Champion. Gratulation, es war unglaublich."
Einen 0:2-Satzrückstand hatte Nadal in den vergangenen 15 Jahren nur einmal auf den Kopf gestellt: 2007 im Wimbledon-Achtelfinale gegen den Russen Michail Juschny. Die Wiederholung sicherte dem Sandplatzspezialisten nach Finalniederlagen 2012, 2014, 2017 und 2019 den erst zweiten Sieg auf dem Hardcourt der Australian Open. 2009 hatte er im Endspiel "Down Under" Federer besiegt.
Der ließ mit einer Reaktion nicht lange warten. "Herzliche Gratulation, dass du der erste Mann bist, der 21 Grand-Slam-Titel gewinnt", schrieb der Schweizer auf Instagram in Richtung Nadal. "Vor ein paar Monaten haben wir noch Witze gemacht über uns, wie wir beide auf Krücken gingen. Fantastisch. Unterschätze nie einen großen Champion."
Nadals unglaublicher Arbeitsethos, seine Hingabe und sein Kampfgeist seien eine Inspiration für ihn und für viele andere auf der Welt, meinte Federer. "Ich bin stolz, diese Ära mit dir teilen zu dürfen und fühle mich geehrt, dazu beizutragen, damit du noch mehr erreichst. Wie du es für mich in den letzten 18 Jahren getan hast. Ich bin überzeugt, dass du noch mehr Erfolge feiern kannst, aber genieße zuerst diesen."
Auch Djokovic, der sich so sehr seinen zehnten Sieg in Melbourne und damit den alleinigen Grand-Slam-Rekord erhofft hatte, aber letztlich ungeimpft per Gerichtsentscheid wieder ausreisen musste, zollte seinen Respekt: "Fantastische Leistung", ließ der 34-Jährige via Twitter wissen. "Immer beeindruckender Kampfgeist, der sich ein weiteres Mal durchgesetzt hat."
Die meisten seiner Grand-Slam-Titel hat Nadal mit Abstand in Paris geholt (13), es folgen die US Open (4) sowie Wimbledon und Australien (je 2). Gemeinsam mit Djokovic, Rod Laver und Roy Emerson ist der Mann aus Mallorca der einzige, der jedes der vier Major-Turniere zumindest zweimal gewinnen konnte.