Daniil Medwedew hat sich das Aus vor Augen ins Halbfinale der Australian Open vorgekämpft. Im Duell mit dem Kanadier Felix Auger-Aliassime lag der Russe am Mittwoch mit 0:2 im Hintertreffen und wehrte einen Matchball seines Gegners ab, ehe er sich in fünf Sätzen mit 6:7(4),3:6,7:6(2),7:5,6:4 durchsetzte. Der US-Open-Champion trifft im Halbfinale am Freitag nun auf Stefanos Tsitsipas. Der Grieche bezwang den Italiener Jannik Sinner souverän 6:3,6:4,6:2.
Bei den Frauen hat Iga Swiatek gut 15 Monate nach ihrem French-Open-Titel die Chance auf ihr zweites Grand-Slam-Endspiel. Mit dem umkämpften 4:6,7:6 (2),6:3 beendete die Top-Ten-Spielerin aus Polen im Viertelfinale die überraschende Siegesserie der Estin Kaia Kanepi. Nach 3:01 Stunden verwandelte Swiatek ihren zweiten Matchball und zog erstmals ins Halbfinale der Australian Open ein. Swiatek spielt nun am Donnerstag gegen die US-Amerikanerin Danielle Collins um das Erreichen des Endspiels.
Medwedews Sieg hing an einem dünnen Faden. Im vierten Satz erspielte sich Auger-Aliassime beim Stand von 5:4 einen Matchball. Medwedew wehrte diesen mit einem harten, platzierten Aufschlag ab – und brach damit erstmals den Widerstand des Gegners. Der 25-jährige Russe gewann die nächsten drei Games und sechs der nächsten sieben Spiele. Im Entscheidungssatz stand sein Erfolg aber wieder an der Kippe. Der am Knöchel angeschlagene Auger-Aliassime ließ beim Stand von 4:5 aus seiner Sicht zwei Breakbälle ungenutzt, Medwedew machte drei Punkte in Serie.
"Ich habe nicht mein bestes Tennis gezeigt, er hat unglaublich gespielt, unglaublich serviert. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich weiß nicht, ob es die Leute hören wollen, aber ich habe mir gedacht: Was würde Novak (Djokovic) tun? Oder Rafa (Nadal) oder Roger (Federer)", sagte Medwedew im Siegerinterview auf dem Court. "Ich dachte mir: Okay, ich werde bis zum letzten Punkt kämpfen."
Neuauflage des Vorjahres-Semifinals
Am Freitag kommt es zwischen Medwedew und Tsitsipas zur Neuauflage des letztjährigen Halbfinales, das Medwedew damals gegen einen übermüdeten Gegner problemlos gewann. Diesmal sind die Voraussetzungen umgekehrt, denn Medwedew stand im Viertelfinale mehr als doppelt so lange wie Tsitsipas auf dem Platz.
Dieser trat gegen Sinner kompromisslos auf und hatte gegen den 20-jährigen Weltranglistenzehnten stets die bessere Antwort parat. Zu Beginn des zweiten Satzes fing es zu regnen an, die beiden Rivalen flüchteten unter den Sonnenschutz ihrer Bank und versuchten, die Konzentration zu wahren, während sich das Dach Stück für Stück zuschob. Tsitsipas hatte zuvor gerade das Break zum 2:1 geschafft und war damit wie im ersten Durchgang früh in Führung gegangen.
Anders als zwei Tage zuvor im Achtelfinale über fünf Sätze gegen Taylor Fritz sparte der Grieche diesmal Kräfte. Auch im dritten Abschnitt ging der Favorit früh in Führung und hatte danach keine Probleme. "Ich habe versucht, mein bestes Tennis zu zeigen, und es hat besser geklappt, als ich gedacht habe", sagte Tsitsipas. Er sei nach Problemen mit dem Ellenbogen am Ende der vergangenen Saison besorgt gewesen, in Australien überhaupt antreten zu können. "Ich bin mir sicher, mein Arzt schaut jetzt zu. Er schreibt mir nach jedem Spiel, dass er nicht geglaubt hätte, mich in Australien spielen zu sehen. Aber ich habe ihm das Gegenteil bewiesen", scherzte Tsitsipas.
Swiatek sprach von einem "verrückten Match", nachdem es im Duell mit Kanepi einige Wendungen gab. Gegen die 36-jährige Estin behielt die 20-Jährige auch nach dem Satzrückstand und einer zunächst vergebenen 4:1-Führung im zweiten Durchgang die Nerven. Trotz eines teilweise unsicheren Aufschlags und zwölf Doppelfehlern setzte sie sich durch.
2020 hatte die Polin verblüfft und sich als Teenager einen Namen gemacht, weil sie sich völlig unerwartet den French-Open-Titel sicherte. Aufgrund der Coronavirus-Pandemie waren die French Open damals in den Herbst verlegt worden.
Collins wiederholte ihr bisher bestes Grand-Slam-Ergebnis von 2019, als sie ebenfalls bis ins Halbfinale der Australian Open kam. Mit 7:5,6:1 bezwang die 28-Jährige im Überraschungs-Viertelfinale die ungesetzte Französin Alizé Cornet. Cornet stand bei ihrem 63. Grand-Slam-Turnier zum ersten Mal in der Runde der besten acht.
Für Collins ist es auch wegen gesundheitlicher Probleme im vergangenen Jahr ein besonderer Erfolg. "Es fühlt sich unglaublich an, insbesondere nach den gesundheitlichen Herausforderungen, die ich hatte", sagte die Weltranglisten-30. Im April 2021 musste Collins notoperiert werden (Endometriose). Auch in Melbourne kam Collins nicht ohne gesundheitliche Schwächen durch. Im Achtelfinale gegen die Belgierin Elise Mertens machten ihr die Hitze und der Rücken zu schaffen. Vor zwei Jahren hatte die Amerikanerin im Halbfinale nach einer Niederlage gegen die Tschechin Petra Kvitova das Endspiel verpasst.