Es sind dramatische Bilder, die uns dieser Tage aus Kanada erreichten. Das Land, in dem der eisige Nordpol liegt, ächzte unter einer extremen Hitzewelle, die Hunderte von Menschenleben forderte. Im Ort Lytton in British Columbia wurden unglaubliche 49,6 Grad gemessen, die kleine Gemeinde ist den mittlerweile wütenden Waldbränden fast zur Gänze zum Opfer gefallen.
Kein Wunder also, dass sich im zweitgrößten Land der Erde fast alles um dieses tragische Thema dreht. Doch suchen die Menschen zugleich nach Ablenkung – und diese finden sie derzeit bei ihren erfolgreichen Sportlern. Auf der einen Seite dank der Montreal Canadiens, die im Finale der nordamerikanischen Eishockey-Liga gegen Tampa Bay Lightning in der „best of seven“-Serie auf 1:3 verkürzen konnten. Auf der anderen Seite dank Denis Shapovalov und Felix Auger-Aliassime, die in Wimbledon jeweils erstmals ins Viertelfinale stürmten.
Kanadas erfolgreichstes Jahr seit 2014
Der 22-jährige Shapovalov, der 2016 den Juniorenbewerb auf dem „Heiligen Rasen“ gewinnen konnte, trifft heute in der Runde der letzten Acht auf Karen Chatschanow. Der erst 20-jährige Auger-Aliassime, der sich ebenfalls 2016 die Junioren-Krone bei den US Open aufsetzte, bekommt es mit Matteo Berrettini zu tun. Für Kanada ist es damit im Tennis-Mekka das erfolgreichste Jahr seit 2014, als Eugenie Bouchard bei den Damen im Finale und Milos Raonic bei den Herren im Halbfinale standen. Beide fehlen heuer aufgrund von Verletzungen. Zudem verlor Bianca Andreescu, bis dato Kanadas einzige Grand-Slam-Siegerin (US Open 2019) gleich in der ersten Runde.
„Für mich ist ein Traum wahr geworden. Ich bin ein normaler Bursche aus Montreal und jetzt bin ich hier“, lächelte Auger-Aliassime, der seit April dieses Jahres von Toni Nadal gecoacht wird, nach seinem Fünfsatz-Achtelfinal-Triumph über den an Nummer vier gesetzten Alex Zverev. Eine Genugtuung für den hochgepriesenen Jungstar, der erst kürzlich in Stuttgart auch sein achtes ATP-Finale verlor und nach wie vor dem ersten Titel nachläuft. Doch ist völlig klar, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis sich in Auger-Aliassimes Vitrine die Trophäen anhäufen werden.
Shapovalov, der in Tel Aviv als Kind russischer Eltern geboren wurde und mit einem Jahr nach Richmond Hill in Kanada kam, hat in seinem Schaukasten zumindest schon den Siegerpokal von Stockholm stehen. Doch blieb der Blondschopf, der in seiner Freizeit als sozialkritischer Rapper immer wieder aufhorchen lässt, bis dato stets hinter den in ihn gesetzten Erwartungen. Doch gilt für den von Ex-Profi Michail Juschnij betreuten Shapovalov dasselbe wie für seinen Freund Auger-Aliassime – ihm wird der große Knopf bald endgültig aufgehen.
Vielleicht schon dieser Tage in Wimbledon.