Mit Naomi Osaka hat sich eine der weltbesten Tennisspielerinnen aufgrund von Depressionen und einer sozialen Phobie eine Auszeitgenommen. Wie ernst sind diese Themen im Spitzensport?
ALOIS KOGLER: Die Depressionsanfälligkeit ist unter Spitzensportlern nicht höher als der weltweite Durchschnitt. Und der liegt zwischen drei und fünf Prozent. Aber es war ein tapferer Hilfeschrei und intelligenter Schritt von Osaka, ihre Probleme öffentlich zu machen.
Die Japanerin hat gesagt, dass es ihr aufgrund ihrer sozialen Phobie auch Ängste bereiten würde, sich den Medien zu stellen.
Das ist absolut nachvollziehbar – vor allem, wenn man gerade ein Match verloren hat. Nach einer Niederlage ist die ganze Persönlichkeit getroffen und geschlagen und der Sportler entsprechend hoch sensibilisiert. Auf der anderen Seite gehören Pressetermine zum Job dazu – und 95 Prozent der Sportler können auch damit umgehen.
Wie entsteht eine soziale Phobie und wie ist sie behandelbar?
Dafür gibt es viele Auslöser. Sie kann bereits in der Erziehung etwa durch eine Überbehütung der Eltern entstehen oder in der Schulzeit. Und grundsätzlich ist eine soziale Phobie auch gut behandelbar. Allerdings braucht man dafür Zeit und einen Psychologen. Denn dabei handelte es sich um eine Krankheit – da hilft kein Mentaltrainer mehr. Umso bewundernswerter ist es, dass Osaka bisher schon so viele Momente in der Öffentlichkeit vor einem Millionenpublikum durchgestanden hat. Aber wie gesagt – eine erfolgreiche Behandlung benötigt Zeit, da werden zwei oder drei Wochen Pause nicht reichen. Wenn die Probleme wirklich ernst sind, benötigt sie eine Therapie – und die hat parallel zum Leben auf der Tennistour mit dem vielen Reisen und Trainieren kaum Platz.
Unter Depressionen und einer Phobie zugleich zu leiden, muss extrem belastend sein.
Absolut, es ist sogar eine toxische Mischung. Denn Ängste treiben den Organismus nach oben, Depressionen drücken ihn nach unten. Ganz schwierig wird es, wenn ein Mensch Angst vor der Angst bekommt. Er hat Angst, dass irgendetwas eintreffen wird. Und wenn es dann tatsächlich so ist, verstärkt das die Angst noch mehr. So könnte es bei Osaka und den Pressekonferenzen gewesen sein. Dabei ist Angst ja etwas Positives.
Wie ist das zu verstehen?
Es ist das wichtigste Gefühl des Menschen, weil es ihn vorsichtig macht. Außerdem bringt uns die Angst dazu, die eigenen Kräfte zu hinterfragen und zu mobilisieren.