Die Losfee hat es mit Ihnen bei den am Sonntag startenden French Open prinzipiell nicht schlecht gemeint. Vor allem, weil sich Rafael Nadal, Novak Djokovic und Roger Federer allesamt in der oberen Raster-Hälfte befinden.
DOMINIC THIEM Vor zwei, drei Jahren wäre ich über diese Konstellation glücklich gewesen. Doch heuer spielt das für mich keine Rolle. Denn so, wie ich zuletzt in Lyon gespielt habe, brauche ich im Raster nicht nach vorne zu schauen. Ich konzentriere mich voll auf die erste Runde gegen Pablo Andujar und hoffe, mich in das Turnier reinarbeiten zu können.
Das klingt nicht nach den allerhöchsten Erwartungen.
Ich habe in den vergangenen Tagen sehr hart trainiert. Da läuft es nicht schlecht, doch muss ich das auch ins Match umsetzen können. Ich muss auf alle Fälle besser spielen als in den vergangenen Wochen. Dann wird man sehen, was dabei herauskommt.
Könnte es für Sie zum Vorteil werden, dass Sie heuer nicht als einer der ganz großen Favoriten gelten und daher befreiter aufspielen können?
Nein, das glaube ich nicht. Natürlich ist es heuer anders als noch im Vorjahr, wo Rafa, Djokovic und ich zu den Topfavoriten gezählt haben. Aber auf der Tour wird keiner unterschätzt, denn es kann sich im Tennis alles sehr schnell ändern und es geht einem bei einem Turnier wieder der Knopf auf.
Sie haben sich eine fast 50-tägige Auszeit genommen – waren Sie mental angeschlagen?
Die Tennissaison ist extrem lang und besteht aus elf Monaten andauerndem Reisen. Das kann sowohl körperlich als auch mental sehr anstrengend sein. Und wenn man psychisch angeschlagen ist, dann muss man sich ebenso erholen, wie wenn man ein physisches Problem hätte. So eine Auszeit ist nichts Ungewöhnliches und sie hat mir sehr geholfen.
Helfen könnten Ihnen auch die Bedingungen in Paris – der Belag soll sehr schnell sein.
Ja, es ist ein harter Boden mit etwas Sand drauf. Aber ich liebe es seit meiner Juniorenzeit, hier zu spielen. Auch in Madrid war der Belag top, in Rom war er etwas hatschert. Und zu Hause sind die Sandplätze immer ein bisschen wie ein Acker. Aber wie gesagt: Paris taugt mir und ich hoffe, hier auch heuer wieder ein gutes Gefühl zu finden.
Würden Sie sagen, dass Sie sich derzeit in der schwierigsten Phase Ihrer Karriere befinden?
Nein, so kann man das nicht sagen. Man muss immer noch alles in Relation sehen. Ich habe mir in den letzten Jahren die Messlatte einfach sehr hoch gelegt. Und im „Race to Turin“ bin ich auch noch in den Top 20 – so gesehen ist es noch keine absolute Katastrophe. Aber der Triumph bei den US Open hat in mir sicher etwas verändert. Das Ganze ist eben ein großer Lernprozess. Aber ich hoffe, noch stärker aus dieser Phase herauszukommen.
Mats Wilander hat gesagt, Nicolas Massu wäre der perfekte Trainer für Sie, weil er Ihr Spiel variantenreicher gemacht habe.
Das ist definitiv richtig, diesbezüglich hat sich seit meinem Wechsel zu ihm viel verändert. Davor war es so, dass aus meiner Jugendzeit viele Sachen verloren gegangen waren. Damals habe ich viele Matches mit meinem Spielwitz gewonnen. Heute ist es so, dass ich den Spielwitz mit meinen Powerschlägen verbinden kann.
Können Sie etwas über die Tennis-Blase in Paris erzählen? Sind die Auflagen etwas lockerer als im Vorjahr?
Nein, im Gegenteil, es ist noch strenger als 2020. Heuer darf man nur zwei Leute aus seinem Team dabei haben, eine dritte Person darf nicht mit auf die Anlage. Ich habe Roger Federers Physio getroffen – der darf auch nicht mit. Bei manchen Sachen muss man sich schon auf den Kopf greifen. Aber ich hoffe, dass die Auflagen nach Wimbledon ein Ende haben.
Naomi Osaka will in Paris keine Pressekonferenzen geben, weil sie durch die Fragen der Journalisten psychische Verletzungen fürchtet. Können Sie das nachvollziehen?
Die Situation ist zweischneidig. Auf der einen Seite ist es natürlich wichtig, dass großer Wert auf die mentale Gesundheit gelegt wird. Nur: Wenn man eine Pressekonferenz auslässt, wird das auch nichts zu einem Heilungsprozess beitragen. Und auf der anderen Seite finde ich, dass Pressekonferenzen und andere Termine, wie etwa mit Sponsoren, Teil des Jobs sind. Es ist wichtig, dass man sich Zeit für die Fans und die Presse nimmt.
Am Samstag steigt in Porto das Champions-League-Finale zwischen Manchester City und dem FC Chelsea. Als eingefleischter „Blues“-Fan erübrigt sich wohl die Frage, ob Sie sich das Match anschauen werden?
Das werde ich definitiv machen. Es ist ein absolutes Highlight und ich hoffe sehr, dass Chelsea den zweiten Titel holen kann.