Dominic Thiem steckt in einer ungewohnten Krise, hatte Motivationsprobleme, nahm sich eine 50-tägige Auszeit und setzte die Generalprobe in Lyon in den Sand. Das sind nicht die besten Aussichten für die nächste Woche startenden French Open.
MATS WILANDER: Ich denke, es vollkommen normal und okay, dass er sich eine Pause gegönnt hat. Ich habe gehört, dass er Probleme mit der Motivation hatte. Er hat sich bei den letztjährigen US Open seinen Traum vom Grand-Slam-Titel erfüllt – und das in einer Zeit, in der Federer, Djokovic und Nadal die Szene nach wie vor beherrschen.
Allerdings waren Federer und Nadal in Flushing Meadows nicht dabei und Djokovic wurde disqualifiziert.
Das spielt meiner Meinung nach überhaupt keine Rolle. Was zählt, ist, dass er in dieser Ära einen Slam gewonnen hat.
Und dennoch bleibt er ab und zu hinter den Erwartungen.
Erstens sollte man keinen Spieler mit den großen Drei vergleichen – sie sind absolute Ausnahmespieler. Und zweitens kann es Dominic nicht schaffen, sich mental stets auf deren Toplevel zu bewegen. Das ist auch nur sehr schwer möglich.
Was kann man sich in Paris von Thiem erwarten?
Ich glaube, Paris kommt für ihn zur perfekten Zeit. Es ist eine große Möglichkeit für ihn, wieder das Feuer und den Kampfgeist in ihm zu entfachen. Denn, auch wenn man bei einem Grand Slam keinen guten Tag erwischt, hat man in einer „best of five“-Partie zumindest Zeit. Man kann die erste Runde gewinnen, in dem man sich total hineinkämpft. Und dann ist man schnell in einem Turnier drinnen und kann in einen Lauf kommen. Außerdem weiß er von den US Open, dass er nicht sein bestes Tennis spielen muss, um die meisten auf der Tour schlagen zu können. Es stellt sich nur die Frage, ob er körperlich so stark wie früher ist und fünf Stunden auf höchstem Level spielen kann.
Würden Sie sagen, dass Thiems größte Schwäche im mentalen Bereich liegt?
Alle diese Jungs haben eine mentale Schwäche und sie ist der größte Feind eines jeden Tennisspielers. Aber auch hier gilt: Man kann ihn nicht mit den großen Drei vergleichen. Mir stellt sich viel mehr die Frage, ob es Dominic noch einmal schafft, seine volle Motivation zurückzugewinnen. Er ist nicht mehr 22 und hat gerade seinen ersten Grand Slam gewonnen. Er ist bereits 27 und hat sein Ziel erreicht. Trotzdem sehe ich für ihn die Chance, noch die Nummer eins zu werden. Die großen Drei werden irgendwann aufhören, allerdings rücken die Jungen von hinten auch extrem schnell nach.
Glauben Sie, Nicolas Massu ist für Thiem der richtige Coach?
Ich weiß nicht, wie ihre persönliche Beziehung ist, aber ich denke, Massu ist der perfekte Trainer für ihn. Weil er ein unglaublicher Motivator ist und weil er Dominic die Möglichkeit gegeben hat, sich zu entfalten. Dominic ist nicht mehr nur eine Maschine und spielt jetzt mehr den Federer-Stil. Er ist kompletter, kann Stoppbälle, Rückhand Slice und Serve-and-Volley einstreuen und damit punkten. Weil du kannst ein Match nicht nur mit einer krachenden Vorhand gewinnen.