Herzlichen Glückwunsch zum 60. Geburtstag! Zu welcher Art Mensch zählen Sie sich: Sind Sie jemand, der sich freut, dieses Alter zu erreichen, oder jemand, der sich denkt, dem Unausweichlichen wieder ein Jahr näher zu sein?
GÜNTER BRESNIK: Ich sage immer: Wenn ich mir die Alternative dazu überlege, dann möchte ich alt werden. Aber das ist ein Thema, dass mich nie beschäftigt hat. Das war schon so, als ich 50 geworden bin, und das ist heute nicht anders. Ich möchte nicht immer 20, 30 oder 40 werden, sondern jede Lebensphase gescheit ausleben.
Sind Sie jemand, für den das Glas halbvoll oder halbleer ist?
Nüchtern betrachtet ist für mich immer die gleiche Menge an Wasser drinnen. Aber ich bin sicherlich ein Mensch, der sich eher an positiven als an negativen Dingen orientiert. Ich bin aber nicht jemand, der glaubt, dass positiv denken etwas verändern kann - das artet oft in Naivität aus. Ich würde mich selbst als realistischen und analytischen Menschen bezeichnen.
Worin liegen Ihre Stärken?
Es ist schwer über seine eigenen Stärken zu sprechen. Ich bin aufgrund meiner Arroganz schon unbeliebt, da muss man nicht zusätzlich noch etwas dazugeben. Im Endeffekt ist für mich der Verstand die wichtigste Eigenschaft. Und wie heißt es so schön: Nicht auf den Verstand alleine kommt es an, sondern auch auf das, was ihn lenkt - nämlich Herz und Charakter. Und jene Leute, die mich kennen, werden mir diesbezüglich auch ein gutes Zeugnis ausstellen.
Sie nehmen sich in der Öffentlichkeit nie ein Blatt vor dem Mund. Sind Sie im Privaten ein anderer Mensch?
Ich habe einmal einen Waffenschein gemacht und dafür muss man einen Psychotest machen. Und die Psychologin hat gemeint, bei Verlässlichkeit, Disziplin und Kontrolle hätte ich jeweils Werte jenseits der 95 gehabt. Nur bei einem Wert war ich nur auf sieben Prozent. Da hat sie gesagt, das sei die soziale Anpassungsfähigkeit. Dann hab ich gefragt, ob ich deshalb ein Arschloch sei. Worauf sie meinte, nein, ich sei ein Mensch, der keinem Konflikt aus dem Weg geht. Wenn jemand nicht sagt, was er sich denkt, dann erübrigt sich das Denken. Und da möchte ich nicht dazugehören.
Sind Sie mit dem bisher Erreichten in Ihrem Leben zufrieden?
Wenn man gesund 60 Jahre alt wird, muss man das demütig annehmen. Und ich kann die Frage sowohl beruflich als auch familiär gesehen mit einem Ja beantworten. Ich führe eine sehr glückliche Ehe, habe ein super Elternhaus, zwei tolle Schwestern und vier gesunde und aus meiner Sicht gescheite und erfolgreiche Kinder. Und ich habe eine Handvoll Freunde, auf die ich mich in den letzten 30 Jahren voll verlassen konnte.
Was waren die bisher beste und schlechteste Entscheidung in Ihrem Leben?
Die wichtigsten Entscheidungen, die man treffen muss, sind die Berufs- und die Partnerwahl. Und die sind bei mir beide sehr gut gelungen. Das Einzige, was mich stört, ist, dass ich mein Medizinstudium nicht beendet habe. Obwohl das mein Leben komplett verändert hätte. Und nicht unbedingt zum Besseren. Aber es ärgert mich einfach, dass ich eine Sache nicht fertig gemacht habe. Aber ich hätte als Arzt nie das erreicht, was ich als Trainer erreicht habe.
Sie haben sich für die Trainerkarriere entschieden und durch Horst Skoff den Sprung auf die internationale Bühne geschafft. Wie sehr hat Sie damals sein überraschender Tod getroffen?
Das hat mich mehr getroffen, als ich mir das jemals erwartet hätte. Einerseits die Art und Weise, wie er gestorben ist. Und dass er so jung gestorben ist. Er war einer, der mir vom ersten Treffen an sehr nahe gestanden ist. Und ich verdanke ihm sehr viel. Die Trainerlaufbahn war so nicht geplant und hätte ohne ihn nie so stattgefunden.
Sie haben sehr viele Spieler betreut. Mit wem war die Zusammenarbeit am schwierigsten?
Ich hatte das Glück, dass alle Spieler immer außergewöhnliche Qualitäten mitgebracht haben. Am schwierigsten war es am Anfang, weil ich da noch am wenigsten Erfahrung hatte. Wenn ich denke, was ich vor 20 Jahren als Trainer verbrochen habe, dafür schäme ich mich mit meinem heutigen Wissen. Obwohl es damals schon funktioniert hat. Es hat mit jedem Spieler Spaß gemacht und ich habe mit jedem weit über die Zusammenarbeit hinaus weiter einen guten Kontakt.
Sehen Sie Dominic Thiem als Ihr Lebenswerk?
Nein, mein Lebenswerk hat mit meinem Beruf relativ wenig zu tun. Ein Trainer hat kein Lebenswerk. Das hat vielleicht ein Künstler oder ein Geschäftsmann, der ein Firmenimperium aufbaut. Mein Lebenswerk ist das Aneignen von Wissen, um Leuten dabei behilflich zu sein, um ihren Beruf besser ausüben zu können. Und mit dem bin ich zufrieden, weil ich mir international einen sehr guten Namen erarbeitet habe. Ich würde sagen, mein Lebenswerk ist meine Familie verbunden mit beruflichem Erfolg - auch wenn das langweilig klingt. Aber diesen Spagat muss man schaffen, das ist nicht einfach.
Ihr Ex-Schützling Thiem ist derzeit in einer Krise und spricht von einem "dunklen Loch", in das er gefallen sei. Können Sie sich das erklären?
Grundsätzlich ist es oft so, dass man nach großen Erfolgen in ein Loch fallen kann. Wenn man sich etwas vornimmt und erreicht und dann glaubt, dass sich das Leben verändern würde, dann unterliegt man einem Irrglauben. Es geht auch nicht darum, dass man etwas erreicht, sondern darum, dass man die Tätigkeit, um etwas zu erreichen, gerne macht. Wenn du als Bergsteiger nur am Gipfel sein willst, ohne raufzumarschieren, dann hast du ein Problem. Denn der schönste Vorgang ist das Besteigen selbst. Für mich ist zum Beispiel der Reinhold Messner ein Idol, weil er abgesehen von seinen psychischen Fähigkeiten einfach eine tolle Persönlichkeit ist, die sich immer neue Herausforderungen gesucht hat. Das ist bei vielen jungen Spielern die Aufgabe der Umgebung. Was sich bei vielen Menschen zwischen Schule und Pension in 60 Jahren abspielt, spielt sich bei Sportlern in 15 Jahren ab. Und das in einem Alter, in dem man auf viele andere Dinge verzichtet. Und dass Erfolg kein Glücksgarant ist, das ist auch unbestritten. Glücklich wird man durch andere Dinge - da wären wir wieder bei Herz und Charakter.
Thiem hat sich laut eigenen Aussagen durch die Trennung von Ihnen emanzipiert. Dennoch wirkt er oft labil.
Das kann ich nicht beantworten. Aber ich bin jemand, der sich nach Sicherheit und Geborgenheit sehnt. Die habe ich nur bei lang andauernden Beziehungen. Ich mache meinen Job jetzt seit 35 Jahren und er macht mir nach wie vor Spaß. Aber wenn Dominic etwas nicht passt, dann wird er nach einer Veränderung suchen. Aber es ist nicht jede Veränderung eine Verbesserung. Das wird den Leuten oft erst später bewusst. Und ob gewisse seiner Entscheidungen auf seinen eigenen Mist gewachsen sind oder ob da viel fremdgesteuert ist, das weiß ich nicht.
Ist Dennis Novak, der nun zu Ihnen zurückgekehrt ist, auch bewusst geworden, dass nicht jede Veränderung eine Verbesserung ist?
Ob die Veränderung gut ist, muss man erst sehen. Aber ich halte es aus seiner Sicht für einen vernünftigen Schritt. Aber jetzt muss er Ergebnisse abliefern, ansonsten war diese Veränderung genauso schwachsinnig wie die davor.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Gael Monfils?
Nicht sonderlich gut, er stolpert von einer Verletzung in die nächste, für die ich Gott sei Dank nichts kann. Dass er gerade jetzt heiraten wird, wo es am Tennisplatz viel zu arbeiten gäbe, ist für seine Entwicklung nicht wirklich förderlich.
Letzte Frage: Gibt es noch einen großen Traum, den Sie sich erfüllen wollen?
Ich habe keine Träume, sondern Ziele, für die ich selbst verantwortlich bin, damit ich sie erreichen kann. Aber wenn mir jemand einen Wunsch erfüllen könnte, dann wäre das eine uralte Villa oder altes Schloss, vollgeräumt mit alten Sachen, wo ich mich vom Keller bis zum Dachboden durchstöbern könnte. Aber ansonsten bin ich mit meinem Istzustand und dem Weg, wie ich dorthin gekommen bin, fast uneingeschränkt zufrieden.