Die Anzahl von Verletzungen, die während der Australian Open aufgetreten sind, sind zu Beginn einer Tennis-Saison in der Tat ungewöhnlich. Novak Djokovic, der selbst wegen einer Bauchmuskelverletzung Rätsel aufgibt, macht die lange Quarantäne in Australien dafür verantwortlich. Deshalb stellt, nicht nur er, nun auch der Rest der ATP Tour infrage.
"Es sind einfach zu viele Verletzungen", stellte der serbische Weltranglisten-Erste fest. "Dies zeigt, welche Folgen die Quarantäne auf den Körper hat." Die Fakten geben Djokovic recht.
Denn die Verletzungen passieren nicht nur bereits zu Saisonbeginn, sondern auch bei bereits gut im Turnier befindlichen Spielern. Im Achtelfinale traten drei gesetzte Spieler entweder gar nicht an (Matteo Berrettini), gaben auf (Casper Ruud) oder verloren den letzten Satz unter Schmerzen 0:6 (Dominic Thiem). Davor hatte der US-Open-Halbfinalist Pablo Carreno Busta in der 3. Runde beim Stand von 0:6,0:1 aufgegeben, im Viertelfinale konnte Grigor Dimitrow bei seiner Niederlage kaum noch aufrecht stehen. Rafael Nadal klagte schon vor Turnierbeginn über Rückenschmerzen, Djokovic scheint – bei ihm allerdings unausgewogen einmal mehr, einmal etwas weniger – angeschlagen. Dabei sollten die Spieler nach der wegen Corona sogar noch längeren Winterpause noch frisch sein.
Auch wenn die meisten während ihrer 14-tägigen Quarantäne in Australien ein paar Stunden pro Tag außerhalb ihres Hotelzimmers trainieren durften, zeigt sich die fehlende Bewegungsfreiheit als Problem für die Fitness. Djokovic macht sich deshalb große Sorgen. "Falls wir auch vor anderen Turnieren in Quarantäne müssten, ist dies aus meiner Sicht nicht machbar", erklärte der "Djoker" nach seinem Halbfinal-Einzug. Und er habe mit vielen seiner Kollegen gesprochen, und die hätten ihm das Gleiche gesagt.
In der kommenden Woche stehen gleich drei ATP-Turniere der (tiefsten) 250er-Kategorie an drei verschiedenen Ecken der Welt im Kalender: Cordoba in Argentinien, Montpellier in Südfrankreich und Singapur. Danach geht es weiter nach Rotterdam, Buenos Aires und Katar, wo ab dem 8. März auch Roger Federer sein Comeback geben will. Im Moment sind keine weiteren Quarantänen vorgesehen, aber mit dem Auftreten der Mutationen haben Einreisebeschränkungen wieder massiv zugenommen, wie diese Woche auch die Fußballer vor allem aus England im Europacup feststellen müssen.
Von Alexander Zverev, der im Viertelfinale gegen Djokovic ausschied, erhält der Serbe Unterstützung. "Wir können derzeit kein Reisezirkus sein, so einfach ist das", sagte der Deutsche. Je nach Pass, den jemand habe, könne dieser im Moment an manche Orte gar nicht reisen. "Ich weiß, dass gerade die Südamerikaner große Probleme haben." Für die Australian Open mit seinem dicken Preisgeld auch für Erstrunden-Verlierer (rund 64.000 Euro) sei die Quarantäne es noch wert gewesen, betonte Djokovic, bei anderen Turnieren sei das Preisgeld aber im Vergleich zu anderen Jahren deutlich gesenkt worden.
Er bringt deshalb eine "Bubble" in der Art, wie sie die NBA im vergangenen Herbst in Florida hatte, ins Spiel. "Man wählt einen Ort aus, spielt da drei, vier Wochen auf einem Belag, eine Pause, dann wieder weiter." Man könne ja die Werbebanden und Beschriftungen auf dem Court jeweils auswechseln. Im Moment plant die ATP aber einen fast normalen Kalender mit Miami Ende März und den traditionellen Sand-Turnieren in Europa.
Nadal ist nicht Djokovics Meinung
Doch diese Gedanken des Serben haben auch mehrere Haken. Nur ein Turnier pro Woche würde nur den Spielern etwas nützen, die da auch qualifiziert sind. Was machen Spieler knapp außerhalb der Top 100? Bleiben die Sponsoren eines Turniers in Acapulco oder Marseille auch dabei, wenn stattdessen in Dubai gespielt wird? Wie funktioniert die Weltrangliste, wenn nicht die gleichen Turniere auf den gleichen Belägen gespielt werden wie im Jahr (oder zwei Jahre) davor? Was passiert bei einem positiven Coronafall in einer solchen Bubble? Müssen dann auch wieder alle in Quarantäne?
Rafael Nadal widersprach Djokovic am Mittwoch. "Es war das erste Turnier, bei dem wir diese Art von Quarantäne machen mussten. Es gibt aber nur zwei Optionen: die Tour zu stoppen oder weitermachen. Wenn wir die Tour stoppen, wie, warum und wann können wir auf die Tour zurückkehren?", sagte der Weltranglisten-Zweite. Nadal stimmte Djokovic aber zu, dass es für die Spieler sehr hart ist, auch völlig davon abhängig, aus welchem Land sie anreisen müssen. Dennoch: "Wenn wir unseren Sport stoppen, werden viele Leute darunter leiden."
Dass eine solche Quarantäne, wenn sie eine Woche oder noch länger dauert, für den Tenniszirkus nicht noch einmal machbar ist, sehen aber viele ähnlich wie Djokovic. Weniger klar sind die Lösungen für das Problem. Solange nicht flächendeckend geimpft wurde und die meisten Einreisebeschränkungen aufgehoben sind, bleibt der globale Tenniszirkus ein äußerst fragiles Gebilde.