Die Australian Open werden ihrem Ruf, das Grand-Slam-Turnier der großen Sensationen zu sein, einmal mehr gerecht. Dafür sorgt heuer ein gewisser Aslan Karatsew. Der nicht zu stoppende, russische Qualifikant erledigte im Viertelfinale von Melbourne nun auch Thiem-Bezwinger Grigor Dimitrow, der allerdings mit Rückenproblemen zu kämpfen hatte, mit 2:6, 6:4, 6:1, 6:2, steht damit in der Runde der letzten Vier und wirbelte die Tennis-Geschichtsbücher ordentlich durcheinander.
So darf sich der 27-Jährige nun damit rühmen, der erste Spieler zu sein, der es als Debütant in ein Grand-Slam-Halbfinale geschafft hat. Insgesamt ist er der erst fünfte Qualifikant (und der erste seit 2000), der in ein Major-Semifinale marschiert ist. Der Erste in der Open Era, dem dieses Kunststück gelungen ist, heißt übrigens John „Big Mac“ McEnroe (Wimbledon 1977).
Neunmal hatte Karatsew, aktuell die Nummer 114 im ATP-Computer, bisher Anlauf genommen, um sich für den Hauptbewerb eines der vier großen Turniere des Jahres zu qualifizieren. Neunmal war der Mann aus Wladikawkas gescheitert, ehe es heuer bei der in Doha in Szene gegangenen Ausscheidung für die Australian Open endlich geklappt hat. Zudem ist Karatsew der am schwächsten platzierte Grand-Slam-Halbfinalist seit Goran Ivanisevic 2001 in Wimbledon. Ab kommender Woche wird der Russe, der in der dritten Runde mit Diego Schwartzman erstmals einen Top-10-Spieler schlagen konnte, aber in der Weltrangliste zumindest in den Top 45 aufscheinen.
„Zumindest“, weil die wundersame Reise des Nobodys noch nicht zu Ende sein muss. Auch, wenn im Halbfinale nun der achtfache Melbourne-Triumphator Novak Djokovic wartet. Der Weltranglistenerste hatte bei seinem 6:7, 6:2, 6:4, 7:6-Sieg über Alex Zverev hart zu kämpfen, ist aber weiter auf Kurs Richtung alle Neune.
Karatsew, dem schon jetzt 663.000 Dollar sicher sind (in seiner bisherigen Karriere hat er 618.000 Dollar verdient), zog im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Israel, ehe er mit 12 Jahren mit seinem Vater in die nähe von Rostow nach Russland zurückkehrte. Weitere Stationen: Moskau, Barcelona, Halle und seit drei Jahren Minsk, wo er von Yahor Yatsyk gecoacht wird.
„Ich habe zu oft den Standort gewechselt, aber jetzt den richtigen Trainer gefunden. Und natürlich habe davon geträumt, dass mir einmal so ein Durchbruch gelingen würde. Aber ich will darüber jetzt gar nicht viel nachdenken, sondern mich auf das nächste Match konzentrieren“, sagte Karatsew. Sein Geheimnis? „Immer an sich und sein Spiel glauben.“