Im Finish seiner so erfolgreichen Karriere zeigt Jürgen Melzer noch einmal groß auf. Der 39-jährige Niederösterreicher und sein französischer Partner Edouard Roger-Vasselin profitierten am Freitag bei den ATP Finals in London zwar von der Aufgabe von Marcel Granollers (ESP), Partner von Horacio Zeballos (ARG), beim Stand von 6:6 (1:0) im Tiebreak. Das Duo zeigte aber bis dahin eine starke Leistung und steht dank des mit 2:0 Sätzen gewerteten Siegs im Halbfinale.
Melzer/Roger-Vasselin wurden Sieger der Gruppe. Die später aufgetauchte Frage, ob eine Aufgabe der Gegner bei gewonnenem ersten Satz etwas geändert hätte, wurde von der ATP verneint. Eine Aufgabe führt immer zu 2:0-Sätzen in der Gruppe.
"Wir waren eher überrascht, dass er wirklich aufgibt", erklärte Melzer später. Danach sei man im Supervisor-Office gestanden. "Dann war schnell klar, dass wir Gruppensieger sind."
Für Melzer geht es bei seinem dritten Masters nach 2010 und 2011, als er jeweils in der Gruppenphase ausgeschieden war, nun sogar um sein erstes Endspiel. Es wäre nach Dominic Thiem 2019 und Julian Knowle 2007 im Doppel die dritte Finalteilnahme beim Prestige trächtigen Showdown der besten achten Single-Spieler und Doppel-Paare für Österreich. Die Gegner am Samstag (nicht vor 19.00 Uhr/live Sky) sind Rajeev Ram/Joe Salisbury (USA/GBR-2).
Erst in der Woche vor London in Sofia hatten sich die St. Petersburg-Sieger Melzer/Roger-Vasselin endgültig qualifiziert, nun geht es für sie mit um die Titelentscheidung in der O2-Arena. "Wenn man in einem Semifinale am Schluss vom Jahr steht, weiß man, dass das jeder gewinnen kann. Wir sind da jetzt dabei, ich bin sehr happy darüber. Jetzt wollen wir morgen gut spielen, dann wäre es extrem lässig, wenn man da am Sonntag noch dabei ist."
An seiner Entscheidung, seine Karriere Ende Jänner zu beenden, ändert der künftige ÖTV-Sportdirektor nichts. "Ich werde immer noch nach den Australian Open aufhören, mit einer möglichen Chance, dass ich die French Open und Wimbledon spiele, das ist das Maximum an Turnieren." In Australien spielt er mit Rohan Bopanna (IND), Paris ist unklar, und falls Philipp Petzschner noch richtig fit wird, würde er sich sein letztes Turnier mit dem Deutschen wünschen. "Das wäre es ein unglaublicher Abschluss für uns. Ich freue mich drauf, dass ich das eine oder andere Slam nächstes Jahr noch spielen kann quasi als Zuckerl."
Roger-Vasselin sei in Australien kein Thema mehr, weil dieser freilich versuche, auch wieder im Finish bei den dann in Turin stattfindenden ATP Finals dabeizusein. "Da wäre es sinnlos, einen Grand Slam herzugeben."
Zwei Österreicher stehen im Halbfinale des Masters, wo nur die jeweils acht besten Einzel-Spieler bzw. Doppel des Jahres dabei sind. "Das ist natürlich Wahnsinn. Für so ein kleines Land müssen wir uns in der Weltsportart definitiv nicht verstecken."
Seinen größten Erfolg im Rückblick auf seine Karriere wird vielleicht nicht einmal ein Titel in London nach zwei Grand-Slam-Doppel-Triumphen bzw. dem Einzel-Halbfinale bei den French Open toppen. "Ich würde den Fakt rausnehmen, dass ich 8 (Einzel) und 6 (Doppel) war zur selben Zeit. Das ist wahrscheinlich das Größte, was ich erreicht habe in meiner Karriere." 17 Wochen lang in den Top Ten im Einzel und Doppel gleichzeitig.