Als Dominic Thiem vergangenes Jahr bei den ATP Finals in London Dienstagfrüh aufwachte, „ist es mir aufgrund einer Verkühlung echt dreckig gegangen und ich dachte, ich muss am Mittwoch nach Hause fliegen.“ Doch es kam anders: Am selben Abend feierte der Österreicher mit einem Dreisatzsieg über Novak Djokovic einen seiner größten Erfolge. Dennoch wechselte der Lichtenwörther tags darauf aus gesundheitlichen Gründen die Unterkunft und zog vom Spielerhotel im Stadtzentrum, von wo es per kühler Bootsfahrt zur O2-Arena ging, ins Intercontinental direkt neben der zum Tennisstadion umfunktionierten Veranstaltungshalle.

Heuer ticken die Uhren bei den ATP Finals aufgrund der Corona-Pandemie aber anders. So sind diesmal alle Spieler wegen der Nähe zur „O2“ im riesigen Intercontinental einquartiert. „Wir sind komplett abgeschottet. Seitdem ich da bin, habe ich im Hotel noch niemanden gesehen, der nichts mit Tennis zu tun hat. Die Regeln sind sehr streng, gemeinsam essen am Tisch geht nur mit riesigem Abstand. Spazieren ist tabu, wir dürfen nicht einmal die 200 Meter vom Hotel zur Halle zu Fuß gehen, sondern müssen mit einem Shuttle fahren“, erzählt Thiem in einer Videokonferenz. Doch der 27-Jährige will sich nicht beschweren: „Wir sind privilegiert, dass wir derzeit überhaupt spielen dürfen.“

Chance zur Revanche gegen Tsitsipas

Am Sonntag geht es mit dem saisonalen Showdown los – und gleich zum Auftakt (15 Uhr, Sky live) erhält Thiem in der Gruppe „London 2020“ gegen Stefanos Tsitsipas die Chance, sich für die letztjährige Finalniederlage (6:7 im dritten Satz) zu revanchieren. War die Halle im Vorjahr mit 17.000 Fans täglich ausverkauft, so matchen sich die besten acht Spieler des Jahres heuer vor leeren Zuschauerrängen. „Das ist natürlich ein bisserl traurig, denn in der O2-Arena herrschte immer eine der besten Stimmungen auf der gesamten Tour. Andererseits haben wir uns an diese Ausnahmesituation schon gewöhnt“, sagt der Niederösterreicher, der heuer bereits zum fünften Mal bei den Finals aufschlägt.

Aufgrund der leeren Halle verändern sich natürlich auch die Bedingungen, wird das Spiel durch die kältere Luft doch schneller. Trotzdem wird Thiem sein Arbeitsgerät nicht an die Gegebenheiten anpassen: „Ich ändere im Gegensatz zu vielen anderen Spielern meine Bespannung nie. Das habe ich mir irgendwann angewöhnt, nachdem die Bälle plötzlich alle nur noch im Halfcourt gelandet sind und ich mich wahnsinnig darüber geärgert habe.“

Ein erfolgreicher Start ist extrem wichtig

Ändern muss der Weltranglistendritte hingegen seinen des Öfteren etwas schleppenden Turnierstart. Denn: „Bei Grand Slams hat man immer ein, zwei Runden Zeit, um sich richtig ins Turnier reinzuspielen. Hier trifft man aber von Anfang an auf die Besten der Besten und muss vom ersten Punkt an hellwach sein.“ Dies ist dem 17-fachen Turniersieger im Vorjahr perfekt gelungen, als er Roger Federer in zwei Sätzen knackte. Und Thiem weiß: „Wenn man das erste Match verliert, ist man gleich komplett unter Zugzwang.“ Und zur Favoritenfrage: „Es ist extrem ausgeglichen. Wer in dieser Woche am öftesten den besseren Tag hat, wird das Turnier gewinnen.“

Bleibt noch die Frage nach der Gesundheit? Die Fußsohlenverletzung, die sich der Österreicher in Wien zugezogen hat, ist auskuriert. „Der Belag hier ist wieder sehr aggressiv, aber wir tapen jeden Tag und versuchen, die Belastung so gering wie möglich zu halten. Ich hoffe, dass ich so viele Matches wie möglich durchspielen kann.“