Seit knapp zwei Jahren sind Sie Fed-Cup-Kapitänin und darüber hinaus und schon länger als Sportkoordinatorin und Jugendreferentin des ÖTV tätig - wie fällt Ihr Fazit aus?
MARION MARUSKA: "Es waren zwei durchwachsene Jahre, vor allem das heurige war von vielen Einschränkungen geprägt, aber dennoch ist das Fazit grundsätzlich ein gutes. Wir konnten viele positive Sachen auch im nationalen Tennis etablieren, wie etwa die neu geschaffenen Wild-Card-Turniere oder die Aufwertung von bereits vorhandenen Turnieren. Auch bei den internationalen Turnieren in Österreich - sei es für Damen, Herren oder Jugendliche - konnten wir aufstocken, auch wenn uns da die Coronapandemie einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Darüber hinaus haben wir viel in die Individualförderung investiert, einerseits in die Südstadt als Standort in Kooperation mit Günter Bresnik, andererseits auch in die externe Förderung für jene, die nicht in die Südstadt kommen wollen. Aber auch bei bereits bestehenden und funktionierenden Systemen haben wir an ein paar Rädchen gedreht."
Zweimal waren Sie bereits auch als Kapitänin "auf der Bank" im Einsatz ...
"Das ist sehr positiv verlaufen. Im vergangenen Jahr konnten wir beim Turnier in Luxemburg den sofortigen Wiederaufstieg in die Gruppe I schaffen, heuer ist uns in Estland trotz des Ausfalls von Barbara Haas und sehr starker Gegner wie Italien dank der starken Teamleistung von Mira Antonitsch, Julia Grabher, Melanie Klaffner und Sinja Kraus der Klassenerhalt gelungen."
Apropos Barbara Haas: Als Nummer 146 ist sie Österreichs Nummer eins und wird dank einer Wild Card beim Turnier in Linz dabei sein. Was trauen sie der 24-Jährigen in der Zukunft zu?
"Auf jeden Fall den Sprung unter die Top 100. Vor allem ab Sommer 2019 war bei ihr ein deutlicher Aufwärtstrend zu spüren. Doch dann wurde dieser von der Coronapandemie gestoppt und sie hatte das Pech, dass sie sich eine Handgelenksverletzung zugezogen hat. Aber jetzt ist sie wieder fit und auch wenn es ein harter Weg ist nach oben, wird sie es schaffen, wenn sie beharrlich bleibt."
Slowenien mit nicht einmal einem Viertel der Einwohnerzahl von Österreich hat aktuell drei Spielerinnen unter den besten Hundert? Schauen Sie sich etwas von unseren erfolgreicheren Nachbarländern ab?
"Ja, natürlich, aber die Dichte im heimischen Damentennis ist nicht groß, diese Problematik begleitet uns leider schon seit Längerem. Ich habe das Gefühl, der Eins-gegen-Eins-Wettkampf ist heutzutage bei Mädchen generell nicht mehr so beliebt wie bei Burschen."
Seit Jänner 2019 gibt es ein neues "ÖTV-Mädchenkonzept", um Talente an die Weltspitze heranzuführen. Ist das vielleicht ein Schritt in eine erfolgreichere Zukunft?
"Wir hoffen es. Mit der Unterstützung der ehemaligen Profi-Spielerinnen Barbara Schwartz und Petra Russegger haben wir versucht, die größten Talente im U14- und U16-Bereich regional wieder zusammenzuholen und haben deswegen Lehrgänge mit mentaler Unterstützung im Osten und Westen neu eingeführt. Denn genau in diesem Altersbereich ist die Ausstiegsrate am höchsten. Und für die Spielerinnen im U18-Bereich, die den Einstieg ins Profitennis wagen, haben wir Betreuer für Turniere organisiert."
Tut Österreichs Tennis ein Weltstar à la Dominic Thiem gut oder besteht die Gefahr, dass er Probleme kaschiert und nach seinem Karriereende eine Lücke hinterlässt, wie man es bei Marcel Hirscher im Skisport gesehen hat?
"Es ist auf jeden Fall positiv. Dank seiner Vorbildfunktion besteht die Chance, dass sich noch mehr Mädchen und Burschen für den Tennissport entscheiden und dann auch alles auf eine Karte setzen und den Schritt ins Profigeschäft wagen."
Eine Frage, die sich leider angesichts des aktuellen Lockdowns nicht vermeiden lässt: Inwieweit beeinflusst die Coronapandemie die Entwicklung der heimischen Athleten?
"Der Zustand ist sicherlich weit weg von ideal. Zum Glück können die Profispielerinnen dank der 'Bubbles' an Turnieren teilnehmen und der Nachwuchs hat jetzt die Möglichkeit weiter zu trainieren. Schon während des Shutdowns im Frühling waren die meisten sehr kreativ, um an ihrer Kondition zu arbeiten. Jedoch ist für manche die Möglichkeit, Erfahrungen bei Jugendturnieren zu sammeln, unwiederbringlich verloren gegangen."