Scheinbar jeweils nur mit Anlaufproblemen hat Novak Djokovic seine ersten beiden Spiele beim Erste Bank Open gewonnen. Beide Male musste er im ersten Satz ins Tiebreak, hatte da gegen seinen Landsmann Filip Krajinovic einen Satzball und gegen Borna Coric gar deren vier abzuwehren. In Wahrheit aber können die Gegner fast schon die Weiße Fahne hissen, sobald es gegen Djokovic in ein Tiebreak geht. Seine diesbezügliche Bilanz seit dem Wimbledon-Finale 2019 lautet 21:2.
Im damaligen Fünfsatz-Thriller hat er zwei seiner drei Gewinnsätze ab 6:6 geholt. Lediglich zwei Spieler holten seither ein Tiebreak gegen den Serben. Zunächst gelang das Dominic Thiem im vergangenen November im zweiten Gruppenspiel der ATP-Finals, als er den "Djoker" 6:7(5),6:3,7:6(5) besiegte. Zum zweiten Mal passierte es heuer in der zweiten Runde der US Open, als ihm der Brite Kyle Edmund den einzigen Satz im Turnierverlauf vor seiner Disqualifikation im Achtelfinale abnahm.
Keine Zauberformel
Nach seinem Tiebreak-Geheimnis befragt, hatte Djokovic keine Zauberformel parat. "Es ist nur so, je mehr Tiebreaks du gewinnst, je mehr Selbstvertrauen du hast, desto optimistischer gehst du in die Tiebreaks rein", erklärte der 33-Jährige nach seinem Sieg beim Wiener ATP-Tennisturnier gegen Coric. Wenn der 24-jährige Kroate der Dritte nach Thiem und Edmund gewesen wäre, hätte sich Djokovic nicht beschweren dürfen. "Er hätte es verdient, es zu gewinnen. Er war knapp dran", meinte er dann auch.
Interessant würde es, sollte es zum Wien-Finale Djokovic gegen Thiem und da zu einem Tiebreak kommen. Denn liegt der Niederösterreicher mit seiner 2020er-Bilanz von 13:8 noch klar hinter Djokovic, hat er sich doch gesteigert. Bei den US Open bilanzierte Thiem da mit 5:0. Der 27-Jährige hat sich bewusst Djokovic als Vorbild genommen: "Er spielt in Tiebreaks sehr viele Returns rein und versucht, den Ball so ins Feld zu spielen, dass der Gegner nichts machen kann", so Thiem während der French Open.
Freilich will es Djokovic nicht unbedingt auf die Tiebreaks ankommen lassen. Seinen Leistungen in den ersten Sätzen seiner bisherigen beiden Wien-Matches haben aber nicht mehr zugelassen. "Im ersten Satz hatte ich zu viel gewartet, er hat diktiert", bezog er sich auf die Coric-Partie. "Aber ich habe auf meine Chancen gewartet und sie genutzt, als die da waren. Man muss dann auch einen Weg zum Sieg finden. Jedes Match ist eine mentale Herausforderung, man muss die genaue Balance darin finden."
Nur eine sportliche Niederlage
Djokovic hält mittlerweile auf der Tour bei einer Jahresbilanz von 39 Siegen bei nur zwei Niederlagen, wobei nur jene im French-Open-Finale gegen Rafael Nadal sportlicher Natur war. Das Viertelfinale am Freitag gegen den Sieger der Partie des Polen Hubert Hurkacz und des Italieners Lorenzo Sonego sollte kaum zum Stolperstein werden. Im Grunde zeigt der Jahresverlauf, dass Djokovic in allen seinen Turnieren ins Finale kommt, sofern er davor nicht disqualifiziert wird oder sich verletzt.
In Wien würden dem nun sechsfachen Ranking-Ersten per Jahresende sicher auch am Sonntag etliche seiner Landsleute zujubeln: "Es war sehr schön, die serbischen Fahnen zu sehen. Ich weiß, dass in Wien viele Serben wohnen", sagte Djokovic nach seinem Achtelfinale. "Ich fühle mich sehr wohl hier. Viele Spieler lieben dieses Turnier. Tennis ist hier sehr populär. Natürlich haben Dominic Thiems Erfolge auch viel bewirkt. Und die Leute hier verstehen Tennis", lobte Djokovic das fachkundige Publikum.