So richtig fassen konnte er seine Aufholjagd auch Stunden später noch nicht, aber Jurij Rodionov musste sich schon bald auf seinen nächsten Gegner einstellen. Der 21-jährige Niederösterreicher hat mit dem Fünfsatz-Erfolg über den Franzosen Jeremy Chardy schon den vierten Sieg en suite bei den French Open gefeiert. Nun geht es für den Qualifikanten am Mittwoch in der zweiten Runde überraschend gegen den Slowaken Norbert Gombos. Auch gegen ihn darf er sich Chancen ausrechnen.
Gombos hatte Borna Coric überrascht und den als Nummer 24 gesetzten Kroaten mit 6:4,3:6,6:3,6:4 ausgeschaltet. Rodionov hat gegen den aktuell Weltranglisten-106. bisher noch nicht gespielt. "Zu verlieren habe ich wie schon in der ersten Runde nicht", sagte der 1,91 m große Linkshänder aus Niederösterreich. Das Ergebnis habe ihn auch ein bisschen überrascht. "Gombos kenne ich nicht wirklich, ich habe ihn einmal gesehen wie er gegen Murray in Mallorca bei einem Challenger gespielt hat."
Das Wichtigste für Rodionov war es aber nun, sich vom mental wie körperlich aufreibenden 4:36-Stunden-Match gegen Chardy gut zu erholen. Da er schon am Sonntag in den Hauptbewerb eingestiegen ist, hat er den Vorteil, dass er erst wieder am Mittwoch spielen muss. "Ich werde die Zeit bestmöglich nützen für meinen Körper, dass ich wieder fit bin." Eine Verhärtung bei den Adduktoren soll bis dahin ausgemerzt sein.
"Ich habe in den letzten paar Jahren wirklich hart trainiert und es ist schön, dass jetzt die Arbeit Früchte trägt", freute sich der gebürtige Nürnberger mit weißrussischen Eltern. Seit 2015 ist Rodionov Österreicher, er lebt allerdings schon seit er zwei ist in Niederösterreich.
Zwar werden ihn nun ein paar Leute mehr kennen, glaubt er. "Aber ich versuche, das immer sehr sachlich und bescheiden zu nehmen. Das ist hoffentlich erst der Anfang, hoffentlich nicht mein letzter Grand-Slam-Sieg", erklärte Rodionov. In Paris hat er schon 84.000 Euro Preisgeld brutto sicher, das ist rund die Hälfte seines bisherigen Karriere-Salärs. "Ich versuche bei mir zu bleiben", meint der Youngster, dem das Schicksal der knappen Niederlage bei der ganz großen Möglichkeit erspart geblieben ist.
Die besten Trainingspartner
Ein Schlüsselmoment in seiner Karriere könnte dieser Paris-Trip sein. "Es war bis dato in meiner Karriere mein größter Sieg, besonders wegen der Fünfsatzpartie, Matchball abgewehrt, erstes Grand-Slam-Hauptfeld. Aber ich glaube, ich muss mir noch ein bisschen Zeit lassen um zu überdenken, was dieser Tag alles bewirken kann", war sich Rodionov, der Schützling von Tour-Coach Javier Frana unter den Fittichen von Wolfgang Thiem ist. "Ich hoffe, ich kann das Momentum mitnehmen, nicht nur in die nächste Partie, sondern in die nächsten paar Monate."
Eines weiß Rodionov aber jetzt schon: Die Entscheidung ins Trainingszentrum Alt Erlaa zu wechseln, dort wo auch Dominic Thiem, Dennis Novak, Sebastian Ofner und Lucas Miedler üben, war richtig. "In Österreich oder in Mitteleuropa werde ich keine besseren Trainingspartner finden wie den Dominic, Dennis, Ofi, Luci und deswegen bin ich megaglücklich dort. Man verbessert sich auch automatisch, nur wenn man jeden Tag mit diesen Spielern trainiert", erklärte Rodionov.
Der Vorteil der starken linken Hand
Neben einem starken Aufschlag und dem natürlichen Vorteil des Linkshänders im vom Rechtshändern dominierten Feld verlässt sich Rodionov auch sehr auf seine beidhändige Rückhand. "Es ist generell so, dass ich mich auf meiner Rückhand sicherer fühle als auf meiner Vorhand. Meine Vorhand hat mehr Potenzial, aber an manchen Tagen spüre ich sie nicht wirklich oder habe nicht das ausreichende Selbstvertrauen." Hingegen würde ihn, so versichert er, auch an schlechten Tagen seine Rückhand nicht enttäuschen.
Neben dem Preisgeld hat Rodionov auch den erstmaligen Vorstoß in die Top 150 der Weltrangliste sicher. Ein Sieg über Gombos würde ihn schon in Richtung Top 130 hieven und sein Einkommen könnte er auf brutto 126.000 Euro verbessern.