Nicht aufgeben! Oft sagt man das vor sich hin, mitunter beweist die Realität, dass man auch siegen kann, wenn man nicht aufgibt. Und weil Dominic Thiem eben nicht aufgab, weil er den Glauben bewahrte, darf er sich nun Grand-Slam-Sieger nennen.
25 Jahre nach Thomas Muster hat Österreich wieder einen Major-Sieger, denn Thiem bezwang in einem hart umkämpften und bis zum letzten Punkt hochspannenden Finale der US Open den Deutschen Alexander Zverev 2:6, 4:6, 6:4, 6:3, 7:6 (6) und erfüllte sich damit einen Lebenstraum.
2,53 Millionen Euro Preisgeld
Für den Sieg kassierte der Niederösterreicher einen Scheck in Höhe von 3 Millionen US-Dollar (2,53 Mio. Euro) sowie 2.000 ATP-Zähler. Im vierten Anlauf in einem Major-Endspiel nach den French Open 2018 und 2019 sowie dieses Jahr bei den Australian Open hat es also endlich mit dem großen Wurf für den Weltranglisten-Dritten geklappt.
Thiem schraubte sein Karriere-Preisgeld auf 26,9 Millionen Dollar, im ATP-Ranking bleibt er vorerst aber weiter Dritter. Thiem ist übrigens der erste Premieren-Grand-Slam-Sieger seit dem Kroaten Marin Cilic - ebenfalls bei den US Open - im Jahr 2014. In der Profi-Ära seit 1968 ist Thiem der erste Spieler, der in einem US-Open-Endspiel ein 0:2 in Sätzen noch umgedreht hat.
Ein Traum, der sich zunächst in einen Albtraum zu wandeln schien. Denn der Start in sein viertes Major-Endspiel, man kann ihn getrost als veritablen Fehlstart bezeichnen. Denn Zverev war nicht nur körperlich größer, sondern auch auf dem Platz. Und alles, worauf man bei Thiem gesetzt hatte, funktionierte nicht. Der erste Aufschlag? Faktisch nicht vorhanden. Die druckvolle Vorhand? Kam viel zu selten zum Einsatz. Die Rückhand? Von Zverev entschärft. Die Doppelfehler, auf die man vielleicht beim Deutschen gehofft hatte? Machte Thiem. Vorhandfehler? Kamen eher vom Österreicher. Nur die Winner, die hatte der Deutsche weit öfter im Repertoire als sein Freund auf der anderen Seite des Netzes.
Nach nur 30 Minuten stand es 2:6, auch der zweite Satz ging vorbei wie ein ICE-Zug im Vollgasmodus. 1:5 lag Thiem schon zurück, erst da kam das erste Lebenszeichen mit dem ersten Rebreak. Eines, das die Lebensgeister weckte, das Thiem langsam lauter werden ließ bei seinen Schlägen. Der 27-Jährige bewegte sich besser, kämpfte sich in die Partie hinein. Und je enger es wurde, desto wackeliger wurde sein Gegner. Die Selbstverständlichkeit und Souveränität waren auf einmal verschwunden. Und Thiem, nach wie vor nicht auf dem Niveau von Viertel- und Halbfinale, kämpfte weiter. Mit Erfolg, denn die schon befürchtete Dreisatz-Schlappe wurde abgwendet, der Albtraum verlor an Heftigkeit.
Und im vierten Satz drehte Thiem dann endgültig den Charakter der Partie, stellte alles wieder auf null. 6:3 holte er sich diesen Durchgang, damit musste die Entscheidung im fünften Satz fallen. Ob Thiem zu diesem Zeitpunkt gewusst hatte, dass der letzte Spieler, der ein Finale in New York nach zwei verlorenen ersten Sätzen gewonnen hat, ein gewisser Pancho Gonzales im Jahr 1949 war, sei dahingestellt. Geholfen hätte ihm diese Information aber wohl ohnehin nicht.
Und dieser fünfte Satz, vor der traurigen Kulisse des fast leeren Arthur-Ashe-Stadions war genau das, was man sich von einem Finale in New York verspricht, erhofft. Spannung pur, ein Krimi. Mit Traumschlägen und Fehlern. Das Momentum wechselte, Thiem holte sich das erste Break, kassierte prompt das Rebreak. Und danach blieb es eng. Zverev sah, wie schon nach zwei Sätzen, wie der Sieger aus, schaffte das Break zum 5:3 - doch wieder konterte Thiem. Und dann? War es ein wahrer Nervenkrieg. Mit Chancen auf beiden Seiten, doch Thiem war es, der letztlich seinem Gegner den Aufschlag zum 6:5 abnahm. Aber es ging ins Tiebreak.
Und das war dann Drama pur: Thiem, von Krämpfen geplagt, konnte kaum gehen. Zverev, von seinen Nerven geplagt, kaum aufschlagen. Zwei Matchbälle vergab Thiem, der dritten zum 8/6 wurde genützt - zu einem der größten Comebacks der Geschichte.