Dominic Thiem hat als erster Österreicher das Australian-Open-Finale erreicht, dort nur knapp in fünf Sätzen gegen Novak Djokovic verloren. Wie beurteilen Sie die Leistung Ihres ehemaligen Schützlings?
GÜNTER BRESNIK: Ich muss sagen, es war das beste Finale, was er jemals gespielt hat. Er spielt jetzt auf einem Level, dass er sogar bereits von den großen drei ein bisschen gefürchtet wird. Und er tritt mittlerweile auch so auf, wie es ihm zusteht. Wie bereits zwei Mal in Paris musste er nun auch in Melbourne wieder gegen einen ganz Großen spielen. Obwohl er jetzt drei Mal ein Grand-Slam-Endspiel verloren hat, hat er nichts falsch gemacht.
Der erste Major-Titel scheint auf alle Fälle zum Greifen nahe.
BRESNIK: Absolut. Für mich steht fest, dass Dominic entweder heuer in Paris oder spätestens nächstes Jahr seinen ersten Grand-Slam-Titel feiern wird. Außerdem ist er für mich schon heuer ein Kandidat für die Nummer eins.
Eine gewagte Prognose ...
BRESNIK: Warum? Er bewegt sich mittlerweile besser als Nadal und spielt schneller als Djokovic. Er ist dem Serben bis auf das Returnspiel in allen Belangen überlegen. Federer wird auch nicht mehr jünger und die Jungen hinken zu weit hinterher. Zverev, Medwedew, Tsitsipas und Shapovalov sind allesamt sehr gute Spieler, aber sie sind Dominic technisch und körperlich unterlegen. Dominics Gesamtpaket ist das Beste.
Das klingt nach sehr rosigen Aussichten.
BRESNIK: Dominic hat eine unglaubliche Konstanz, ist seit 2016 ununterbrochen in den Top zehn, stand vier Mal in Folge in Paris zumindest im Halbfinale. Und was mir in Melbourne auch sehr gefallen hat, war seine Ansprache nach dem Finale. Die hat gezeigt, dass man nicht nur gut spielen muss, sondern auch gegenüber dem Sport eine hohe Verantwortung trägt. Dominic kann den Tennissport künftig führen – in optischer, rhetorischer und spielerischer Hinsicht.
Thiems Zusammenarbeit mit Thomas Muster ist nach nur wenigen Wochen gescheitert. Wie beurteilen Sie das?
BRESNIK: Ich finde es schade, dass es nicht geklappt hat. Und es war ein Fehler, so etwas während eines laufenden Grand-Sam-Turniers zu machen. Muster hat viel Wissen und kann jedem Spieler produktive Inputs geben. Die Umsetzung ist allerdings eine andere Geschichte und Dominic hat auch seine Ecken und Kanten.
Empfinden Sie bei Thiems Erfolgen auch eine Genugtuung?
BRESNIK: Es spielt keine Rolle, was ich empfinde. Ich habe keine Zweifel daran, was ich kann – und das ist auch unter den Experten unbestritten. 95 Prozent von Dominics Ausbildung gehen auf meine Kappe. Und ich will unbedingt, dass er ein Grand-Slam-Turnier gewinnt.
Sie betreuen noch Ernests Gulbis. Juckt es Sie nicht, nochmals einen großen Spieler zu coachen?
BRESNIK: Ein paar Angebote hat es wohl gegeben, aber ich habe daran momentan kein Interesse. Für mich als Trainer ist es viel schöner, die Entwicklung eines jungen Spielers zu beobachten.
Im heimischen Tennisverband ist man gerade auf der Suche nach einem neuen Präsidenten. Auch Politiker Reinhold Lopatka soll ein Thema sein. Wäre es nicht besser, jemanden zu suchen, der in den Tennissport involviert ist?
BRESNIK: Im heimischen Verband gibt es viele Baustellen, die in den letzten fünf Jahren von Dominics Erfolgen überdeckt wurden. Raimund Stefanits (Anm.: ÖTV-Vizepräsident) ist einer der Wenigen, der in der Vergangenheit Dinge richtig gemacht hat. Aber es muss meiner Meinung nach nicht zwingend jemand aus der Tennisszene sein. Wichtig ist nur, dass sich die Person die richtigen Berater sucht. Denn hier besteht immer die Gefahr von Einsagern, die aber nur auf sich selbst schauen. Und diejenigen, die sich im österreichischen Tennis wirklich auskennen, kann man eh an einer Hand abzählen.
Was halten Sie von dem von Steiermarks Tennispräsidentin Barbara Muhr initiierten „Austrian Tennis Commitee“?
BRESNIK: Ich finde die Idee nicht schlecht. Wenn sich so Geld auftreiben lässt und dieses am Ende auch dort landet, wo es benötigt wird, ist das super.