Novak Djokovic ist der große Verlierer bei den ATP Finals. Der Serbe hätte mit einem Sieg in London nicht nur an Titeln mit dem sechsfachen Champion Roger Federer gleichziehen, sondern auch noch Rafael Nadal als Nummer eins der Welt abfangen können. So aber reiste der Serbe mit einer großen Enttäuschung Richtung Davis-Cup-Finale in Madrid ab.
Nach der deutlichen und vor allem auch schmerzvollen 4:6, 3:6-Niederlage gegen Federer im letzten Gruppenspiel erwies sich der "Djoker" jedoch als fairer Verlierer und zollte seinem Bezwinger jede Menge Respekt. "Ich bin nicht glücklich darüber, wie ich die Saison beendet habe. Aber Roger war in jeder Hinsicht der besser Spieler. Er war großartig, bewegte sich gut", schwärmte "Nole", der zugleich durchblicken ließ, dass Niederlagen gegen Federer oder Nadal weit mehr als "normale" Umfaller schmerzen würden.
Dass Federer mit seinen 38 Lenzen um sechs Jahre älter als Djokovic ist, sei für den Serben eine Inspiration: "Es zeigt mir, dass es möglich ist. Ich habe die größte Bewunderung für ihn und für das, was er auf dem Platz macht. Was er erreicht hat, ist phänomenal. Er ist auch für mich ein Vorbild, selbst wenn ich einer seiner Rivalen bin."
Bitterer Beigeschmack: Im zweiten Satz plagten den Weltranglistenzweiten Ellbogenprobleme. "Ich hatte starke Schmerzen, aber ich konnte das Spiel beenden. Wenn ich aber etwas Ernsthafteres gehabt hätte, hätte ich den Schläger nicht mehr halten können." Es sei wohl nur eine schnelle, unangenehme Bewegung gewesen. "Später gab es keinerlei Probleme."
Auch hinsichtlich Fans, die unüberhörbar im Lager Federers saßen und sogar einen Doppelfehler des Serben bejubelten, fand Djokovic versöhnliche Worte: "Es war ein wichtiges Spiel. Ich denke jedes Mal, wenn ich Roger oder Rafa irgendwo auf der Welt gegenüberstehe, ist da viel Begeisterung. Es war ein volles Stadion, was schön zu sehen war. Es war laut, es war elektrisierend. Es war eine gute Atmosphäre."
Und Federer? Der strahlte nach dem 23. Sieg im 49. Duell natürlich über beide Ohren: "Ich fühlte mich gar nicht so als Außenseiter, wie mich die Medien und viele andere sahen. Ehrlich gesagt hatte ich gar nicht so realisiert, dass mein letzter Sieg schon vier Jahre her ist. Es liegt wohl daran, dass ich mich häufig sehr nah dran fühlte. Auch dass ich ihn nach meiner Knie-OP nie mehr geschlagen habe, fiel mir erst kürzlich auf – aber ich weiß gar nicht, ob das was zu bedeuten hat."
Mit dem Halbfinaleinzug hat der Schweizer nach der Auftaktniederlage gegen Dominic Thiem in der O2-Arena eine tolle Auferstehung gefeiert: "Ich habe schon nach dem Thiem-Match erklärt, was ein Startspiel gegen einen Top-Spieler für Schwierigkeiten mit sich bringt. Ich wusste, ich kann mich ziemlich schnell steigern. Ich glaubte an meine Chancen, um ehrlich zu sein", sagte Federer, der im Finale wieder auf Thiem treffen könnte.
Nadal zum fünften Mal die Nummer eins am Jahresende
Nadal war zeigte sich übrigens sehr berührt, als er nach seinem heroischen 6:7, 6:4, 7:5-Sieg über Stefanos Tsitsipas in der O2-Arena geehrt wurde. So konnte der 19-fache Grand-Slam-Sieger zum fünften Mal in seiner Karriere das Tennisjahr als Nummer eins abschließen. "Bei all den körperlichen Problemen, die ich in meiner Karriere hatte, hätte ich nie gedacht, dass ich mit über 33 Jahren am Ende der Saison nochmals die Nummer eins sein kann."
Diese Position hat sich Nadal aber redlich verdient, konnte er heuer doch zum zwölften Mal in Paris und zum vierten Mal in New York triumphieren. "Ich bin mit meiner Leistungen überglücklich und möchte mich an dieser Stelle vor allem auch bei meiner Familie bedanken. Sie haben wegen meiner Tenniskarriere auf so manches verzichten müssen."
Alexander Tagger aus London