Schon vor Turnierbeginn wirkte er fokussierter, entschlossener und selbstbewusster als je zuvor. Mit seinem 7:5,7:5-Sieg über Roger Federer hat Dominic Thiem gezeigt, dass er bei den ATP Finals in London auch reif für mehr ist. Nun geht es am Dienstag (nicht vor 21.00 Uhr MEZ/live ServusTV, Sky) gegen Topfavorit Novak Djokovic. Mit einem Sieg wäre Thiem wohl am Ziel Halbfinale angekommen.
Nach dem bereits dritten Erfolg in diesem Jahr über den Schweizer Superstar hatte Thiem schnell den Blick auf das zweite Match in der starken Gruppe "Björn Borg" gerichtet. Gegen Federer hat der 26-jährige Niederösterreicher nun schon eine 5:2-Siegesbilanz aufzuweisen, Djokovic führt gegen Thiem allerdings vor dem zehnten Duell der beiden mit 6:3.
London Calling - Alexander Tagger berichtet aus London
"Ich glaube, dass er derzeit der Beste ist. Das hat er auch in (Paris-) Bercy bewiesen. Dort hat er irgendwie nicht sein bestes Tennis gespielt, aber trotzdem den Titel ziemlich einfach gewonnen", ist sich Thiem vor dem nächsten "Kracher" bewusst. Bei den French Open in Paris hatte der Schützling von Nicolas Massu den "Djoker" im bisher letzten Aufeinandertreffen aber im Fünfsatz-Kampf mit 6:2,3:6,7:5,5:7,7:5 bezwungen.
Ein paar Höhepunkte dieses Matches möchte sich Thiem zu Gemüte führen, auch wenn es im Freien, auf Sand und bei extremen Wetterbedingungen nur bedingt ein Maßstab sein kann. Doch taktisch will sich Thiem ein paar Anregungen holen. Damals war das Halbfinale an zwei Tagen ausgetragen worden, ein vor allem mentaler Nachteil für Thiem für sein zweites French-Open-Finale. Denn zwei der "big three" Federer, Nadal, Djokovic hintereinander zu schlagen, das ist noch immer der Schlüssel zum Grand-Slam-Triumph - und fast ein Ding der Unmöglichkeit für die Konkurrenz.
Nun muss Thiem die zweite der drei Tennis-Legenden bezwingen, kann allerdings den Aufstieg ins angestrebte Semifinale auch bei einer Niederlage schaffen. Für den Lichtenwörther ist aber auch ein Sieg über den "Djoker" kein Ding der Unmöglichkeit. "Ich glaube, dass es von der Situation her diesmal schon ein bisserl anders ist. Es ist hier komplett am Anfang von einem Turnier, es ist best-of-three-Sätze. Ich habe am Montag Pause, dann werde ich am Dienstag sicher top ausgeruht ins Match gehen."
Das Spiel gegen Federer: Dominic Thiem schlug sein großes Idol
Djokovic äußerte sich nach seinem glatten 6:2,6:1-Sieg über Finals-Debütant Matteo Berrettini, der am Dienstag gegen Roger Federer schon eine Art "Play-off" um die Halbfinalchance spielt, voll des Lobes für Thiem. "Er hat schon früher in dieser Woche gesagt, dass das wahrscheinlich seine beste Saison war. Zu Hause in Wien zu gewinnen, das war natürlich sehr wichtig für ihn. Dann der Sieg in Indian Wells. Wir wissen, was für ein guter Spieler er auf Sand ist. Er beweist, dass er auf anderen Belägen genauso gut spielen kann", erklärte Djokovic.
Thiem sei ein etablierter Top-Five-Spieler. "Wir müssen über seine Qualitäten nicht mehr reden", sagt der 16-fache Major-Sieger und tut es dann doch. "Seine Hingabe, Professionalität und Hartarbeiter-Ethik ist fantastisch, und er ist ein wirklich netter Kerl." Gegen Thiem-Coach Massu habe er noch selbst gespielt und er kenne ihn seit vielen Jahren. "Sie sind ein großartiges Team und sie verdienen es, hier zu sein."
Manager Herwig Straka war mit Thiems erstem Auftritt hochzufrieden. "Er hat die engen Punkte und zum richtigen Zeitpunkt das Break gemacht. Eine Superleistung auch vor allem mental." Ob man nach diesem Auftakt sogar von mehr als dem Halbfinale träumen darf? "Man muss Ziel für Ziel denken. Das Halbfinale ist das Ziel - das war wichtig im Kopf."
Djokovic werde nun eine "Riesenherausforderung", aber "die Chance ist auf jeden Fall da, weil Dominic spielt einfach gut zur Zeit." Keinesfalls darf man aber die Gruppen-Arithmetik beim "Masters" unterschätzen: Verliert Thiem am Dienstag, muss er am Donnerstag gegen Berrettini abliefern - und es kann dennoch eng werden. "Dann wäre alles wieder komplett offen", warnt auch Thiem.
Übrigens hat es in den bisher neun Begegnungen Thiems mit Djokovic schon eine in der Londoner 02-Arena gegeben: bei seinen ersten ATP Finals 2016 holte Thiem im Gruppenmatch zunächst das Auftakt-Tiebreak, ehe er noch glatt 0:6,2:6 verlor. Aber Thiem ist seitdem ein auch vom Auftreten her kompletterer Spieler geworden.