Auch wenn Turnierdirektor Herwig Straka von Daniil Medwedew, Kei Nishikori, Nick Kyrgios und Juan Martin del Potro bittere Absagen zur Kenntnis nehmen musste, kann der Grazer heuer ein bärenstarkes Feld servieren. Das unterstreicht bereits der heutige erste Spieltag, an dem mit dem an Nummer zwei gesetzten Karen Chatschanow, Matteo Berrettini (3) und Diego Schwartzman gleich drei Kapazunder auf den Center Court der Stadthalle marschieren werden.
Um ca. 17 Uhr kommt es übrigens auf dem Center Court zu einer verspäteten Ehrung. So wird Jürgen Melzer für seine herausragende Einzelkarriere, in der er auch zwei Mal das Stadthallenturnier gewinnen konnte (2009, 2010), ausgezeichnet. Eigentlich hätte der Akt bereits vergangenes Jahr über die Bühne gehen sollen, doch musste der ehemalige Weltranglisten-Achte bei seiner Abschiedsvorstellung nach einem heroischen Auftaktsieg über Milos Raonic in der zweiten Runde gegen den späteren Turniersieger Kevin Anderson wegen einer Magenverstimmung w.o. geben und verbrachte den Tag im Bett.
Dominic Thiem ist ja erst am THIEMstag gegen Jo-Wilfried Tsonga an der Reihe. Der Österreicher sprach von einem der schwersten Erstrundenlose, das man in Wien ziehen konnte. Dasselbe Liedchen kann aber auch Chatschanow singen, gilt sein polnischer Gegner Hubert Hurkacz doch als einer der großen Aufsteiger dieser Saison. Der 22-Jährige hat erst am 14. Oktober mit Position 33 sein Karriere-High im ATP-Computer erreicht und dürfte Chatschanow vor allem mit seinem schnellen Service das Tennisleben schwer machen.
Fast ein wenig unter bei der ganzen Starparade des ersten Stadthallen-Tages geht das Duell zwischen Grigor Dimitrov und Damir Dzumhur. Der Bulgare, der nach seinem Triumph beim ATP-Finale 2017 im Jahr 2018 einen Leistungseinbruch hatte und zu Beginn des heurigen Jahres mit Schulterproblemen kämpfte, schaffte es bei den US Open als Ungesetzter mit einem Sieg über Roger Federer bis ins Halbfinale und scheint langsam aber sicher wieder der Alte zu werden.
Interessant ist aber vor allem auch die Lebensgeschichte seines Gegners. Dzumhur, der sich über die Qualifikation in den Hauptbewerb gekämpft hat, wurde kurz nach Ausbruch des Bosnien-Kriegs 1992 in einem bereits zerstörten Spital in Sarajewo als Sohn eines Tennislehrers geboren. Nur wenige Meter daneben, in der Zetra-Olympiahalle von 1984, startete der heute 27-Jährige fünf Jahre später seine Tennis- Karriere.
In jungen Jahren versuchte sich Dzumhur aber nicht nur im im Spiel mit dem gelben Filzball, sondern fuhr auch Ski, spielte Fußball und sogar in zwei Filmen mit. 2006 hatte er als 14-Jähriger eine Statistenrolle im Antikriegsfilm "Esmas Geheimnis – Grbavica" (dieser Film wurde sogar mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet), drei Jahre später spielte er im Bundeswehr-Drama "Mörderischer Frieden" den Sniper "Durcan".
Und zu seinen spielerischen Qualitäten: Dzumhur, der in seiner Juniorenzeit die Nummer drei der Welt war und mit Moskau, St. Petersburg (beide 2017) sowie Antalya (2018) bereits drei ATP-Titel erobern konnte, ist mit 1,75 Meter eher klein, macht die fehlende Reichweite aber mit seiner Schnelligkeit weg. Der Bosnier, aktuell die Nummer 93 im Computer, ist wieselflink und verfügt über beachtliche Grundschläge.
Bekannt ist übrigens auch bereits, was der 27-Jährige nach seiner Profikarriere plant: "Ich würde gerne wieder schauspielern", sagt Dzumhur.