Dieses Grand-Slam-Finale der Damen bei den US Open 2018 wird noch lange in Erinnerung bleiben. Einerseits wegen des Aufstiegs der hochtalentierten, 20-jährigen Japanerin Naomi Osaka, die auch im Endspiel großartiges Tennis zeigte. Andererseits aber auch wegen eines durch selten geahndetes Coaching ausgelösten Skandals, den die eigentlich so erfahrene Serena Williams auf die Spitze trieb.
Auch wenn sie selbst steif und fest behauptete, dass sie keine "Betrügerin" sei: Ihr Coach Patrick Mouratoglou gab gegenüber dem US-TV-Sender ESPN zu, dass er Williams eine Art von Rat gegeben habe. Was allerdings andere Trainer sehr wohl auch tun. "Wir haben keine Signale und haben auch nie darüber gesprochen", behauptete Williams. Ob Stuhl-Schiedsrichter Carlos Ramos eine große Rolle bei der Entscheidung gespielt habe, bezeichnete Williams als "eine gute Frage". "Es ist hart zu sagen, weil ich immer bis zum Ende kämpfe. Aber sie hat wirklich gut gespielt."
Es gibt selten Verwarnungen
Fakt ist allerdings, dass Verwarnungen wegen Coachings im Circuit sehr selten passieren. Williams brachte diese Verwarnung derart aus der Fassung, dass sie auch beim darauffolgenden Seitenwechsel den Schiedsrichter überzeugen wollte, dass sie niemals betrügen würde. "Da würde ich lieber verlieren", versicherte sie Ramos.
Buh-Rufe bei der Ehrung
Das Publikum hatte bei der Siegerehrung jedenfalls mit einem Buh-Konzert der Premierensiegerin Osaka die Tränen in die Augen getrieben. Von Freude keine Spur. "Das habe ich dem Publikum dann auch gesagt. Das war ihr Moment, sie hat das nicht verdient und ich auch nicht", meinte Williams später dazu.
An ihrer Kritik hielt sie aber auch mit etwas Abstand fest. "Ich kann hier nicht sitzen und sagen, dass ich nicht mehr sagen würde, dass er ein Dieb ist. Weil er hat mir ein Game weggenommen." Da verwechselte die 23-fache Grand-Slam-Siegerin aber etwas: denn der Game-Abzug kam erst nach ihrer verbalen Entgleisung. Immerhin hatte sie selbst dem Referee auch gesagt, dass er ein Lügner sei und nie wieder ein Match von ihr leiten werde.
"Das war Sexismus - Männer dürfen mehr!"
Und Williams brachte es danach auf eine andere Ebene. Männer hätten Schiedsrichtern schon ganz andere Dinge gesagt. "Und ich bin hier, um für Frauenrechte und gleiche Behandlung zu kämpfen." Wegen des Wortes "Dieb" sei noch keinem Spieler bei den Herren ein Game weggenommen worden. "Das hat sich für mich wie eine sexistische Bemerkung angefühlt." Sie werde jedenfalls weiter für die Frauen und deren Gleichbehandlung kämpfen. Einer Frau müsse es erlaubt sein, ihre Emotionen zu zeigen und "eine starke Frau" sein zu dürfen.
Die Pressekonferenz von Serena Williams im Video:
Osaka, deren Aufstieg zur Top-Ten-Spielerin mit einer eindrucksvollen Leistung untermauert wurde, wollte oder konnte zu dem Zwischenfall selbst nicht viel sagen. "Ich habe nicht wirklich etwas gehört, weil ich auch mit dem Rücken zu ihr stand", sagte Osaka, die als Kind selbst ein großer Fan von Serena Williams war.
Als sie dann realisierte, dass es 5:3 (nach der Game-Strafe von 4:3 auf 5:3, Anm.) stand, sei sie verwirrt gewesen. "Aber ich wusste, sie ist ein so großer Champion und ich weiß, dass sie aus jeder Situation zurückkommen kann. Darum habe ich versucht, mich nur auf mich zu konzentrieren."
Nach dem Buhkonzert im Zuge der Siegerehrung, das Williams dann aber mit Worten abstellen konnte, entschuldigte sich Osaka förmlich bei Publikum und Williams für ihren Sieg. Als sie im völlig überfüllten Interview-Raum Nummer 1 gefragt wurde, warum sie das denn gesagt hatte, stiegen Osaka die Tränen in die Augen.
"Ich weiß, dass sie wirklich ihren 24. Grand-Slam-Titel wollte. Das weiß jeder. Wenn ich auf den Platz gehe, fühle ich mich wie eine andere Person. Ich bin kein Serena-Fan, sondern nur eine Tennisspielerin, die gegen eine andere Tennisspielerin spielt", erklärte Osaka. "Aber als ich sie am Netz umarmt habe", sagte Osaka, der wieder die Tränen kamen, "habe ich mich wieder wie ein kleines Kind gefühlt." Ein Kind, dass einst in der Schule sogar einen Bericht über Williams verfasst hatte.
Williams hingegen hatte schon mehrmals unliebsame Vorfälle ausgerechnet bei den US Open, ihrem Heimturnier erlebt. Im Halbfinale der US Open 2009 hatte sie gegen Kim Clijsters nach einer bereits erhaltenen Verwarnung einen lautstarken Disput mit einer Linienrichterin. Diese hatte einen Fußfehler bei 15:40 und Matchbällen gegen Williams konstatiert und Williams, hatte sie dann mit Worten derart bedroht, dass diese das beim Stuhl-Referee meldete. Der sprach die zweite Verwarnung aus, was einen Punkteabzug und damit den Sieg bei Matchball Clijsters bedeutete.
Nach jenem Ausraster war Williams für zwei Jahre unter Beobachtung gestellt worden und bei einem weiteren gröberen Fauxpas wurde sogar eine Sperre für die US Open angedacht. 2011 passierte dann im Finale gegen Samantha Stosur (AUS) wieder etwas, ein heftiger Disput mit der Schiedsrichterin Eva Asderaki, die eine Folge von Strafpunkten gegen Williams zur Folge hatte. "Sie sind eine Hasserin und einfach nur innerlich unattraktiv", hatte Williams u.a. gemeint - und verlor in der Folge gegen Stosur glatt mit 2:6,3:6. Die Parallelen zur Gegenwart sind frappant: Damals hatte Stosur ihren ersten Grand-Slam-Triumph gefeiert und dieser stand dann ganz im Schatten des Konflikts von Williams mit der Schiedsrichterin.
Was Williams ihrer Tochter Olympia denn sagen würde, wenn sie sie zum Zwischenfall im Finale 2018 fragen würde? "Ich würde sagen, dass ich dafür aufgestanden bin, woran ich glaube und was richtig war. Manchmal passieren die Dinge im Leben nicht so, wie wir das wollen, aber man soll immer bescheiden bleiben."