Nicht Serena Williams, sondern Naomi Osaka hat am Samstag in New York ein Stück Tennis-Geschichte geschrieben. Die erst 20-jährige Osaka besiegte die 16 Jahre ältere US-Amerikanerin im Finale der US Open nach 1:19 Stunden mit 6:2,6:4. Osaka ist damit die erste Grand-Slam-Siegerin im Einzel aus Japan überhaupt, auch bei den Herren ist das bisher keinem Spieler gelungen.

Williams wurde hingegen ihr siebenter US-Open-Titel verwehrt. Auch ihren Traum, den Allzeitrekord der Australierin Margaret Court (24 Major-Titel) endlich zu egalisieren, konnte die 23-fache Grand-Slam-Siegerin vorerst noch nicht verwirklichen.

Der Skandal und Fast-Eklat

Es war ein denkwürdiges Finale, denn Osaka war sportlich einfach überragend, nahm Williams den ersten Satz mit 6:2 ab. Und das Arthur-Ashe-Stadion war in Schockstarre, es war verdächtig leise. Und dann nahm ein Skandal seinen Lauf, beginnend mit einer Verwarnung für Serena Williams wegen angeblichen Coachings nach Blickkontakt mit ihrem Trainer Patrick Muratoglu. "Ich würde lieber verlieren, als zu betrügen", sagte sie da zum Schiedsrichter. Aber die Verwarnung blieb.

Und als die USA-Amerikanerin im zweiten Satz ihren Aufschlag zum Rebreak für Osaka zum 2:3 abgeben musste, ging ihr Schläger zu Bruch, so wütend drosch die 36-Jährige ihn auf den Hartplatz. Logische Folge: Eine weitere Verwarnung und Punktabzug. Das brachte Williams wirklich auf die Palme: "Ich habe NIE betrogen", herrschte sie Schiedsrichter Carlos Ramos an, "und ich habe eine Tochter, vor der ich mich verantworten muss", meinte sie.

"Lügner!" - "Dieb!"

Doch es war zu spät. Und der Faden, den Williams in diesem Turnier nie so richtig gefunden hatte, war endgültig gerissen. Zu Null gewann Osaka, die während der Diskussionen geduldig gewartet hatte, ihren eigenen Aufschlag, dann nahm sie diesen Serena ein weiteres Mal ab. Und die fand keine Ruhe, beschimpfte Ramos als "Lügner", mehrere Male, dann auch als "Dieb". Und kassierte eine weitere Verwarnung – samt Abzug eines gesamten Spiels. Plötzlich stand es 5:3 – und die Sache stand kurz vor der kompletten Entgleisung.

Williams forderte die Supervisor, weinte vor Zorn und Verzweiflung - und verlor schließlich, weil sich die 20-Jährige auf der anderen Seite des Netzes sensationell verhielt und mit der durchaus schwierigen Situation überraschend gut fertig wurde. Ihren zweiten Matchball verwertete sie. Ein Sieg, der ihr einen Siegerscheck in Höhe von 3,8 Millionen Dollar sichert. Im WTA-Ranking wird sich Osaka vom 19. Platz an die 7. Stelle und damit erstmals in die Top Ten verbessern.

Tränen auf allen Seiten

Dann war es aber auch bei Osaka mit der Beherrschung vorbei. Sie weinte hemmungslos, kletterte in ihre Box und ließ sich von ihrem deutschen Erfolgscoach Sascha Bajin, der übrigens langjähriger Trainingspartner von Serena Williams war, herzen; ebenso von ihrer Mutter. Und Williams war zwar Osaka gegenüber eine echte Größe und umarmte sie, aber der spürbare Hass auf Schiedsrichter Carlos Ramos blieb und beeinflusste auch das Publikum. 

Bei der Siegehrung gab es zunächst so viele Buh-Rufe, das Osaka beschämt die Kappe über die Augen zog, um ihre Tränen der Enttäuschung und Scham zu verbergen. Bis Serena sich das Mikrofon schnappte und meinte: "Leute! Sie spielte hervorragend, das ist ihr erster Grand Slam, seid nicht gemein!" Und dann klappte es mit dem Applaus. Und Williams meinte weiter: "Ich weiß, wir hätten uns was anderes gewünscht, aber macht ihr den besten Moment daraus. Gratulation Naomi, keine Buh-Rufe mehr, bitte!“

Doch noch der Applaus

Buh-Rufe hat sich die Japanerin mit US-Pass - ihr Vater stammt aus Hawaii - durchaus nicht verdient. Sie spielte ein sensationelles Turnier und bot auch Williams mehr als nur paroli. Und dann meinte sie schüchtern: "Es tut mir leid! Ich weiß, dass ihr alle für sie wart. Es tut mir leid. Danke, dass ihr das Spiel angeschaut habt. Es war mein Traum, hier einmal gegen Serena spielen zu dürfen. Danke." Sprach, verbeugte sich vor ihrer Konkurrentin und nahm dann endlich Scheck und Pokal entgegen. Und endlich jubelte das Stadion - und endlich lächelte Osaka wieder. . .

Lustige Ansprache

Seit dieser Saison stürmt Osaka in den Ranglisten nach oben, gewann das Turnier in Indian Wells. Und begeisterte da schon mit ihre Siegesansprache, die zum absoluten Internet-Hit wurde. Aber sehen sie selbst. Apropos: Auch die Worte bei der Siegerehrung waren nach den ersten Tränen nicht schlecht. So offenbarte sie, dass ihre Mama ihr gesagt habe, "wie stolz es sie macht, mir zuschauen zu können", ihr Papa aber nicht da sei: "Der hält das körperlich nicht aus. Der kann nicht sitzen, muss immer herumrennen!"