Sie sank kurz auf die Knie, rollte dann aber auf den Rücken und weinte Tränen der Freude. Angelique Kerber hatte soeben als erste deutsche Tennisspielerin seit Steffi Graf vor 22 Jahren den Wimbledon-Titel gewonnen. Mit einem in dieser Souveränität nicht erwarteten 6:3,6:3-Erfolg über Superstar Serena Williams in nur 65 Minuten holte die 30-jährige Kerber ihren insgesamt dritten Major-Titel.
Nach Boris Becker (3 Titel), Michael Stich (1) und Graf (7) ist Kerber nun die vierte deutsche Wimbledonsiegerin im Einzel. Für die 30-Jährige war es in ihrem vierten Major-Endspiel der dritte Triumph nach den Australian und den US Open (jeweils 2016). Damit ist Kerber von allen noch aktiven Spielerinnen hinter Williams (23), deren Schwester Venus Williams (7) und Maria Scharapowa (5) die an Grand-Slam-Titeln viert-erfolgreichste Akteurin. Kerber wird sich im Ranking von der zehnten an die vierte Stelle schieben, Williams springt vom 181. auf den 28. Rang. Die Deutsche kassierte für den Titel 2,25 Mio. Pfund (2,54 Mio. Euro) brutto.
Kerber hat damit vorerst den Allzeit-Rekord von Serena Williams verhindert. Die 36-jährige US-Amerikanerin hatte ja neben ihrem bereits achten Wimbledon-Titel ihren insgesamt 24. Major-Triumph angestrebt und wollte mit der Allzeit-Leaderin Margaret Court (AUS) gleichziehen. Chris Evert hatte schon vor der Entscheidung eine Klarstellung in Richtung Court loswerden wollen: "Sie hat elf Australian-Open-Titel gewonnen, als niemand dort hingefahren ist, weil es während Weihnachten war, das muss einmal gesagt werden." Die Größte aller Zeiten ist Serena Williams auch nach der Final-Niederlage gegen Kerber, und gerade auch, weil sie nach mehreren Operationen nach der Geburt ihrer Tochter erst ihr viertes Turnier gespielt hat.
Kerber vergaß in ihrer Dankesrede auch keinen Moment auf Williams, die ihr zuvor sehr sportlich und mit inniger Umarmung gratuliert hatte. "Serena, du bist so eine große Inspiration für jeden, für alle von uns. Ich bin wirklich sicher, du wirst bald deinen nächsten Grand-Slam-Titel haben", sagte Kerber. Die Deutsche hat ihr eigenes Comeback im Glanzlicht des Sports geschafft, war sie nach ihrem Durchbruch 2016 doch im Vorjahr am Erwartungsdruck von außen und auch von innen gescheitert und von Platz 1 auf 21 zurückgefallen.
"Ich wusste, dass ich mein bestes Tennis gegen einen Champion wie Serena spielen muss. Es war meine zweite Chance hier. Ich habe die letzten zwei Wochen jede Sekunde hier genossen", sagte Kerber auch in Erinnerung an ihr vor zwei Jahren gegen Williams verlorenes Endspiel und fügte hinzu: "Heute ist der schönste Tag in meiner Karriere, ich habe meinen Traum verwirklicht. Jetzt kann ich sagen, ich bin Wimbledon-Champion, diesen Titel kann mir keiner mehr nehmen."
So gefasst Williams zunächst wirkte, am Ende drückte es ihr dann doch auch Tränen in die Augen. "Es war ein tolles Turnier für mich, ich war wirklich glücklich, so weit zu kommen. Es ist zwar enttäuschend, aber ich kann nicht enttäuscht sein, weil ich wörtlich gerade erst wieder beginne", sagte die US-Amerikanerin, die zehn Monate nach der Geburt ihrer Tochter schon wieder fast die Alte ist. "An alle Mütter da draußen: ich habe für euch gespielt."
Williams, die in ihrer Box u.a. von Golf-Legende Tiger Woods und dem vierfachen Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton angefeuert wurde, wird sich nun wieder selbstverständlich in den Gesetztenlisten finden. Bei den French Open und ihrem ersten Major nach ihrer Babypause noch ungesetzt, hatte man die 36-Jährige in Wimbledon als Nummer 25 gereiht. Nun scheint Williams vorerst wieder in den Top 30 auf, doch ihre Rückkehr in die absolute Spitze ist nur eine Frage der Zeit.