Der Eindruck, den man nicht nur in den letzten Wochen auf der Asien-Tour, sondern auch im Vorfeld des Wiener Turniers gewonnen hat, war richtig. Nach seiner 6:4,5:7,1:6-Niederlage im Achtelfinale des Erste Bank Open gegen Richard Gasquet hat Dominic Thiem ein nicht näher definiertes körperliches Problem öffentlich gemacht und seinen Start für Paris kommende Woche abgesagt.
Die Körpersprache auf dem Center Court vor 9.200 Fans in ausverkaufter Stadthalle stimmte gegen den Franzosen am Nationalfeiertag nur im recht guten ersten Satz. Auch wenn man dem Gegner für seine Leistung allen Respekt zollen muss, so war es an diesem Donnerstag doch keine Nummer 6 der Welt im Vollbesitz ihrer Kräfte. "Es gibt da ein paar Sachen, die nur ein paar Leute wissen, die sicher nicht ideal sind und die mich ein bisserl belasten - körperlicher Natur", verriet Thiem gegen 0.30 Uhr in den Katakomben der Stadthalle.
Um welche Verletzung oder Erkrankung es sich handelt, wollte Thiem aber nicht sagen. "Das weiß ich, das weiß mein engstes Umfeld, und das wird auch so bleiben. Deshalb werde ich nächste Woche nicht spielen und dann noch einmal in sehr guter Form in London auflaufen." Es ist jedenfalls nichts, das erst im unmittelbaren Vorfeld seines Heimturniers aufgetreten ist. "Es ist schon längere Zeit da. Es ist nichts Schlimmes, aber trotzdem etwas, das immer stört. Von dem her schaue ich, dass ich das jetzt in den Griff kriege."
Das rechte Knie, das ihn vor einiger Zeit beschäftigt hatte, ist es jedenfalls nicht, versicherte Thiem. "Das Knie ist gut. Manche Sachen sind einfach nur für ein paar Leute bestimmt, die muss man nicht groß rausposaunen."
Kein Fluch
Thiem hatte sich direkt nach der Niederlage sogar noch professionell einer Ö3-Aktion gestellt und verließ gegen Mitternacht den Court. Das große Rundherum, gerade bei einem Heimturnier, belaste ihn nicht. "Es ist auf jeden Fall viel, aber man gewöhnt sich dran. Es ist eigentlich jede Woche relativ viel zu machen außerhalb vom Tennis. Ich habe da schon genug Erfahrung und stecke das ganz gut weg."
Auch von einem "Fluch" beim Heimturnier, wo er bisher erst einmal im Viertelfinale (2013) gestanden ist, wollte Thiem nichts hören. "Das Turnier ist halt ein 500er und extrem stark besetzt. Selbst wenn ich in Topform wäre, könnte es auch passieren, dass ich früh rausgehe."
Damit hat sich nach Wien die Restsaison für Thiem auf nur noch ein Turnier reduziert. Durch den Ausfall für das verpflichtende Masters-1000-Event in Paris-Bercy steht ihm dieses nun ein Jahr lang mit null Punkten in seiner Wertung. Sonstige Konsequenzen hat Thiem deshalb nach ATP-Auskunft nicht zu befürchten.
Die zweite Jahreshälfte ist damit, abgesehen vom möglichen guten Saisonabschluss, erneut nicht gelungen. "Die zweite Hälfte war bis jetzt immer klar schwächer, das ist halt durch meine bessere Ranglistenposition in den letzten zwei Jahren viel auffälliger gewesen. 2014, 2015 war es nicht viel besser", erklärte Thiem. Diese Aussage wird beim Blick auf Thiems Karrierebilanz im Oktober/November auf der Tour verdeutlicht: Das Viertelfinale 2013 in Wien war das einzige in 18 Events jeweils in diesen beiden Monaten. Wien 2017 erhöhte diese Zahl auf 19.
Der zweifache French-Open-Halbfinalist hat auf Sand seine bisher größten Erfolge gefeiert, allerdings zuletzt bei bereits fünf Majors in Folge zumindest die letzten 16 erreicht. "Ich habe vor der zweiten Hälfte gesagt, ich will es besser machen, das ist mir nicht gelungen, aber ich werde es nächstes Jahr wieder versuchen." Dass er in Wien nun nicht um sein erstes Halbfinale kämpfen kann, schmerzt Thiem. "Es tut mir selbst am meisten weh, dass ich den Zuschauern keinen Sieg geschenkt habe."
London-Start nicht in Gefahr
Für seinen zweiten Auftritt en suite im Feld der besten acht Spieler des Jahres vom 12. bis 19. November in London übt sich Thiem im Zweckoptimismus. "Ich werde auf jeden Fall in guter Form dort auflaufen. Das ist ganz klar. Es ist ein Saisonhighlight. Ich bin mir sicher, egal wie es dann ergebnistechnisch ausgeht, dass ich dort gute Leistungen abrufe."
Die Wahl zum "Sportler des Jahres" 2017 in Österreich wird sich Thiem am 2. November im Fernsehen anschauen. "Weil ich die Wahl seit Jahren anschaue. Es ist natürlich eine schöne Ehrung, aber für mich persönlich komplett egal eigentlich. Werde ich es, ist es schön, werde ich es nicht, ist es auch sehr schön. Es ist mir komplett wurscht." Der Tennis-Star zählt neben Marcel Hirscher und Stefan Kraft zum engsten Favoritenkreis für die Wahl.
Coach Günter Bresnik, der sich zu Thiems Gesundheitszustand nicht äußern wollte, erinnerte mit Blick auf das Masters an 2016: "Er hat letztes Jahr (in dieser Saisonphase) schlecht gespielt und dann beim Masters eigentlich ganz gut gespielt. Er hat gegen Djokovic einen Satz gewonnen, gegen Raonic eine gute Partie gespielt und gegen Monfils gewonnen, da kann man sich nicht beschweren."
Thiem versprach jedenfalls, dass er es 2018 in Wien wieder probieren wird. "Ich habe noch sehr viele Auftritte hier. Da bin mir sicher, dass es irgendwann klappen wird." Und er dachte zu später Stunde nochmals an das Publikum: "Da kann man sich nur bedanken bei den Leuten. Es tut mir leid, dass ich nicht gewonnen habe als Österreicher."