Eine Rückenverletzung hatte seine Vorbereitung auf die US Open in New York einigermaßen gestört. Doch Roger Federer spielte sich mit zwei Fünf-Satz-Erfolgen ins Turnier und die Hoffnungen, vielleicht nach den Australian Open und Wimbledon mit 36 Jahren auch noch den dritten "Slam" des Jahres zu holen, waren bei ihm und seinen Fans gestiegen. Doch im Viertelfinale kam am Mittwoch das Aus.
Juan Martin del Potro riss nach 2:52 Stunden und einem nicht erwarteten 7:5,3:6,7:6(8),6:4 über den Weltranglisten-Dritten die Arme in die Höhe. Die Szene erinnerte ein wenig an jene vom Montag: Auf dem Grandstand hatte der 28-jährige Argentinier einen 0:2-Satzrückstand gegen Dominic Thiem ebenso aufgeholt wie zwei Matchbälle des Niederösterreichers mit zwei Assen abgewehrt. Dabei hatte er in den ersten beiden Sätzen von einer Verkühlung schwer angeschlagen gewirkt und sogar ans Aufgeben gedacht.
Davon war im gesteckt vollen Arthur Ashe Stadium zwei Tage später nichts mehr zu bemerken. Während del Potro nun am Freitag mit einem Sieg über Rafael Nadal sein zweites US-Open-Finale nach 2009 erreichen will, tritt Roger Federer die Heimreise an. Eine bittere Niederlage für den Schweizer Superstar, aber er ist keinesfalls verbittert. "Natürlich ist es schade, aber Juan Martin hat es mehr verdient", erklärte Federer.
Federer vergab vier Satzbälle
Vier vergebene Satzbälle im Tiebreak des dritten Durchgangs sind im Nachhinein der Aufhänger für die Niederlage, doch Federer sieht da weit mehr Hintergründe. "Für mich ist kein Platz im Semifinale und er wird eine bessere Chance haben, Rafa zu schlagen, um ehrlich zu sein", überraschte Federer die Journalisten nach Mitternacht in den Katakomben des größten Tennisstadions der Welt. So wie er selbst derzeit spiele, reiche es eben nicht. "Nicht gut genug, um das Turnier zu gewinnen. Da ist es besser, ich bin draußen und jemand anders hat die Chance, es besser als ich zu machen."
Das hat man von einem Star fast unmittelbar nach einer Niederlage so noch nicht oft gehört. Und wenn, dann wohl von Federer selbst, dem vorbildlichen Sportstar aus der Schweiz. Den Traum vom dritten Major-Titel in seinem sensationellen Comeback-Jahr nach den Australian Open und Wimbledon musste er aber abhaken.
Del Potro sei einfach besser gewesen. "Besonders bei den big points." Dass es nun weder zum ersten Duell bei den US Open überhaupt mit Nadal kommt noch zum großen Match um die Nummer eins der Welt, darüber habe er auch vor dem Spiel gegen del Potro nie nachgedacht. "Ich nicht, ihr habt das getan", sagte er zu den Medienvertretern. "Ich wusste, dass es ein hartes Match wird. Ich hatte vorher schon zu viele Probleme gehabt, um weit vorauszudenken."
"Natürlich bist du enttäuscht, wenn du verlierst"
Er würde freilich lügen, wenn ihn die Niederlage nicht kümmert. "Natürlich bist du immer enttäuscht, wenn du verlierst. Es ist schrecklich, daran zu denken, was vor einem liegt: Koffer packen, heimreisen. Das nervt einen als Tennisspieler und macht keinen Spaß. Also muss es wehtun und das tut es auch", konstatierte Federer. Doch seine Perspektive sei in diesem Alter und nach der bisherigen Saison eine andere. "Ich werde mich schneller davon erholen. Aber natürlich hätte ich gerne hier mehr erreicht."
Während des gesamten Turniers sei zu viel auch von seinem jeweiligen Gegner abgehangen. "Und dieses Gefühl mag ich nicht. Dieses Gefühl hatte ich durch das gesamte Turnier und vor jedem Match." Weder in Wimbledon noch in Melbourne habe er dies verspürt. "Und deshalb bin ich zu Recht aus dem Turnier draußen. Weil ich nicht gut genug war, weder in meinem Kopf, mit meinem Körper und mit meinem Spiel, um das zu überstehen." Wenn diese drei Säulen nicht zusammenpassen würden, dann werde es schwierig.
Federer sah schnell und sogar schon beim Abgang aus dem Stadion auch das Positive. "Endlich kann ich mich ausrasten. Weil ich bin müde. Ich habe viel reingesteckt. Ich war nicht sicher, ob ich spielen kann, ehrlich gesagt, also bin ich froh, dass ich jetzt ausrasten kann", gestand der 36-Jährige.
Pause bis Ende September
Seine Saison geht beim neu geschaffenen Laver Cup in Prag (22. bis 24.9.) gemeinsam u. a. mit Thiem weiter. Danach spielt Federer Schanghai, Basel, Paris und bei den ATP World Tour Finals in London. Auch im Kampf um einen möglichen Nummer-1-Status wird er daran nichts ändern.
"Ich hoffe, ich bin dann gut erholt und bin 100 Prozent fit zum Laver Cup. Dann hoffe ich, dass ich früh in Schanghai ankomme, um wirklich bereit zu sein. Es wird meine Priorität sein, das Turnier zu gewinnen", stellte Federer fest. Auch wenn nach diesem Jahr alles nur noch ein Bonus ist, so hofft Federer, dass "noch mehr" kommt. "Ich hatte ein wundervolles Jahr. Aber es ist nun mal Teil des Spiels, ich kann nicht alles gewinnen." "Normalerweise" aber, ergänzte der 19-fache Major-Sieger, "spiele ich gegen Ende der Saison sehr gut."
Federer ließ übrigens später auch durchblicken, dass das Gerede um seine Verletzung vielleicht durchaus einen Einfluss gehabt hat. "Ich bin sicher, dass auch andere Spieler mit Verletzungen kämpfen, aber die reden nicht drüber. Ich musste es leider tun wegen der Absagen in Montreal und Cincinnati. Sonst hätte ich auch nicht darüber gesprochen." Denn natürlich wird man nach jedem Match immer wieder darauf angesprochen. Nicht unbedingt förderlich, wenn man die vielleicht vorhandenen leichten Unsicherheiten eigentlich aus dem Kopf bekommen möchte.