Erst am späten Donnerstagabend fällt die Entscheidung über den zweiten Halbfinalisten der mit 7,5 Mio. Dollar dotierten ATP-Finals in London aus der Gruppe "Ivan Lendl": Dominic Thiem trifft um 21.00 Uhr (MEZ) im letzten Pool-Match auf den als Nummer 4 gesetzten Kanadier Milos Raonic. Der 23-jährige Niederösterreicher geht als Außenseiter ins zweite Duell mit dem Wimbledon-Finalisten 2016.

Dank Novak Djokovic, der nach dem Dreisatz-Sieg zum Auftakt über Thiem und dem 7:6,7:6 über Raonic am Dienstagabend und mit dem heutigen Sieg über David Goffin (6:1, 6:2) Gruppensieger und Halbfinalist feststeht, ist die Ausgangslage klar. Der Taschenrechner im komplizierten Turnier-Modus ist in dieser Gruppe nicht nötig: Der Sieger aus Thiem gegen Raonic steht im Semifinale und trifft auf den Sieger der anderen Gruppe.

Thiem hat Chancen auf Größeres

Thiem war mit zuletzt enttäuschenden Ergebnissen und schlechter Form zu seiner Premiere im Kreis der Jahresbesten nach London gekommen. Doch schon jetzt hat er, trotz schwankender Leistung, seine berechtigte Qualifikation auch den letzten Zweiflern bewiesen: Einen Satzgewinn gegen den bis vor kurzem noch Weltranglisten-Ersten Djokovic im vierten Duell hatte man ihm davor in dieser Saisonphase nicht zugetraut. Und mit dem 6:3,1:6,6:4-Erfolg über Gael Monfils (FRA-6) hat sich Thiem sogar seine Chance auf Größeres erspielt.

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200 Punkte für das Ranking, die ihm ein Jahr in der Wertung bleiben, und ihn noch vor Rafael Nadal auf Platz acht in der Jahres-Endwertung bringen sowie weitere 179.000 Dollar (neben dem Startgeld) brutto für die Kassa hat sich Thiem erspielt. "Ich bin froh, dass ich meinen halbwegs guten Level gefunden habe", meinte Thiem. Ein Sieg über Raonic wäre aufgrund der Ausgangslage aber trotzdem eine große Überraschung, die Halbfinal-Teilnahme beim ersten Antreten eigentlich eine Sensation.

200 ATP-Punkte und 179.000 Dollar

"Dass es noch um was geht, ist super für mich", freut sich der Lichtenwörther, der im Falle eines neuerlichen Sieges weitere 200 ATP-Zähler und weitere 179.000 Dollar einheimsen würde.

Bei so manchem Spieler - auch bei Thiem - macht sich die kräfteraubende Saison bemerkbar. Auch Monfils oder Stan Wawrinka wirkten in London keinesfalls in Topform. Thiem führt das aber nicht unbedingt auf den Zeitpunkt des Jahres zurück. "Es gibt natürlich Spieler, die weniger gespielt haben, aber im Endeffekt geht es bei fast jedem Tennismatch nicht nur um das Spielerische, sondern auch um die körperliche Fitness", erklärte Thiem. Auch im australischen Sommer, ganz zu Beginn der Saison im Jänner, bei 40 Grad entscheide der körperliche Zustand ja ebenso über Sieg und Niederlage, führte er aus.

Das einzige Duell hat Thiem verloren

Ehe sich Thiem in den verdienten Urlaub verabschieden kann und er dann auch über die Saison 2017 nachdenken kann, steht das dritte Aufeinandertreffen mit einem Top-Ten-Spieler innerhalb von fünf Tagen auf dem Programm. Das bisher einzige Match gegen Raonic hatte Thiem in diesem Jahr beim Masters-1000-Turnier von Cincinnati im Viertelfinale mit 3:6,4:6 verloren.

Thiems Rezept? "Man sollte seine eigenen Aufschlag-Spiele sehr konzentriert spielen. Er ist definitiv einer der drei besten Aufschläger der Tour, also wird es Games geben, in denen man gar keine Chance hat", blickte Thiem voraus. Er werde schauen, dass er so viele erste Aufschläge wie möglich retourniert, so viele Punkte wie möglich über dessen zweiten gewinnt. "Und zur Not muss man halt ins Tiebreak. Das ist ein Spieler, gegen den kann es auch passieren, dass man mit einer sehr guten Leistung 6:7,6:7 verliert." Djokovic bewies wenige Stunden nach diesen Aussagen, dass es auch umgekehrt geht.

Thiem ist nun lockerer

Immerhin ist die große Nervosität im Gegensatz zum ersten Match gegen Djokovic vor der außerordentlich tollen Kulisse der O2-Arena schon zurückgegangen. "Nach den schlechten Leistungen in den letzten Wochen, war ich schon sehr angespannt", gestand Thiem. Das gute Match gegen den Weltranglisten-Zweiten habe ihn lockerer gemacht.

"Diese große Arena, die vielen Zuschauer gibt mir und wahrscheinlich auch allen anderen, sehr viel Energie. Ich glaube deshalb gibt auch jeder seine letzte Energie in diesem Turnier", glaubt Thiem.

Auch Raonic wittert seine Chance

Raonic war nach seiner knappen Niederlage gegen Djokovic nur kurz sauer. "Ich habe eine Chance, es in 48 Stunden besser als heute zu machen", sagte der Weltranglisten-Vierte. Natürlich hat Raonic Thiems Aufstieg beobachtet. "Er hat seine Sache gut gemacht über das ganze Jahr. Offensichtlich, ganz so wie ich selbst, hat er zu Beginn des Jahres extrem gut gespielt und seither nicht unbedingt sein bestes Tennis gespielt", erklärte Raonic. "Das ist einer meiner besten Beläge und ich weiß nicht, ob Indoor-Hartplätze unbedingt das Seine sind. Hoffentlich kann ich ihm wenig Zeit geben und ihm mein Spiel aufzwingen", sagte Raonic.