Gelungene Premiere für Dominic Thiem im Kreis der besten Spieler 2016. Der 23-jährige Niederösterreicher verlor zwar am Sonntag sein Auftakt-Match bei den mit 7,5 Millionen Dollar dotierten ATP-Finals in der Londoner O2-Arena, zeigte aber beim 7:6(10), 0:6, 2:6 in 2:02 Stunden gegen Novak Djokovic vor allem im Auftakt-Satz großartiges Tennis.

Vor 17.800 Zuschauern in der eindrucksvollen Arena, in die Thiem nach toller visueller Aufbereitung der Organisatoren einmarschiert war, zeigte der Weltranglisten-Neunte, warum er in diesem Jahr in die Top Ten vorgestoßen ist. Der Debütant in der Gruppe "Ivan Lendl" musste sich nach mitreißendem ersten Satz aber doch der weit größeren Routine des zuletzt vierfachen Siegers dieses Events und als Nummer 2 gesetzten Serben beugen.

"Unglaubliches Gefühl"

"Wenn man da im Rauch reingeht, das war ein unglaubliches Gefühl. Ich war auch sehr nervös und es hat natürlich geholfen, dass ich einen guten Start erwischt habe", beschrieb Thiem seine Premiere an einem der wohl stimmungsvollsten Schauplätze der Tennis-Szene. "Es war mit Abstand die größte Kulisse, vor der ich bisher gespielt habe, bei den US Open war es damals nicht so voll. Also ich habe natürlich Gänsehaut gehabt."

Im vierten Duell mit dem zwölffachen Grand-Slam-Sieger erstmals einen Satz gewonnen zu haben, war eine weitere wichtige Erfahrung für den Lichtenwörther. "Ich war auch ein bisschen unschlüssig, weil die letzten Turniere sehr schwach waren und hätte ich heute so eine Leistung gebracht, dann wäre das eine ganz böse Klatsche geworden", gestand Thiem. Deswegen war er froh, dass er gut begonnen hat.

Guter erster Satz

Vor allem im ersten Satz lag in der auf einer Halbinsel im Südosten Londons gelegenen O2-Arena eine möglichen Sensation in der Luft. Denn dieser erste Durchgang war hochdramatisch. Djokovic nahm beim Stand von 2:1 eine medizinische Auszeit, um sich seinen rechten Daumen behandeln zu lassen (Djokovic gab später Entwarnung, nur ein kleiner Schnitt, Anm.). Thiem glich in der Folge mit seinem dritten Ass zum 2:2 aus - wie überhaupt seine Aufschlagleistung vor allem im ersten Durchgang über weite Strecken stark war.

Djokovic brachte seine Service-Games allerdings leichter durch, auch wenn er im gesamten ersten Satz keinen Breakball gegen den Niederösterreicher bekam. Thiem hingegen schon: Bei 5:5, 30:40 brodelte die 02-Arena, in der nicht nur Thiems Eltern Karin und Wolfgang, sondern u.a. auch Manchester-United-Trainer Jose Mourinho eine spannende Fortsetzung sahen.

Wechselbad

Das Match ging nach dem vierten Ass von Thiem ins Tiebreak, in dem der Schützling von Günter Bresnik ein Wechselbad der Gefühle erlebte. Großartige Passierschläge, ein Rückhandwinner und "Jetzt geht's los"- und "Gemma"-Schreie aus dem Publikum wechselten mit doch großer Nervosität. Nicht weniger als drei Doppelfehler beging Thiem in dieser Phase. Bei 6:3 hatte der French-Open-Halbfinalist zunächst drei Satzbälle, doch zwei Doppelfehler en suite brachten den "Djoker" zurück.

In der Folge fand der Weltranglisten-Zweite bei 9:8 selbst einen Satzball vor, doch Thiem wehrte ihn ab und erst bei 11:10 und nach 68 Minuten nützte er unter dem Jubel der Fans seinen siebenten Satzball.

Nach dem ersten Satz wurde die Pause für eine Aktion anlässlich der neuen Partnerschaft der ATP mit der UNICEF genützt. Mit blauen und weißen Plastiktaschen auf den Sitzen der Zuschauer wurde in der Arena die Nachricht "Together for children" ("Zusammen für Kinder") verbreitet.

So sehr der erste Satz das Publikum mitgerissen hatte, so enttäuschend verlief der zweite . Thiem gab sofort seinen Aufschlag zweimal ab und geriet rasch mit 0:3 in Rückstand, ab dem Zeitpunkt schien sich der Weltranglisten-Neunte schon in Richtung Entscheidungssatz zu fokussieren. Nach wenig Gegenwehr und nur 23 Minuten war Satz zwei mit 0:6 verloren.

Energie verloren

"Sicher war ich sehr froh über den ersten Satz. Aber ich habe danach ein bisschen Energie verloren, die man gegen Novak aber braucht", sagte Thiem, der in der Folge nur noch zwei Games machen sollte. Nach dem glatt verlorenen Satz habe er versucht, noch alles in den dritten Durchgang hineinzuwerfen. "Im dritten Satz habe ich einfach nicht das Level vom ersten Satz erreichen können, obwohl es noch gut begonnen hat." Ein frühes Break zum 2:1 und dann ein weiteres zum 5:2 stellten die Weichen zum Sieg des insgesamt fünffachen Triumphators beim ATP-Saison-Abschlussturnier.

Djokovic, der nach dem verlorenen ersten Satz mit einer Frust-Reaktion Dampf abgelassen hatte, war zufrieden mit seiner Leistung. "Ich habe im ersten Satz nicht viel falsch gemacht. Im ersten Satz hat sich die hohe Qualität seines Spiels durchgesetzt. Ich wusste, dass ich stark in die ersten paar Games im zweiten Satz starten musste", sagte der Serbe.

Hoffnung geschöpft

Thiem hat jedenfalls Hoffnung geschöpft, dass er im zweiten von drei Gruppen-Spielen am Dienstag gegen den Verlierer der Nightsession zwischen Milos Raonic (CAN-4) und Gael Monfils (FRA-6) Ähnliches zeigen kann. "Vom Spielerischen her war es sehr gut. Einige Dinge, die in den letzten Wochen schlecht waren, waren heute wieder da. Ich habe wirklich gut serviert, der Return war nicht schlecht, und ich habe mich besser bewegt. Aber ich habe den hohen Level vom ersten Satz nicht durchspielen können."

Auch Trainer Bresnik war mit dem Auftritt zufrieden. "Ich bin heilfroh mit der Vorstellung. Er hat in den Trainings sehr unterschiedlich gespielt und war vor der Aufgabe außergewöhnlich nervös", freute sich Bresnik. Dennoch sei mehr möglich gewesen, wenn er im Tiebreak schneller die Entscheidung gemacht hätte. "Es ist ein grober Fehler gewesen, dass er es nicht früher ausgemacht hat, sondern zwei Doppelfehler in Folge macht. Wenn das Tiebreak 7:3 oder 7:4 ausgeht, behaupte ich, dass der dritte Satz anders anfängt. Da war er dann komplett 'Banane'."